II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 284

11.
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Reigen
Kammerspiele. Gestern also die "große Sensation“, die
Premiere des „Reigen“; es ging zu fast wie bei einer feier¬
lichen Klassikeraufführung: das Publikum saß still und andächtig
da. nur ganz allmählich tauten die Leute auf. Die an den Abend
geknüpften Erwartungen fanden lediglich in einigen, zum Teile
sehr anerkennungswerten Decolletés im Publikum Ausdruck
Ueber die auch gestern ungleichmäßige ##ung, die
Schuitter# spitzeste Pointen oft gleichtammit desinfizierender
Watte umwickelte, ist gesternim Feuilleton bereits alles gesagt
Cy
worden.
* Im Br#kheater gelangt morgen Donnerstag zu
erhöhten Preisen das Lustspiel „Die Fahrt ins Blaue
von Caillavet, Flers und Rey zur Aufführung. Anfang 7 Uhr,
* In der Staatsoper kommt morgen Donnerstag zu
erhöhten Preisen „Tiefland“ mit den Damen Lehmann
den Herren Oestvig
Szterenvi. Mihacsek, Kittel, Schöne,
Betetto, Weil, Madin, Gallos zur Aufführung. Dirigent Herr
Alwin. Anlang 7 Uhr.
* # hen hostinen Marstalle. E:. m
Scihlers—Reigen“
Eine Jugendarbeit, damals wohl aus Lust
am Verbotenen gedichtet. Für die heimliche
Schreibtischlade, später, da Schnitzler schon wer
war, dem Buchhandel als Kuriosum übergeben.
Jetzt erscheinen die zehn Dialoge unter Profest
der Germanen, die, Wotar sei Dank, wenigere
ins Theater gehen, als die Linksglänbigen.
Im „Reigen“ sind intime Lebensangenblicke
hergenommen und gestaltet. Das Ante und Post
verschiedener Menschheitsschichten wieneri¬
schen Geblüts, Berliner benehmen sich, schlägt
die Liebesstunde, sicherlich anders. Pariser auch.
Und erst Amerikaner. Schnitzler hat einen
Wiener Decamerone geschrieben. Mit witzigem
Erfassen von Momenten, die auch ernst ge¬
nommen werden. Nirgenös handelt es sich bei
ihm um Leidenschaft, Liebe, Neigung, immer ist
Atmosphärisches ausschlaggebend, eine Situation.
eine Schwäche, Gelegenheit. Der „Reigen“ gibt
nicht die großen Gesten Liebender oder Ver¬
liebter, er läßt in amüsanter Perfidie die
Verlegenheitsrederei gufälliger Pärchen hören.
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Ein köstliches Werk, reigend im Grab¬
Lustigen des „Vorher“, wir in der leisen
Melancholie der satten Menschen. Grotik von
Damals, mit Stimmungsbehelfen wie Kaviere
spiel, Dämmerungen auf der Wieden, Kerze un
Auerlicht. Der elektrisch beleuchteten Betriell¬
samkeit von heute ein romantisches. Zeitalter,
fanft unwirklich, lendeldurchhuftet. Schon die
Paarung ist zum Teil von Gestern: „Süßes
Mädel“ und Dichter, Dichter und Schau¬
sielerin ... Die Eeschlechter grnppieren sich
jetzt vielfach anders.
Die ohyfiolagischen Hointen sind bei
Schnißzler mit delikater Pychologie ausgestattet
das Wort langt bis an die außerste Geenze, wo
sonst schon die Körper zu reden beginnen. Die
Dialoge gewähren gleichsam das Reußerste,
Letzte: spiritnelle Verfassung, Intensität, Temus
W
ihrer horizontalen Menschen.

Die Frauen sind beim Dichter und in der
Auffi###ung besser als die Münner. Namentlich
Fräu. a Kollers inniges, dlutvolles Wiener¬
tum durchwärmt die Szanen der „süsen
Mädels“. Sehr lustig und temperamentvoll sie
Frar Olle die sezelle Rontine der „Schen¬
Selte 6
Donne
spielerin“, Frau Carlsens immer etwas eisige
Aamut gibt der „jungen Frau“ angenehmen Um¬
riß. Nett auch Frau Hochwalds Stuben¬
mädchentyp und des Fräulein Markus dis¬
krete „Dirne“ Von den Männern Lackners
ungarischer Graf, unterhaltsam Geist der
Kavallerie spiegelnd und Herrn Zieglers
blonder Dichter, die wirksamsten. Die Auf¬
führung (Regie Dr. Schulbaur) als Ganzes,
delikatestes Theater, weicht allen ordinären
Lockungen taktvoll aus. Sie bringt Körperliches
nur andeutend, geschmackvoll zwischen roten
Vorhängen drapiert, den geistigen Stimmungs¬
reiz dieser amüsanten Kymödien. NIz.