II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 313

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11. Reigen
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Demonstration gegen don
„Reigen“.—
Bei der geferigen Apfführung des „Reigen“ in den
Kammerspielen kam es zu einem Störungsversuch, der von
15 bis 20 jungen Leuten inszeniert wurde. Während des
vorletzten Bildes drangen sie durch das Foyer in den
Zuschauerraum in einige besetzte Lögen und versuchten
unter Pfeifen, Zischen und den Rufen „Aufhören“
die Vorstellung unmöglich zu machtn. Die anfangs
rerdutzten Zuschauer wendeten sich gegen die Störenfriede
und begannen Beifell zu klatschen. Hetbeigeeilte Wachleute
drängten die Demonstranten aus dem Saale und die Vor¬
stellung nahm wieder ihren Fortgang. Sechs Personen
wurden arretiert. Es sind Privatbeamte, ein Schlosser¬
gehilfe ein Optiker und ein Postbeamter. Nach Feststellung
ihrer Persönlichkeit wurden sie entlassen.
Wir begreifen die moralische Entrüftung der jungen
Leute, betrachten auch die Aufführung dieser „Dichtung“
als eine Schmach für jenes gesunde Vollsempfinden,
können aber keineswegs diese Art von Demonstration
für richtig halten, denn sie beeen nichts wie eine wlte
Reklame für den „Dichter“, für den Direktor und für die
ganze Schweinerei. Für „Werke“ solchen Qualcät gibt es
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Stöxungsversuche während einer Aufführung
von Schnitzlers „Reigen“
Wählend der heutigen Aufführung von Artur Schnitz¬
Pers Aeigen“ in den Kammerspielen haben etwa zwarorg
jung Leute den Versuch unternommen, die Vo#
stedlung zu stören. Sie gelangten bis in das Foyer des
Teaters, wo sie durch laute und heftige Rufe gegen Dichter,
Stück und Publikum demonstrierten. Der Lärm wurde
im
Zuschauerraum vernommen. Das Publikum bewahrte jedoch
eseine Ruhe und verharrte auf den Plätzen. Die Vorstellung
man war bereits beim vorletzten Dialog angelangt

urde
unterbrochen, der Vorhang fiel und das Haus wurde erleuchtet.
Unterdessen hatten das Bühnenpersonal, die Theaterarbeiter
Billeteure im Vereine mit herbeigerufenen Wachorganen
die
Demonstranten von dem Foyer auf die Straße gedrängt.
wurden drei Arretierungen vorgenommen, Nach einer
ause
von einigen Minuten wurde sodann die Vorstellung
ohne
weitere Zwischenfälle zu Ende geführt.
chreißt un Endlich rührt
„Der Reigen“. Man
d#em Bühne über¬
sich gegen den Schmutz
nitksame Abwehr, Gewalt
flutet, die einzg#ri###e
e Seeie des Volkes selbst
kann da ja nichts helfen, uu
muß der Protest kommenz### diese ganzen zotenhaften
Sdeleien, welche das Eistes= und Gemütsleben unseres
Volles vergiften, vom=Theaten verdrängen. Und so lesen
wir denn auch mit aufrichtiger Befriedigung, daß bei
einer Aufführung von Schnitzlers „Reigen“ di
Frauen selbst, die ja durch diese Tarbietungin ihres
Frauenwürde tief verletzt werden, entrüstet gegen die
Aufführung Stellung nahmen, daß ein wahrer Zornes¬
sturm ausbrach, der auch viele der anwesenden Männer
mitriß, so daß schließlich die Vorstellung abgesagt werdens
mußte. Wir sind mit diesem tatkräftigen Protest der
Frauen vom ganzen Herzen einverstanden, nur eines
fehlt leider, um unsere Zufriedenheit voll zu machen: Der
Protest erfolgte nicht in Wien, sondern in — München.
Die Eingriffe der Behörden in das wirtschaftliche
Das Geld oder das Leben, ihr Bürger verehrtt
Unter der roten Aegide verlor beides den Wert.
Ihr zahlt, bis ihr schwarz seid, wenn's euch auch
gefällt:
Ihr selbst habt den roten Metzger — gewählt und
bestellt!
Bringt Frankreich unfrer Wirtschaft Segen?
Auch der gallische Hahn wird uns keine —
Eier legen!
Bei des Marxismuz sanatischem Gesicht,
Gefällt uns schon Re — krumme Nase picht!
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Zum „Reigen“=Rummel.
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Von Karl Paumgartten.
Die nachstehende Kritik habe ich im Jahre 1903 für
die
seither eingegangene „Oosterreichisch=Ungarische
Revue“ geschrieben, aber im letzten Augenblick von der
Drucklegung zurückgezogen, weil ik mir Bedenken auf¬
stiegen, ob der Standpunkt, den ich dem Werke gegenüber
eingenommen hatte, der richtige sei.
„Die große Entrüstung der Sittlichen und das große
Behagen der Unsittlichen waren des „Reigens“ Ammen. Ohne
sie hütte das Buch nicht in acht Monaten zehn Auflagen erle#t
Als Kunstwerk an und für sich hätte es nur einen ganz
geringen Teil jener Vopularität gefunden, die ihm die
Sensationsmacherei der Freunde und Gegner verschaffte. Die
Behandlung des sexuellen Problems ist nun einmal „modern“.
Sie bemüht sich, ernste, künstlerische Psychologie zu sein oder
diese wenigstens vorzutäuschen. Aber selbst die ernsteste Dar¬
stellung dieser Art entbehrt naturgemäß nicht einer gewissen
Pikanterie, namentlich in den Augen der Lüsternen. Ich ken
Leute, die sich Bölsches „Liebesleben in der Natur“ als pikanne
Lektüre angeschafft haben. So gibt es auch Leute, die sich den
„Reigen“; bloß seiner Gedankenstriche wegen kauften. Die
Wenigsten hichen das Buch ohne Vorurteil aufgeschlagen, und
gerade bei diesem Buche kommt es vor allem auf den Stand¬
punkt an, dem man ihm gegenüber gleich bei Beginn der
Lektüre einnimmt. Man hatte das „Unsittliche" im „Reigen“
bekämpfen und verteidigen gehört, beides in leidenschaftlicher,
lärmender Weise, und nun wollte man sich „selbst überzeugen“.
Aber das ging nicht so, wie man dachte. Die da objektiv zu
prüfen vorgaben, ob der „Reigen“ das sei, was er zu sein vor¬
zab
— künstlerische Psychologie — konzentrierten ihr ganzes
Denken auf die eine Frage: Wird er auch auf mich als
Pikanterie wirken? So machte der Rummel aus dem Buche
für die meisten, namentlich für die ganz jungen Literatur¬
beflissenen, ein Käma-sütram, eine ars amandi, und die Kritd
richtete ihr Augenmerk nur auf die Feststellung, ob es als
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