II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 277

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11. Reigen
Tbegter und Kunst.
„Reigen in den Kammerspielen.
Die gestrige Erstaufführung.
Artur Schnitzlers vielverrufene Szenen¬
reihe „Re#uch in der gestrigen
Erstaufführung im Kampf gegen die Rampe
siegreich bestanden. Das Publikum schien
zu seiner Ehre sei es gesagt — anfangs be
fremdet, ja vielleicht abgestoßer was sich ir
eisiger Stille äußerte. Späte# aber, als sich
die häßlichen Dingerd## wenigstens in
heiterem Rahmen abspiftten, gewann mar
immer mehr Laune.zum“ Schlusse gab's
widerspruchslosen Beiall; so daß Direkton
Bernau erscheigen konnte, um namen
Schnitzlers zu da#
Wir habe## gelegentlich der General¬
probe des e“ unseren Lesern von Weser
und Inhal=Wieser Sienen erzählt, was sich mit
Anstand##kraten läßt. Zehnmal hebt sich der
Vorh##um einen neuen Schauplatz und ein
neues Paar zu zeigen und ebenso oft muß die
Bühne zu tiefstem Schwarz verfinstert werden.
Eine Verhüllungspause. Aber trotz aller Un¬
durchdringlichkeit scheußlich genug. Wenn
irgend etwas den Zuschauer ahnen läßt, daß
über all den Tiefen doch eine Dämmerung von
Kunst schwebt, so ist es die gewisse
Schnitzlersche Melancholie, die aus dem
Schmutze schwer sich erhebt. Denn all diese
Menschen, die da in brutalem Sinnenrausche
sich treffen, empfinden schließlich doch mehr
oder minder den Ekel des Lebens. Leise Tragik,
die im Rauche eines Düngerhaufens aufsteigt.
Wieder beobachtete man bei der gestrigen
Aufführung wie der Spielleiter Dr. Schul¬
baur bemüht war, die Kerzenflamme nicht
nur möglichst früh mit eifrig zugreifenden
Fingern zu ersticken, sondern auch den glühen¬
den Docht zu erbrücken, damit der brenzliche
Geruch bald verschwinde. Auch die Darsteller
waren auf diese löbliche Absicht gestimmt. Man
kann sie im ganzen ausgezeichnet nennen. Von
es tat uns recht leid, sie ihrer
den Damen —
Würde entkleidet zu sehen — möchten wir
Fräulein Keller obenan stellen. Ihr „süßes
Mädel“ ist kein Theater mehr. Das ist Natur
und darum Erlebnis. Ganz brillant auch
Marietta Olly als Schauspielerin. Das war
die Tragödin, die auch im Boudoir die
Komödiantin nicht vergessen kann. Ueberdies
fühlte man sich durch die vielleicht unbewußte
und gerade deshalb um so verblüffender
Sandrockkopie gepackt, die diese Schauspielerin
bot. Gutes Theater, wie immer, Fra#
und
Carlsen, als „anständige Frau“
Fräulein Markus (Dirne). Unter den
Herren ragte Herr Lickner als gräflicher
Offizier in seinem unnachahmlichen Humor
Prachtige
Ungeschicklichkeit hervor.

der
Leistungen boten auch die Herren Wengraf
ein eleganter, junger Schauspieler, der gestern
eine schöne Talentprobe gab, Ziegler und
Iwald. Die szenisch=dekorativen An¬
deutungen (sie stammen von einem jungen
Künstler, Herrn Paul Friedmann)
brachten nicht nur Stimmung, sondern er¬
möglichten auch eine rasche Abwicklung der
Szenen.
Noch eines: Junge Damen waren es
darunter viele Mädchen, die am wärmsten ihrr
Dankbarkeit für den Abend Ausdruck gabek
Wir begegneten ihnen in der Garderobe
taten so, als hätten sie soeben eine
schön
Schulfeier im Töchterinstitut genossen
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„Reigen.
Zehn Dialoge vol Ertur Schnitzler,
(Zur heutigen Gestgsführung.)
Diejenigen, die sich über Müllers „Flamme“ angenehm
entrüstet haben, werden heute abend in den Kammerspielen
mit Vergnügen feststellen, daß die Muditäten dieses Stückes
gegenüber den „letzten Menschlichkeiten“, die Artur
Schnitzler oder vielmehr Direktor Bernau im „Neigen
auf die Bühne bringt, nur noch als Kinderkomödie ge¬
wertet werden können. Die Gespräche, die im „Reigen“ von
einem Soldaten mit einer Tirne und einem Dienstmädchen,
vom jungen Herrn mit dem Stubenmädchen, von dem
jungen Mann mit der „anständigen Frau“ von den
älteren Herrn und dem Dichter mit dem „süßen Mädel“
vom Dichter mit der Schauspielerin und vom Offizier mit
der Schauspielerin und mit einer „Solchenen“ geführt
werden, bewegen sich stets um eine Situation, die schamvol
durch eine Lichtpause markiert wird, weil die Zensur vielleich
doch eiwas dagegen hätte, wennde „Wunder der Zeugung
ganz offen demonstriert würden. Diese menschlichen Not¬
wendigkeiten, von denen sonst wohlerzogene Lente nicht
sprachen, gehören jetzt zum Inventar eines Theaterbetriebes,
wenn er sich lukrativ gestalten soll. Denn die Wohlerzogen¬
heit muß leider zu jenen Dingen gezählt werden, die beim
Umsturz verräumt worden sind und nicht mehr gesunden
werden können,
Diesen Moliven ist denn auch die Zusammenklitterung der
zehn Dialoge zu einem Stück zuzuscreiben. In Buchform
haben sie ihre Schuldigkeit längst jetan und dem Autor
namhafte Tantiemen eingebracht. Nun soll der versiegende
Geldstrom durch andere Röhren wieder hergeleitet werden.
Es kann auch kein Zweifel darüber herrschen, daß sich
das neue Publikum, das auch im Theater nicht die von
den „Budapestern“ her gewohnten Laszivitäten missen
will, nicht erst den Kopf zerbrechen wird, ob sich die
Dialoge für öffentliche Darstellungen eignen, ob sie im¬
stande sind, ein Stück zu bilden, und ob diese Ueb rtragung
geheimster Vorgänge auf die Bühne eine künstlerisce Not¬
wendigkeit oder eine einfache Spelulation auf die Sinnen¬
lust nach sexuellen Sensationen lüsterner Mitbürger sei.
Sie werden wonneschauernd den Lichtpausen entg gen¬
harren und durch den verünsterten Saal wird leise der
hübsche Kinorefrain „Wann's finster wird, da ruck' ma
z'samm“ schwirren. In allen Schiebercafés wird man
„literarisch“ werden und vom „Reigen“ sprechen und die
Dialoge des Herrn Schnitzler werden fortau in keinem
„feinen“ Schlafzimmer mehr fehlen.
In Berlin hat die Aufführung dieser Dialoge arge
Skandale herborgerufen und in München mußten die Be¬
sucher bestätigen, daß sie mit der Aufführung einverstanden
sind. Wie sich das Wiener Publikum zum „Reigen“ ver¬
halten wird, soll der heutige Abend zeigen. Es ist kaum
etwas zu befürchten. Die Leute, die sich seit Wochen um
die Sitze zu dieser Erstaufführung gerissen haben, würden¬
selbst ohne Llchtpausen nicht zischen. Im Gegentei!
Ueder die Aufführung selbst ist nach dem Ergebnis der
Generalvrobe zu sagen, daß alle Beteiligten sich Mühe
geben, den Intentionen des Dichters zu entsprechen und
dabei Awas durchschimmern zu lassen, das die Schlüpfrig¬
keiten der Dialoge mit einem gewissen ethischen Schimmer
umgibt. Am besten waren Frl. Keller in ihrer schlichten
Natürlichkeit, Frau Carlsen in der gut gespielten Ver¬
legenheit der in Ehebruchangelegenbeiten erfahrenen Frau
und Frau Olly in der von echtem Theaterblut erfüllter
Selbstpersiflage einer kapriziösen Schauspielerin. Köstlich
waren Herr Lackner als ungarischer Husaren=Oberleutnant
und Herr Ziegler als Dichter. Nett war der junge
Wengraf, lebenswahr in der vorgeschriebenen Gemein¬
heit Frl. Markus und Herr Sima und auf verlorenem
Posten mutig kämpfend Iwald.? Von dem Regisseur