II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 351

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11. Reigen
saut Ane Iu#.. W... Kunzoolten Verlauf; ihr Reinerträgnis
betrug beiläufig 300.000 K.
Der „Reigen“ — ein Totentanz. Im „Grazer
Tagblatt“ schreibt B. G. (Bruno Ertler?) unter dem Titel
„Wiener Reigen“ u. a.: „Die Staatsmtschi#e ohnehin eine
recht wehe Konstruktion, muß stillstehen, teil es einen „Reigen“.
zu tanzen gibt. Seit 1897 ist die frivolz Dialsgreihe
Schnitzlers vorhanden. Nie ist es jemand eingefallen, diese
erotischen Skizzen auf die Bühne zu bringen. Erst 1921 ist
der Geschmack tief genug gesunken, mit einer Sache
Theater zu machen, die nie fürs Theater bestimmt war und
auch nicht hingehört. Das ist die literarische Seite der
Geschichte. Daß sie auch eine politische haben würde, hat sich
wohl weder Schnitzler noch Direktor Bernau erwartet und
erhofft. Den Andrang zu den „Reigen“=Aufführungen (falls
sie überhaupt noch stattfinden) möcht ich sehen! Das Volk
der Wiener hat wieder seine Hetz. Und wenn man ihm
den Reigen auf der einen Seite verbietet, so tanzt es ihn
auf der anderen weiter. Und wenn's auch ein Totentanz
ist — geranzt ist es doch!“
Ein ahter „Reigen“=Dialog.
Mein Freund Schreier, der Herausgeber dieses Blaktes, hak
in der letzten Nummer des „Morgen“ seiner Ansicht Ausdruck
verliehen, daß die öffentliche Aufführung von Schniklers „Reigen“
eigentlich doch unzulässig sei. Er war so liebenswurdig, dabel an¬
zudeuten, daß es ihm im Grunde leid tue, mit dieser Auffassung im
Gegensatz zu mir zu stehen. Ich danke ihm für dieses Zartgefühl,
finde es aber für übertrieben. Auch die älteste und beste Freund¬
chaft verpflichtet keineswegs zu übereinstimmenden Beurteilungen
eines Theaterstückes und seiner Wirkungen. Als nun mein Freund
Schreier ins Unglück geriel, indem die gesamle offiztelle und offi¬
ziöse Muckergesellschaft sich nicht nur seiner Ansicht über die Un¬
zulässigkeil der „Reigen“=Aufführung anschloß, sondern sich auch
noch auf ihn berief, empfand ich es als meine Freundespflicht, ihn
aufzusuchen, um ihn zu trösten. Zu meiner überraschung fand ich
ihn in bester Laune und es entwickelte sich folgender; elfter
„Reigen“=Dialog:
Ich: Es freut mich, daß du die Geshichte so von der
heiteren Seite nimmst.
Erz Welche Geschichte? Was meinst du denn?
Ich: Nun ja, du bist doch durch deine Stellungnahme in
der „Reigen“-Frage in eine traurige Gesellschaf, und in die
Gefahr geraten, daß man sich „höheren Orts“ bel einer
Dummhelt, die man gemacht hat, auch noch auf dich beruftl
Er: Lieber Freund, wer unter allen Umständen ent¬
schlossen ist, stets seine aufrichtige Melnung zu sagen und
zu vertreken, kann sich dabei nicht immer die Gesellschaft aus¬
suchen. Und, was die „Dummheit“ anlangk, so weißt du ja,
daß ich der Ansicht bin, es sei bloß etwas Vernünfliges
dumn. gemacht worden.
Ich: Du bist eiso noch immer der Überzeugung, daß die
„Reigen“-Aufführungen verboken werden sollen?
Er: Ich bin dafür, daß sie nicht stattfinden. Für ver¬
bieten bin ich nie. Bernau hälte sie nicht wollen, Schnitler
hätte nicht einwilligen sollen. Jedenfalls läßt sich so etwas
auch ohne Polizeigewalt erledigen. Eine Frage der „Geistes¬
freiheit", „hie: Vormärz', „hie Demokratie“ hätte man
aus dem Reigen“ natürlich nicht machen dürfen. Aber man
sollte sich doch auch so fragen: Wenn der „Reigen' nicht auf
die Bühne gehörl, muß er dennoch auf der Bühne bleiben,
well die Mucker und Rückschriktler die vernünftige und
moralische Forderung, daß er nicht aufgeführt werde, zu
polikischen und Partelzwecken mißbrauchen? Wird seine Auf.
führung einwandfteler, well die Mittel, sie abzusetzen, dema¬
gogische sind? Wer ist denn aber, im Grunde genommen
schuld daran, daß der „Reigen“ jetzt ein Politikum ge
wordenist?: Decheu #ie####schtdafsegefergt-haben-hal¬
er ein Privatissimum bleibe!
Ich: Schnitzler hat ihn ja wirklich nur als Privakissimum
gedacht und geschrieben. Nun liegt er aber selt vielen Jahren
im Buch vor, wirkt dort viel erotischer als auf der Bühne,
und es ist weit leichker, Jugendliche vom Theaterbesuch als
von der Lektüre auszuschließen.
Er: Du vergißt, wie viel ganz erwachsene Jugendliche es
gib!! Wenn du schreibst, du könntest dir. „bei vornehmer Emp¬
findenden keine Lüsternheitserregung vorstellen“, sondern nur
„bei Leuken, bei denen alle Wege ins Tierische führen“, dann
ist der „Reigen' eben für die große Mehrzahl unstitlich. Die
Krea#e