II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 331

11.
Reigen
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Eine Begegnung mit Dr. Arkur Schnibler.
Was der Dichter des „Reigen“ sagt.
Heute Morgen hatte einer unserer Redakteure=keine Verständigung vom Verbot des „Reigen“ er¬
während eines Spazierganges im Währinger
halten. Direktor Bernau begab sich im Laufe des
Vormittags zum Bundesminister Glanz, um ihm den
Cottage eine Begegnung mit Artur Schnitzler.
in unseren heutigen Morgenblatt eiwähnten Kompromi߬
Der vielumstrittene Dichter des „Reigen“ rief:
vorschlag zu unterbreiten.
„Um Gotteswillen — kein Interview! Be¬
gleiten Sie mich in das Deutsche Volkstheater.
Unterwegs wollen wir plandern.“
Klage gegen den Bürgermeister beim
Unser Vertreter machte den Dichter auf¬
Verfassungsgerichtshof?
merksam,
es
würde
Beseitigung
zur
Eine ganze Reihe von Gesetzesartikeln wird
mancher Mißverständnisse heitragen, wenn einige
rechts und links herbeigezogen, um die Rechtslage im
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autoritative Mitteilungen von berufener Seite
„Reigen“=Streit zu klären. Heute wird folgendes
also vom Dichter selbst — erfolgten.
behauptet:
Dr. Schnitzler überlegte lange; dann
„Die Artikel 10 bis 13 und 15 des Bundes¬
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sagte er: Ob „Reigen“ auf die Bühne gehört,
verfassungsgesetzes, welche für später die Kompetenzen

noch nicht in Kraft, so
regeln, stehen
daß
darüber kann man, darf man diskutieren —
aus
nach § 42 des
Uebergangsgesetzes die bisherige
ästhetischen und dramaturgischen Gründen. Daß
Kompetenzaufteilung
inzwischen
aufrecht bleibt
aber durch die Aufführung meines Werkes die
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und die Angelegenheiten der Theaterpolizei und damit
Sittlichkeit verletzt wird — das ist ein Stand¬
auch der Theaterzensur Bundessache sind; sie werden
punkt, über den ernsthaft zu reden keine Mög¬
derzeit von den Landeshauptmännern als mittelbare
lichkeit besteht.
Bundesverwaltung durchgeführt. Nach dem Bundes¬
Es wäre vielleicht eine Möglichkeit darüber
verfassungsgesetze (Art. 104) ist auf
zu sprechen, wenn dieses — angeblich — beleidigte
diesem Gediete der Landeshauptmann an die
Weituingen
Sittlichkeitsgefühl auch bei anderen Gelegenheiten
der Bundesregierung, sowie der
Bundesministerien gebunden. Befolgt er eine
sich zeigen würde oder gezeigt hätte und zum
solche Anordnung nicht, so kann er von der Bundes¬
mindesten den gleichen Anlaß zum Einschreiten
regierung beim Verfassungsgerichts¬
geboten hätte.
hofe belangt werden. Die Regierung hat
Sache einer klugen, taktvollen Inszenierung
in diesem Falle keinen anderen
ist, es, auf der Bühne alles was anstößig wirken
rechtmäßigen Weg.“
könnte, zu vermeiden, zu beseitigen.
Also bis der Verfassungsgerichtshof sein Urteil
Nun hat sich die Spielleitung in den
gefällt haben wird, hängt das ministerielle Verbot in
Wiener Kammerspielen großen Taktes befleißigt.
der Luft und die Vorstellungen des
Kein Mensch wird die diskrete Inszenierung in
Reigen“ können bis dahin fort¬
zeführt werden.
den Kammerspielen leugnen können. Auch in
Berlin, München, Leipzig und Hamburg, überall
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wo „Reigen“ gespielt wurde, haben die Regisseure
und die Schauspieler volle Diskretion gewahrt.
Es gibt Leute, die in aller Ehrlichkeit
„Reigen“ für unerlaubt halten, die aus
innerer Ueberzeugung heraus
mein Werk ablehnen. Ich achte diese Ueber¬
zeugung, wie ich jede Ueberzeugung respektiere.
Aber ich glaube nicht, daß die Leute zu den
aufrichtigen Menschen gehören, die aus einer
ästhetisch=dramaturgischen Frage,
ein — Politikum machen.
Unser Vertreter wollte wissen, ob bei den
weiteren Aufführungen von „Reigen“ Striche
vorgenommen werden.
Der Dichter antwortete in energischem
Tone: „Nachdem ich mich einmal zur Auf¬
führung entschlossen habe, wird nichts ge¬
strichen. Keine Szene wird weg¬
gelassen und von einer Zurück¬
ziehung ist keine Rede. Gegen Regie¬
änderungen habe ich indes nichts einzuwenden.“
Das Gespräch berührte auch die Ent¬
stehung des „Reigen". „Die Dialoge wurden
vor achtzehn Jahren geschrieben, sie
sind ein Jugendwerk.“
Beim Abschiede sagte der Dichter: „Sie
möchten noch einiges über die weitere Ent¬
wicklung der Angelegenheit erfahren? Lesen Sie
meinen „Professor Bernhardi“!
Unser Vertreter: Meinen Sie,
weil auch dort aus einer nichtpolitischer Angelegen¬
heit ein Politikum gemacht wird?
Schnitzler: Und der Professor ar¬
beitet weiter.
—sch.
Direktor Bernau bei Dr. Glanz.
Bis zur Stunde, da dieses Blatt in Druck
gebt, hat die Direktion des Deutschen Volkstheaters