II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 367

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man alle liberalen Journalisten zur Verant¬
dortung ziehen möge. In dem Streit der Meinungen bildet
die bereits erwähnte Angelegenheit der Zensur den einzigen
onkreten Punkt. Die Regierung und auch jene Kreise, die die
Zeit für die Abschaffung der Zensur bis vor kurzem noch nicht
für gekommen erachtet hatten, sind nunmehr der Ansicht, daß
die Zensur abgeschafft werden müsse. Die Regierung verfolgt
auch hiebei die Absicht, der Ballaschen Oppositionsparkei den
Wind aus den Segeln zu nehmen und dadurch die Regierungs¬
fähigkeit des jüngst geschaffenen Systems des Parteibündnisses
zu dokumentieren. Unter solchen Umständen ist die Ab¬
chaffung der Zensur für die nächste Zeit mit
Bestimmtheit zu erwarten, während anderseits die
Gegensätze zwischen dem liberalen und christlichen Lager voraus¬
sichtlich noch geraume Zeit fortdauern dürften.
Auflassung der Staatssekretariate in Angarn.
Budapest, 16. Februar. (Ung. Tel.=Korr.=Bur.) Der
heutige Ministerrat hat beschlossen, die bisher beibehaltenen
politischen Staatssekretariate der Ministerien aufzu¬
lassen. Eine Ausnahme bildet das Kultus= und Unterrichts¬
ministerium, wo der auf Gewohnheitsrecht begründete Anspruch
der protestantischen Bekenntnisse die Beibehaltung des
Staatssekretariats bedingt. Außerdem wünscht der Ministerrat
im Wirkungskreise des Ackerbauministeriums provisorisch
und bloß zur Durchführung der Bodenreform das politische
Staatssekretariat beizubehalten.
Palastrevolution in Tokio.
Der Kronprinz und die Palastdame.
Brüssel, 16. Februar. (Privattelegramm.)
In
Tokio hat es eine Art Palastrevolution gegeben, und
zwar wegen des Beschlusses des Kronprinzen, eine Hof¬
dame zu heiraten, die nicht zu den fünf Familien gehört,
die bisher das Vorrecht hatten, Japan eine Kaiserin zu
geben. Die Verlobung war bekannt, aber noch nicht offiziell.
Sie ist nun veröffenrlicht worden, nachdem am 10. d., an dem
Nationaltrauertage Japans, große Demonstrationen
zugunsten der Verlobung öffentlich stattgefunden halten. In
der Hauptstadt wurden Flugschriften verteilt, die in vorsichtiger,
aber deutlicher Sprache dazu aufforderten, für die Erleuchtung
des Kaisers zu beten, daß er den politischen und Hofintrigen
gegen die Verlobung Widerstand leiste. Die Auf¬
regung wurde so groß, daß der Hau minister und der Präsident
des Kabinetts ihre Entlassung nahmen.
Selbständigkeitsbestrebungen in Austrolien.
London, 16. Februar. (Privattelegramm.) Nach
Meldungen aus Anstralien liegt dem Parteitag der austra¬
lischen Labour Porty ein Antrag auf Lostrennung vom
britischen Reiche durch Proklamierung einer austra¬
lischen Republik vor. Der Antragsteller fordert, daß aus
dem Antrage die Grundlage des Programms der Partei gemach
werde.
Das selbständige Tirol.
Die neue Landesorönung.
Innsbruck, 16. Februar. In der heutigen Sitzung des
Landtages teilte der Berichterstatter Dr. Haidegger mit
daß sich der Verfassungsausschuß unter Zustimmung allen
Parteien auf folgende Bestimmung der Landesordnung
geeinigt habe:
„Tirol ist ein selbständiges Land, das jetzt einen
Teil der demokratischen Republik Oesterreich bildet. Es übt als
selbständiges Land alle Hoheitsrechte aus, die nicht aus¬
drücklich der Gewalt des Bundesstaates übertragen sind oder
übertragen werden.“ Diese Bestimmung wurde ohne Debatte
angenommen.
Zum § 3 betreffend die Landesbürgerschaft spricht
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M.
Tagesbericht
broße Skandale
bei der „Reigen“-Aufführung.
Die Vorstellung abgebrochen. — Verwüstungen
im Theater. — Tumuliszenen auf der Straße.
Die schon seit einigen Tagen gehegten Be¬
fürchtungen, daß es wegen der Aufführunge des
„Reigen“ in den Kammerspielen zu Demonstrationen
kommen werde, haben sich gestern bewahrheitet.
Während der gestrigen Abendvorstellung ereigneten
sich wüste Szenen, wie sich solche in einem
Wiener Theater noch nie abgespielt
haben. Im Zuschauerraum waren bereits Demon¬
tranten anwesend, während andre Gruppen von der
Straße aus in das Theater eindrangen. Es kam hiebei
zu Kämpfen zwischen den Demonstranten, der
Wache, dem Theaterpersonal und dem Publikum, zu
argen Verwüstungen im Theatergebäude selbst, zu
Zertrümmerungen von Fenstern, Sesseln, Musik¬
nstrumenten, wie auch zu tätlichen Mi߬
handlungen von Theaterbesuchern. Die Vorstellung
mußte abgebrochen werden.
Wir haben anläßlich der parlamentarischen Debatte
über die Aufführung des „Reigen“ unsre Auffassung
über diese Angelegenheit zum Ausdruck gebracht und
auch die Bedenken geäußert, die sich gegen eine Dar¬
stellung dieses Werkes auf der Bühne erheben. Selbst¬
verständlich kann aber die gestrige Demonstration nach
hrer ganzen Anlage und nach den Ausschreitungen, die
sie mit sich gebracht hat, bei allen ordnungsliebenden
Elementen keit: Billigung finden; es ist nur dringend
zu wünschen, daß wir in dieser hochersten Zeit, die
uns wahrhaftig andre, schwerere Sorgen auflastet,
von einer Wiederholung ähnlicher häßlicher Szenen
verschont bleiben.
Die Vorgänge im Theater.
Ueber die Zwischenfälle während der gestrigen Aufführung
werden nachstehende Einzelheiten berichtet: Die gestrige Abend¬
vorstellung, die ebenso wie die übrigen der letzten Tage aus¬
verkauft war, begann in vollster Ruhe. Es hatten sich aber
bereits Gerüchte verbreitet, daß es zu Kundgebungen kommen
würde, und es hieß, daß Gegner der Aufführungen Sitze ge¬
kauft hätten. Dem großen Teil des Publikums war jedoch darüber
nichts bekannt; eine gewisse Unruhe entstand aber schon während
der ersten Dialoge, als ein scharfer, durchdringender Geruch
sich bemerkbar machte, der auf Stinkbomben zurückgeführt
wurde. Man versuchte diesem üblen Geruch durch Ausspritzen
von Desinfektionsmitteln zu begegnen. Die Aufführung war
bis zu dem Dialog „Junger Herr und junge Frau“ gediehen.
Plötzlich hörte man von der Rotenturmstraße her und aus
dem Vorraum des Theaters schrille Sirenenpfiffe und laute
Hurrarufe.
Sowohl im oberen Teil der Rotenturmstraße und auf
dem Fleischmarkt wie auf dem Franz Josefs=Kai hatten sich
nämlich kleine Gruppen angesammelt, darunter eine Anzahl
von Hochschülern, die sich plötzlich zusammenschlossen und auf
as Signal einer Sirenenpfeife mit lauten Hurrarufen in die
Rotenturmstraße vorwärtsstürmten zu dem schmalen Straßen¬
zugange, in dem sich der Eingang zu den Kammerspielen be¬
findet. Die von beiden Seiten sich zusammenschließenden
Gruppen mögen etwa 600 Personen gezählt haben. Vor dem
Theatergebäude versahen zehn Sicherheitswachleute den Dienst.
Sie versuchten durch Bildung einer Kette dem Ansturm stand¬
zuhalten, wurden aber überrannt; auf die Wachleute wurde
mit Stöcken losgeschlagen. Die Wache versuchte dann, die Türen,

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