11. Reizen
box 17/5
Wintermärchen
oder 10 FFBRUER 13
Blel Lärm um nichts.
Radaumacher haben eine der letzten Vorstellungen des
„Reigen“ in den Kammerspielen gestört und sind hinaus¬
geworfen worden. Das genügte ihnen nicht, sondern sie ver¬
langten von der Regierung ein Verbot der weiteren Vor¬
stellungen. Wer die Herren eigentlich sind, weiß man nicht,
aber man kann es sich denken. Der Herr Minister für Inneres,
Dr. Glanz, beeilte sich gehorsam. Er lichtete, wie die
Zeitung Dr. Arthur Schnitzl##s zu berichten weiß
als bloße Reklame wärs es viel zu verwegen, als
daß wir an der Wahrheit der Nachricht zweifeln
ollien — ein Schreiben „an die zuständige Stelle",
in welchem er ihr nahelegte, die Fortsetzung der Aufführungen
des „Reigen“ zu verbieten. Ohne jeden Erfolg — der
„Reigen“ wird weiter aufgeführt.
Man könnte über diese nicht geringe Blemage der
#u#desregierung und ihres Wortführers, Dr. Glanz, der auf
hölssch=vormärzliche Art Theaterzensur zu üben versucht, zur
Dagesordnung übergehen und höchstens der Landesregierung
sem Pelilmanweßnicht, weiche Steile
Herr Glanz „zuständig“ fand — dafür danken, daß sie eine Zu¬
mutung, der höchstens ein k. k. Pölfzeichef von 1830 Folge
geleistet hätte, keiner Beachtung würdigten. Das ist zwar nur
erfüllte Pflicht, aber auch das verdient schon Anerkennung.
Die Sache hat aber noch eine zweite Seite: Richts,
aber auch gar nichts, hat die Aufführung von Schnitzlers
„Reigen“ auf einer Bühne gerechtfertigt: weder die künst¬
lerischen E'genschaften dieser zehn artistsch=spielerischen Bilder
mit ihren Geschlechtsvorkehrspausen noch hervorragende Dar¬
stellung und Spielleitung oder sonstwie Gründe schöngeistiger
Art. Nichts als traurige Spekulation auf Einnahmen und
Tantiemen haben zur Aufführung des „Reigen“ Anlaß ge¬
geben und zur Prost stution des Verfassers geführt; nur die
allerbitterste Not entschuldigt die Prostitution wie des Körpers
so auch des Geistes. Die erwartete Sensation, damit aber auch
der Profit sind ausgeblieben und der erste Versuch, die Thes¬
terzenfur im Wege eingeschmuggelter Besucher einzuführen,
ist kläglich gescheitert; zu einem zweiten wird den dlamirten
Sittenwächtern hoffentlich alle Lust vergangen sein.
Theater und.
(Das angebliche „Reigens=Verbot.) Die Nach¬
richt, daßs die „Reiges“=Apfführungen in den
Kamnserssielen verhotn werdensollen, ist bisher
nicht bestätigte Porden. Die Pptizei erklärt,
keinerkei ##läßszu einem'sglchch Verbot zu haben;
der Standpunkt Chev ensur fällt nicht in ihre
einzu¬
Kompetenz,2 aus Sicherheitsgründen
schreiten, liegt kein Anlaß vor, auch deshalb nicht,
weil ähnliche Störungen wie die letzt# die Sicher¬
heit tatsächlich nicht gefährden. Einschreiten
der Polizei in einem solchett Falle würde
geradezu eine indirekte Auchforderung an
Demonstrationslustge bedeuten, irgend¬
welche aus irgendeinemsGrunde unliebsame Vor¬
tellungen zu stören#nd dadurch den Betrieb
eines Theaters in Frage zu stellen. Die Zensur¬
behörden haben ändererseits die Aufführungen
elbst gestatteh und können sich nunmehr unmög¬
ich secbst ins Unrecht setzen. Was einen
anges#chen privaten Brief des Ministers
Dr. Glanz an die Polizei betrifft, so ist darüber
keinerlei Auskunft zu erhalten. Das Bundes¬
ministerium für Inneres, die einzige
Nr. 7579. Seite 5.
Behörde, die zu einem Verbot berechtigt wäre,
verwelgert de Auskunft über die Angelegenheit¬
□
#
—
#
—
—
I. „Schehergzuben“ von Rimsfi=Korssekow
an erster Stelle stehen.
—
Der „Reigen“ und die Behörde
Verbot bei weiteren Skandalen.
Wie verlautet, hat die Polizei — entgegen den um¬
aufenden Gerüchten — bisher kene Maßisahmedtur Er¬
assung eines Verbotes der „Reigen“=Auftärungen ge¬
troffen. Es soll jedoch die Absichk besseh bei neuerlichen
Protestkundgebungen, die ein Einschteiten der Polizei not¬
wendig ma#en, die W#rfü(bl#gen zu inhibieren.
Einem Relurs der Direktion“ täme dabei keine auf¬
schiebende Wirkung zu.
2
Die „Reige
#führan¬
en. Tlch s.big 1d
führung von
Schnitzlers Peigen“ herlief ohne jeden
Zwischen
ustg hält die Direktion der¬
M#pfele das Phck auch weiterhis im
Opelpian.
Vorweisung der betrefsen
en Witgliedskarte. An der, Ahr#t
kasse 40 K.
Theater, Kunst#n
Literatur.
Der „Reigen“ verboten.
Die Aufführungen des „Reigen“, die der Wiener Bürger¬
meister Reumann gegen das ursprüngliche Verbot ge¬
stattet hatte, sind von der Regierung verboten worden.
Endlich, könnte man sagen. Man hätte sie nie erlauben
sollen, denn mit wahrer Kunst hat diese „Dichtung“ des
Häkrn Schnitzler nichts zu tun. Wahre, echte Kunst hat das
#lle Licht des Tages nicht zu scheuen. In der Verdunkelung
des Zuschauerraumes bei den gewissen Stellen dieser
Schnitzlerschen Cochonnerie hielten aber selbst die Veranstalter
hieser Aufführungen die vollkommene Verdunkelung der Szene
für geboten. Darin liegt das Eingeständnis, daß
## das, was da geboten wird, das Lampenlicht zu scheuen hat,
und diesem lichtscheuen Treiben ist nun von der Regierung
endlich das Handwerk gelegt wu
Der Skandal wurde übrigens 1
rhöht durch den
Umstand, daß diese „Reigen“=Aufführungen auf einer Bühne
erfolgten, die ein Annex des Deutschen Volkstheaters bildet.
Glaubt man, daß das, was im „Reigen“ geboten wird,
wirklich „Kost für das deutsche Volk“ ist, für das sein
Theater von seinen Gründern ja doch gebaut wurde? Nein,
darüber kann er sich doch wohl nicht einen Augenblick
im Zweifel gewesen sein, daß Stücke, wie dieser „Reigen“,
nur volksvergiftend wirken können und daß die
Besucher dieser Aufführungen nicht kamen, um Zeugen eines
künstlerischen Ereignisses zu sein, sondern etwa in der
Stimmung, in der man zu den gewissen „Herrenabenden“
geht, um des Sinnenkitzels halber. Deshalb erschienen die
Lebemänner alt und jung in Begleitung entsprechender
Frauenzimmer, deren Namen man hätte notieren sollen,
um sich darüber klar zu werden, wer in Wien Geschmad
an solchen Dingen hat. Die Direktion führte das
Schnitzlersche Machwerk auf, nicht, weil sie sich als Apostel
rgendeiner künstlerischen Idee fühlte, sondern in der
Gewißheit, daß die Schweinerei ihm das Theater füllen
werde. Deshalb wäre es unseres Erachtens Pflicht des
Deutschen Volkstheatervereines gewesen, gegen diese Auf¬
führungen zu protestieren und die „Dependance“ des Deutschen
Volkstheaters von dieser Beschmutzung rein zu halten, wie
das Deutsche Volkstheater selbst auch von der „Flamme“
und ähnlichen Produkten einer orientalischen Phantasie frei
gehalten werden sollte. Nach dem „Reigen“ müßte folgerichtig
auch die „Flamme“ verboten werden, und wenn auch „Haus
Wetterstein“ und andere Wedekindsche Schamlosigkeiten
von dem gleichen Schicksal betroffen würden, so würden das
weite Kreise, denen an der Säuberung Wiens von der sich
immer mehr breit machenden Schamlosigkeit etwas liegt##
nur mit Freuden begrüßen.
box 17/5
Wintermärchen
oder 10 FFBRUER 13
Blel Lärm um nichts.
Radaumacher haben eine der letzten Vorstellungen des
„Reigen“ in den Kammerspielen gestört und sind hinaus¬
geworfen worden. Das genügte ihnen nicht, sondern sie ver¬
langten von der Regierung ein Verbot der weiteren Vor¬
stellungen. Wer die Herren eigentlich sind, weiß man nicht,
aber man kann es sich denken. Der Herr Minister für Inneres,
Dr. Glanz, beeilte sich gehorsam. Er lichtete, wie die
Zeitung Dr. Arthur Schnitzl##s zu berichten weiß
als bloße Reklame wärs es viel zu verwegen, als
daß wir an der Wahrheit der Nachricht zweifeln
ollien — ein Schreiben „an die zuständige Stelle",
in welchem er ihr nahelegte, die Fortsetzung der Aufführungen
des „Reigen“ zu verbieten. Ohne jeden Erfolg — der
„Reigen“ wird weiter aufgeführt.
Man könnte über diese nicht geringe Blemage der
#u#desregierung und ihres Wortführers, Dr. Glanz, der auf
hölssch=vormärzliche Art Theaterzensur zu üben versucht, zur
Dagesordnung übergehen und höchstens der Landesregierung
sem Pelilmanweßnicht, weiche Steile
Herr Glanz „zuständig“ fand — dafür danken, daß sie eine Zu¬
mutung, der höchstens ein k. k. Pölfzeichef von 1830 Folge
geleistet hätte, keiner Beachtung würdigten. Das ist zwar nur
erfüllte Pflicht, aber auch das verdient schon Anerkennung.
Die Sache hat aber noch eine zweite Seite: Richts,
aber auch gar nichts, hat die Aufführung von Schnitzlers
„Reigen“ auf einer Bühne gerechtfertigt: weder die künst¬
lerischen E'genschaften dieser zehn artistsch=spielerischen Bilder
mit ihren Geschlechtsvorkehrspausen noch hervorragende Dar¬
stellung und Spielleitung oder sonstwie Gründe schöngeistiger
Art. Nichts als traurige Spekulation auf Einnahmen und
Tantiemen haben zur Aufführung des „Reigen“ Anlaß ge¬
geben und zur Prost stution des Verfassers geführt; nur die
allerbitterste Not entschuldigt die Prostitution wie des Körpers
so auch des Geistes. Die erwartete Sensation, damit aber auch
der Profit sind ausgeblieben und der erste Versuch, die Thes¬
terzenfur im Wege eingeschmuggelter Besucher einzuführen,
ist kläglich gescheitert; zu einem zweiten wird den dlamirten
Sittenwächtern hoffentlich alle Lust vergangen sein.
Theater und.
(Das angebliche „Reigens=Verbot.) Die Nach¬
richt, daßs die „Reiges“=Apfführungen in den
Kamnserssielen verhotn werdensollen, ist bisher
nicht bestätigte Porden. Die Pptizei erklärt,
keinerkei ##läßszu einem'sglchch Verbot zu haben;
der Standpunkt Chev ensur fällt nicht in ihre
einzu¬
Kompetenz,2 aus Sicherheitsgründen
schreiten, liegt kein Anlaß vor, auch deshalb nicht,
weil ähnliche Störungen wie die letzt# die Sicher¬
heit tatsächlich nicht gefährden. Einschreiten
der Polizei in einem solchett Falle würde
geradezu eine indirekte Auchforderung an
Demonstrationslustge bedeuten, irgend¬
welche aus irgendeinemsGrunde unliebsame Vor¬
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eines Theaters in Frage zu stellen. Die Zensur¬
behörden haben ändererseits die Aufführungen
elbst gestatteh und können sich nunmehr unmög¬
ich secbst ins Unrecht setzen. Was einen
anges#chen privaten Brief des Ministers
Dr. Glanz an die Polizei betrifft, so ist darüber
keinerlei Auskunft zu erhalten. Das Bundes¬
ministerium für Inneres, die einzige
Nr. 7579. Seite 5.
Behörde, die zu einem Verbot berechtigt wäre,
verwelgert de Auskunft über die Angelegenheit¬
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I. „Schehergzuben“ von Rimsfi=Korssekow
an erster Stelle stehen.
—
Der „Reigen“ und die Behörde
Verbot bei weiteren Skandalen.
Wie verlautet, hat die Polizei — entgegen den um¬
aufenden Gerüchten — bisher kene Maßisahmedtur Er¬
assung eines Verbotes der „Reigen“=Auftärungen ge¬
troffen. Es soll jedoch die Absichk besseh bei neuerlichen
Protestkundgebungen, die ein Einschteiten der Polizei not¬
wendig ma#en, die W#rfü(bl#gen zu inhibieren.
Einem Relurs der Direktion“ täme dabei keine auf¬
schiebende Wirkung zu.
2
Die „Reige
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Schnitzlers Peigen“ herlief ohne jeden
Zwischen
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M#pfele das Phck auch weiterhis im
Opelpian.
Vorweisung der betrefsen
en Witgliedskarte. An der, Ahr#t
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Theater, Kunst#n
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Der „Reigen“ verboten.
Die Aufführungen des „Reigen“, die der Wiener Bürger¬
meister Reumann gegen das ursprüngliche Verbot ge¬
stattet hatte, sind von der Regierung verboten worden.
Endlich, könnte man sagen. Man hätte sie nie erlauben
sollen, denn mit wahrer Kunst hat diese „Dichtung“ des
Häkrn Schnitzler nichts zu tun. Wahre, echte Kunst hat das
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des Zuschauerraumes bei den gewissen Stellen dieser
Schnitzlerschen Cochonnerie hielten aber selbst die Veranstalter
hieser Aufführungen die vollkommene Verdunkelung der Szene
für geboten. Darin liegt das Eingeständnis, daß
## das, was da geboten wird, das Lampenlicht zu scheuen hat,
und diesem lichtscheuen Treiben ist nun von der Regierung
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Der Skandal wurde übrigens 1
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Umstand, daß diese „Reigen“=Aufführungen auf einer Bühne
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Glaubt man, daß das, was im „Reigen“ geboten wird,
wirklich „Kost für das deutsche Volk“ ist, für das sein
Theater von seinen Gründern ja doch gebaut wurde? Nein,
darüber kann er sich doch wohl nicht einen Augenblick
im Zweifel gewesen sein, daß Stücke, wie dieser „Reigen“,
nur volksvergiftend wirken können und daß die
Besucher dieser Aufführungen nicht kamen, um Zeugen eines
künstlerischen Ereignisses zu sein, sondern etwa in der
Stimmung, in der man zu den gewissen „Herrenabenden“
geht, um des Sinnenkitzels halber. Deshalb erschienen die
Lebemänner alt und jung in Begleitung entsprechender
Frauenzimmer, deren Namen man hätte notieren sollen,
um sich darüber klar zu werden, wer in Wien Geschmad
an solchen Dingen hat. Die Direktion führte das
Schnitzlersche Machwerk auf, nicht, weil sie sich als Apostel
rgendeiner künstlerischen Idee fühlte, sondern in der
Gewißheit, daß die Schweinerei ihm das Theater füllen
werde. Deshalb wäre es unseres Erachtens Pflicht des
Deutschen Volkstheatervereines gewesen, gegen diese Auf¬
führungen zu protestieren und die „Dependance“ des Deutschen
Volkstheaters von dieser Beschmutzung rein zu halten, wie
das Deutsche Volkstheater selbst auch von der „Flamme“
und ähnlichen Produkten einer orientalischen Phantasie frei
gehalten werden sollte. Nach dem „Reigen“ müßte folgerichtig
auch die „Flamme“ verboten werden, und wenn auch „Haus
Wetterstein“ und andere Wedekindsche Schamlosigkeiten
von dem gleichen Schicksal betroffen würden, so würden das
weite Kreise, denen an der Säuberung Wiens von der sich
immer mehr breit machenden Schamlosigkeit etwas liegt##
nur mit Freuden begrüßen.