II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 338

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11. Reigen
stellung, die den schwarzen Muckern und Hruchlern
nicht behagt, sein Bewenden hat“, und meint, daß
dey „R.igen“.
„ihnen ein zweiter Versuch weit übler bekommen
∆(Wien, 13. Februar.
könnte.“ Jedormann weiß, was das heißt. Die sexuellen
der „Reigen“ ein Kunstwerk von
Exkursionen des Soldaten und der Dirne, des Soldaten
anderen eine Schweinerei. Da¬
und des Stubenmädchens, des Stubenmädchens und
Neinungen und Ansichten der
des jungen Herrn usw. usw. stehen von nun an unter
differenten in zahllosen Varia¬
dem Schutze der marxistischen Parteiprogrammes der
nau effektuiert den Meinungs¬
Internationale 2½. Ein neues Politikum ist gefunden,
n von 2500 Kronen und Sitz¬
und organisierte Arbeiter werden dafür sorgen, daß die
400 Kronen. Schließlich auch ein
Serie der verdunkelten Paarungsakte allabendlich aus
e Preise können nur die Leute be¬
der Rotenturmstraße zu besonderen Preisen ungestört
en“ nicht das Kunstwerk, sondern
abgewickelt werden können.
icken. Die Aufführungen waren
sausverkauft, womit endlich auch
Die besonderen Preise des Herrn Bernau ge¬
g des neuen Theaterpublikums
statten es auch den Arbeitern nicht, sich das Streit¬
ie Sektionschef Dr. Vetter in
objekt anzusehen. Die „Reigen“=Aufführungen sind ein
ädoyer die näheren Aufklärungen
Privilegium für Schieber und Schleichhändler, ebenso
wie die Opernredouten unserer Staatstheaterverwal¬
*
tung. Mutet die „Arbeiter=Zeitung“ nicht vielleicht den
ungmannschaft ist der Meinung,
Arbeitern zu viel zu, wenn sie allen Ernstes meint, daß
arstellung der intimsten Vorgänge
sie mit Brachialgewalt dafür sorgen sollen, daß die
mit Respektpausen nicht auf die
Schieber und Schleichhändler in ihrem Vergnügen
weil es in Oesterreich momentan
nicht gestört werden?
gibt, um solche Ansichten zur Gel¬
idalierten ein paar Dutzend Leute
Von da an wird die Sache einigermaßen ver¬
und mußten von der Polizei ent¬
worren. Ein Abendblatt meldete, daß die Regierung
ag recht sein oder nicht. Jedenfalls
die Absicht habe, die weiteren Aufführungen des
blischen Jungmannschaft zubilligen
„Reigen“ zu verbieten. Die Morgenblätter versicherten
Handlungsweise einer auf reli¬
nein. Dann hieß es wieder, der Bundesminister des
ußenden ethischen Empfinden ent¬
Innern hat auf die Polizeidirektion eingewirkt und,
ch ist das nicht.
als diese leugnete, er habe an den Bürgermeister das
Ansinnen“ gestellt, dieser sei jedech als sturmerprobter
Sozialdemokrat festgeblieben. Dcctails aus diesem „An¬
ner Blättern hat sich derüber nur
sinnen“ — ein wutentbrannter Artikel der „Arbeiter¬
erklärt das
Ste
aufgeregt.
Zeitung“: Komapetenzstreitigkeiten — Beteuerung der
rikale Mache“, hofft „im Interesse
überalen Presse: er wird aufgeführt — der christlich¬
Leute, daß es beim ersten Versuch
alen Terrors in einer Theaterno# sozialen Presse# #r wird nicht aufgeführt
endlich ein Mittagsblatt mit saustgroßen Lettern den
beängstigenden Zweifel löst: „Der „Reigen“ verboten!
Ein Verfassungskonflikt!“ So war denn
glücklich die allabendliche sexuelle Potenz des Soldaten,
des jungen Herrn, des Ehegatten, des Dichters und
trotz der Abschaffung des Adels, des Grafen, unter den
Schutz der Verfassung gestellt. In der allgemeinen Auf¬
regung behielt nur Direktor Bernau seine wohl¬
fundierte Ruhe und er ließ durch die Zeitungen mit¬
teilen, daß er von nun an „wegen des großen An¬
dranges“ den „Reigen“ nicht nur in den Abendvor¬
stellungen, sondern auch in den Nachtvorstellungen auf¬
führen wird. Also zweimul täglich, bei Logenpreisen
von 2500 und zu Sitzpreisen von 200 bis 400 Kronen.
Seit dem Einzuge unserer glorreichen Demokratte
weiß man nicht mehr, wie solche Affären in Oesterreich
ausgehen werden. Vorläufig hat der Wiener Bürger¬
meister das Verbot des Bundesministeriums nicht zur
Kenntnis genommen und im Nationalrate kam es zu
einer Prügelei. Möglicherweise enden sie damit, daß
Direktor Bernau täglich auch noch eine Nachmittags¬
vorstellung des „Reigen“ einschieben wird. Natürlich
zu besonderen Preisen. Eine Frage sei jedoch noch ge¬
stattet. Was sagt Artur Schnitzler dazu? Er ist
ein wirklicher Dichter, ein Arzt, ein Kulturmensch. Er
des
dürfte doch wenigstens von dem Kunstwerte
sich
„Reigen“ überzeugt sein. Kann er es über
für
bringen, sein Werk als reines Spekulationsobjekt
che
sensationslüsterne Theaterdirektoren und politi
es
Agitatoren behandelt zu sehen? Kann nicht
wenigstens sich zu dem Gedanken aufraffen, daß wir in
Oesterreich wirklich andere Sorgen haben als de
sexuellen Anschauungsunterricht für ein paar hunden
Schieber? Findet auch er nicht die große Geste, durch¬
Zurückziehung des Stückes dieser beschäuenden A#r
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ein Eide zu machen?