II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 347

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Vosdlsche Zeiens
Der Kampf um den „Reigen“.
Arthur Schnitzledüber sein Werk.
Aus Wien drahtet unser Portseter: Einem Mitarbeiter des
„Wiener Extrablatt“ erklärte Arthier Schnitzler: „Es gibt Leute,
die bei aller Ehrlichkeit den „Reigen für unerlaubt halten, die aus
innerer Ueberzeugung heraus mein Perk ablehnen. Ich achte diese
Ueberzeugung, wie ich jede Ueberzekgung respektiere. Aber ich
glaube nicht, daß die Leute zu den aufrichtigen Menschen gehönen,
die aus einer ästhetisch=dramaturgischen Frage ein Politikum
machen. Nachdem ich mich einmal zur Aufführung entschlossen
habe, wird nichts gestrichen, keine Szene wird weggelassen und
von einer Zurückziehung ist keine Rede. Gegen Regieänderungen
habe ich nichts einzuwenden. Sie möchten noch einiges von der
weiteren Entwicklung der Angelegenheit erfahren? Lesen Sie
meinen „Professor Bernhardi“. „Meinen Sie,“ fragte der Fei¬
tungsvertreter, „weil auch dort aus einer nichtpolitischen Ange¬
legenheit ein Politikum gemacht wird?“ Schnitzler: „Und der
Professor arbeitet weiter!“
Das Verbot des „Reigen“ führte, wie unser Wiener Vertreter
tel meldet, auch in der Gemeinderatssitzung zu bei¬
spiellosen Tumultszenen. Die Sozialdemokraten hatten einen
Antrag eingebracht, worin vom Oberbürgermeister als Ländes¬
hauptmann verlangt wird, daß er die Autonomie des Landes Wien
gegen jeden Eingriff der Bundesregierung wahre. Die Christlich¬
sozialen setzten gleich nach Verlesung dieses Antrages mit tosendem
Lärm ein. Es ertönten Zwischenrufe, wie „Sauspiel“, „Schweine¬
rei“ usw. Eine Viertelstunde lang wurde ununterbrochen „Pfui“
gerufen. Bürgermeister Reumann wendete sich auf das schärfste
gegen den Minister des Innern und erklärte, daß er sich von nie¬
mandem zwingen lassen werde, das Stück zu verbieten. Im wei¬
teren Verlauf der Debatte kam es wiederholt zu überaus heftigen
Zusammenstößen zwischen Sozialdemokraten und Christlichsozialen
Schließlich wurde der Antrag der Sozialdemokraten mit deren
Stimmen angenommen. — Die schwarzgelbe „Reichspost“, die
ihren gestrigen Leitartikel betitelt „Der Reigen um die
Latrine“, teilt mit: Die Bundesregierung werde gegen den
sozialdemokratischen Landeshauptmann und Bürgermeister von
Wien wegen Verfassungbruches beim Verfassungsgerichts¬
hof Anklage erheben. Sie will prinzipiell entscheiden lassen,
daß § 42 der Bundesverfassung die Angelegenheiten der Theater¬
polizei und Theaterzensur als Bundessache bezeichnet, der Artikel
104 den Landeshauptmann an die Weisungen der Bundesregie¬
rung bindet. Die Artikel 10—13 und 15 geben aber wieder dem
Landeshauptmann Reumann recht, und dieser Ansicht scheint
auch der Polizeipräsident von Wien zu sein.
Am Sonnabend abend hatte der Katholische Volks¬
bund 300 Mitglieder entsandt, die vor den Kammerspielen mit
den Rufen „Pfui der Reigen“ und „Nieder mit den Sozialdemo¬
kraten“ demonstrierten und einige Theaterbesucher, die vorfuhren,
so erschreckten, daß sie sogleich wieder umkehren ließen. Herbei¬
ziehende Wachen vertrieben die katholischen Volksbündler, von
denen vier verhaftet wurden, ein Beamter der Stadt Wien, ein
Postunterbeamter, ein Fabrikarbeiter und ein Schneidergehilse.
Die Vorstellung selbst, der Arthur Schnitzler persönlich bei¬
wohnte, verlief ohne Störung bei starkem demonstrativem Beifall.
Dem Direktor Bernau wurden durch ein Mitglied der
christlich=sozialistischen Parteileitung große Demonstrationen auch
innerhalb des Theaters angedroht. Direktor Bernau erwartet,
daß Ruhestörungen innerhalb des Theaters von den Theater¬
besuchern, „die die literarische Bedeutung des Reigen zu würdigen
wissen und politischen Kämpfen abhold sind“ ohne Hilfe der
Polizei zurückgewiesen werden dürften. Direktor Bernau verweist
darauf, daß die in den Kabaretts und Varietés gewährten obszönen
Darbietungen ohne Einspruch der Parteien oder der Behörden
stattfinden.
Als Arthur Schnitzler seine 10 Dialoge schrieb, ahnte er wohl
nicht, zu welchen staatsrechtlichen Verwicklungen sein Werk führen
würde.