II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 357

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11.
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Reigen
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der Laabebnische jeden Sonntag fast leer war, war bis
zum allerletzten Platz besetzt. Jedenfalls aber nicht aus
Fömmigkeit, sondern um auf billige Weise einer Kino¬
vorstellung deizuwobnen.
Auch in Wien eine Demonstralidn gegen das
Schundstück „Reigen“ Bei „der Aufführung von
Schnitzlers Reigen“ in den Winer „Kammerspielen“
erlönten lebhafte Pfui=Ruse und man verlangte den
Schluß der Vorstellung. Die Lebtwell war jedoch im
Thealer in der Majorität und wollte sich an dem un¬
moralischen Slück bis zu Ende begeilen.
Die
Polizei kam ihnen zu Hilfe und arrelierke 6 Demon¬
strauten. In München, wo es noch ein anständiges
Theaterpublikum gibt, wurde das unflälige Machwerk
entschieden abgelehnt. In dem polizeilichen Verbolser¬
kenninis hieß es, daß das Schnitzler'sche Stück dem ge¬
sunden Volksempfiaden Hohn spricht und daher mit
Recht in weiten Kreisen der Beobikerung Anfloß ersegl.“
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und Nachsicht der Bourgeoisie nur so lange Geltung haben,
ils die Interessen ihrer Klasse nicht berührt werden. Daß
n einem Machtkampf nicht mit Papierkugeln und könen¬
en Phrasen gekämpft wird, ist, klar. Daß aber dabei jede
er beiden Klassen zur Demasliefung, gezwungen ist, ist
ediglich ein Vorteil der Arbeitendeny Denn die ganze
Herrschaft der Bourgeoisie in unserem Zeita#ten basiert auf
einem Schwindell an den die Massen noch glauben. Fällt
der Mantel und die Larve, so folgt ihnen die ganze Herr¬
schaft der off und verlapshen Bourgeoi#
Die „Reigen"=Hetze der Christlichsozialen. Sonntag
abends vor Beginn der Vorstellung des „Reigens“ machten
vor den Kammerspielen in der Ro#nturmstraße etm####0
Personen, die aus einer Versammlung des Katholischen
Volksbundes gekommen waren, wo sie Herr Seibel mit
einer Hetze gegen „das schweinische Stück des Juden
Schnitzler“ geistig erbaut hatte, Krawall, um gegen die
Aufführung zu demonstrieren. Wache schritt ein, drängte die
Krawallierenden zum Kai ab und nahm vier Verhaftungen
vor. Die Aufführung nahm einen ungestörten Verlauf.
Gegen die „Reigen“=Zauerei des Juden
Schnitzler. Wien, 14. Fesef (Eigenb.) Vor Be¬
ginn der gestrigen Aufführung von Schnitzlers „Reigen“
in den Kammerspielen kam es in der Roten Turmstraße
zu Demonstrationen gegen die Aufführung, wobei vier
Verhaftunge vorgenommen wurden.
Die Grazäg Aerzte gegen diezmutwilligen
Striks. Graz, 1# feber. Die GräzeygAerzte ha¬
ben den Beschluß gefäßt im Falle eines öffensichtlich
ohne wirkliche Gründe mütwillig begonnenen Streikes
falls er wichtige Allgemeininteressen schädigt, weder
Streikende noch deren Angehörige ärztlich zu behan¬
deln. Es kommen da Ausstände im Verkehrs= und
Nachrichtenwesen oder in der Kohlen=, Licht= und Le¬
bensmittelversorgung in Betracht.
Das Kommunistenkomplott in Paris. Un¬
ter den am Kommunistenkomplott beteiligten Personen
scheint auch MMax Nordau, ein hervorragender Führer der
Alliance iergelite zu sein, dessen Verhaftung angeordne
Waffenstillstand in Kleinasien. Kon¬
skantinopel, 14. Febr. Aus Angora wird gemeldet, daß
der Führer der türkischen Nationalisten, Mustapha Kemal
den Befehl zur Einstellung der Feindseligkei en während der
Dauer der Londoner Konferenz erteilt habe.
Die Schlaftrankheit in Amerika.
Washington, 14. Feber. (Eigend.) Hier macht der
Ausbruch einer Schlafepidemie große Fortschritte. Es
werden bereits 11 neue Jälle gemeldet
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Zelotiomno, Schiebertum und Kunst,*
Im Deutschen Volkstheater wird derzeit Schn
„Reigen“ gegeben, über welches Werk die zelottscheicht
soziale Presse schon bei seinem Erscheinen herfiel und
die
nun auch die Aufführung mit eiferndem Hervorkehrenzihrer
Lippenmoral begleitet. Ueber die Aufführung und die Auf¬
nahme, die sie sand, schreibt Genosse Otto König, der be¬
kannte Kritiker der „Arbeiter=Zeitung“, das folgende:
Als diese Szenenreihe vor einundzwanzig Jahren in
Buchform erschien, hat „man“ sich entrüftet. Es wurde als
frivol und frech bezeichnet, daß da in zehn allerintimsten
Szenen: Dirne Leokadia und Soldat, Soldat und Stuben¬
mädchen, Stubenmädchen und junger Herr, junger Herr und
junge Frau, junge Frau und ihr Gatte, der Gatte und das
üße Mädel, das süße Mäbel und der Dichter, der Dichter
und die Schauspielerin, die Schauspielerin und der Graf,
der Graf und wieder die Dirne Leokadia, an satirisch durch¬
leuchteten und nachdenklich ironisch gezeichneten Typen gezeigt
wurde, wie auch im Triebleben der Sexualität kein Unter¬
schied ist im Menschenwert der verschiedenen Gesellschafts¬
chichten. Mag auch der äußere Anstrich feiner oder gröber
gefälliger oder rauher sein oder ganz fehlen: sie sind allzumal
brutale Geschlechtstierchen und mangeln des Ruhms, den sie
ich in verlogenem Moralgeschwätz zulegen. Da diese Dialoge
nun unter der dezenten Regie Schulbaurs in den Kammer¬
spielen aufgeführt werden, entrüstet sich jene Presse, die ein¬
gestandenermaßen nicht scheut, zelotisch genannt zu werden,
von neuem bis zu einer Besinnungslosigkeit, die sich mit
dem Anspucken der im „Reigen“ beschäftigten Darstellerinnen
einverstanden erklärt. Man kann sich mitentrüsten! Denn
abgesehen davon, daß vielleicht jede Aufführung dem sittlichen
Ernst des Werkes wirklich Abbruch tun muß, es ist empörend,
daß das Werk erst jetzt aufgeführt werden darf, da Schieber
für 400 bis 1200 Kronen für die Sitzfläche mit fettigem
Grinsen in allen Akten nur eben „den Akt“ genießen und
des Dichters feine psychische Einfühlung, seine graziöse
Charakteristik und tragische Ironie kaum empfinden oder
als lästiges Beiwerk übergähnen. Vor diesem Publikum
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Steyrer Tag
„Steyren Dugslati“
kann eine Serie von „Reigen“=Aufführungen ebenso Kunst¬
mißbrauch werden, wie es die „Wetterstein“=Aufführungen
schließlich wurden. — Besonders glücklich waren die weiblichen
Rollen besetzt. Traute Carlsen als junge „anständige
Frau“, die nawelüstern soeben auf den Ehebruchsgeschmack
gekommen ist, Hedwig Keller ats süßes Mädel, zugleich
pitzbübisch=wissend und rührend=blöd, Marietta Olly als
erotische Heroinc von routinierten Genußfreudigkeit, Elisabeth
Markus, durch zwanglose Natürlichkeit und schamferne
Dirnen=Sachlichkeit besonders im Spiel mit den gräflichen
Offizier von frappierender Wirkung, verdienet für die wohl¬
gefeilte Veristik ihrer Leistungen volle Anerkennung. Unter
den männlichen Darstellern gefiel der als junger, liebens¬
würdiger Schwerenöter allzeit erfreuliche Hans Wengra
am besten. Auch Dumme Jungen=Komik gelang ihm. Die
sympathische Rolle des Dichters Biebitz versah Hans Ziegler
mit manchem echten Ton und wirksamen Druckern, doch schien
die Interpretation nicht vollkommen genug durchseelt. Leopold
Iwald, als komisch moralbewehrter und spaßig langweiliger
Gatte ganz vortrefflich, hätte nur nicht auch dem süßen
Mädel mit denselben Tönen kommen sollen. Es wäre in
Wirklichkeit bestimmt nicht mit ihm gegangen. Hans Lackner
spielte den Grafen aus Steinamanger mit viel gutem
provinzoffizierlichem Ausdruck, doch mit herzlich wenig
österreichischem Kavallerieschmiß. Ein Schuß „Sima“ hätte
da hineingehört. Franz Kammaufs etwas kompakter
Deutschmeister, gab echtesten Naturlaut. Etwas weniger
Drastik am Edelknaben hätte vielleicht mehr gewirkt. Das
zum großen Teil weibliche Publikum, während des Spiels
unangenehm störend durch allerlei Aeußerungen deplaciertester
Verständnisinnigkeit, rief zuletzt gesättigt grunzend nach
dem Dichter. Der tat ihm aber selbstverständlich keine
Geschmacklosigkeit zu Gefallen.