II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 337

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11. Reigen
lund s um, dey „N.igen“.
Wien, 13. Februar.
Für Die einen it der „Reigen“ ein Kunstwerk von
ohem Werte, für die anderen eine Schweinerei. Da¬
zwischen liegen die Meinungen und Ansichten der
Urteilslosen und Indifferenten in zahllosen Varia¬
tionen. Direktor Bernau effektuiert den Meinungs¬
streit mit Logenpreisen von 2500 Kronen und Sitz¬
preisen von 200 bis 400 Kronen. Schließlich auch ein
Bekenntnis; denn solche Preise können nur die Leute be¬
zahlen, die im „Reigen“ nicht das Kunstwerk, sondern
die Schweinerei erblicken. Die Aufführungen waren
bisher auf Tage hinaus ausverkauft, womit endlich auch
die Geschmacksrichtung des neuen Theaterpublikums
estgestellt ist, über die Sektionschef Dr. Vetter in
einem berühmten Plädoyer die näheren Aufklärungen
schuldig geblieben ist.
*
Die katholische Jun gmannschaft ist der Meinung
daß die serienweise Darstellung der imtimsten Vorgänge
im Geschlechtsleben mit Respektpausen nicht auf die
Bühne gehören, und weil es in Oesterreich momentan
kein anderes Mittel gibt, um solche Ansichten zur Gel¬
tung zu bringen, randalierten ein paar Dutzend Leute
im Zuschauerraum und mußten von der Polizei ent¬
fernt werden. Das mag recht sein oder nicht. Jedenfalls
wind man der #atholischen Jungmannschaft zubilligen
müssen, daß ihre Handlungsweise einer auf reli¬
ziöser Grundlage fußenden ethischen Empfinden ent¬
#ringt. Unsympathisch ist das nicht.
#
Von allen Wiener Blä#tern hat sich darüber nur
die „Arbeiter=Zeitung“ aufgeregt. Sie erklärt das
ganze für eine „klerikale Mache“, hofft „im Interesse
der verhetzten jungen Leute, daß es beim ersten Versuch
dAnsühne Ee Balen Terrors in einer Theatera#
stellung, die den schwarzen Muckern und Hruchlern
nicht behagt, sein Bewenden hat“ und meint, daß
„ihnen ein zweiter Versuch weit übler bekommen
könnte.“ Jedermann weiß, was das heißt. Die sexuellen
Exkursionen des Solbaten und der Dirne, des Soldaten
und des Stubenmädchens, des Stubenmädchens und
des jungen Herrn usw. usw. stehen von nun an unter
dem Schutze der marxistischen Parteiprogrammes der
Internationale 2½. Ein neues Politikum ist gefunden,
und organisierte Arbeiter werden dafür sorgen, daß die
Serie der verdunkelten Paarungsakte allabendlich auf
der Rotenturmstraße zu besonderen Preisen ungestört
abgewickelt werden können.
*
Die besonderen Preise des Herrn Bernau ge¬
statten es auch den Arbeitern nicht, sich das Streit¬
objekt anzusehen. Die „Reigen“=Aufführungen sind ein
Privilegium für Schieber und Schleichhändler, ebenso
wie die Opernredouten unserer Staatstheaterverwal¬
tung. Mutet die „Arbeiter=Zeitung“ nicht vielleicht den
Arbeitern zu viel zu, wenn sie allen Ernstes meint, daß
ie mit Brachialgewalt dafür sorgen sollen, daß die
Schieber und Schleichhändler in ihrem Vergnügen
nicht gestört werden?
Von da an wird die Sache einigermaßen ver¬
worren. Ein Abendblatt meldete, daß die Regierung
die Absicht habe, die weiteren Aufführungen des
„Reigen“ zu verbieten. Die Morgenblätter versicherten,
nein. Dann hieß es wieder, der Bundesminister des
Innern hat auf die Polizeidirektion eingewirkt und
als diese leugnete, er habe an den Bürgermeister das
Ansinnen“ gestellt, dieser sei jedrch als sturmerprobter
Sozialdemokrat festgeblieben. Details aus diesem „An¬
sinnen“ — ein wutentbi unter Artikel der „Arbeiter¬
Zeitung": Korapetenzstrtigkeiten — Beteuerung der
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