Neues Wiener Journal
Seite 3
17. Februar 1921
Gesem.
den, Teereiern i
Mit 6i
Wie die gestrige „Reigen“=Vorstellung gesprengt wurde.
Ohnmachtsanfälle erlitten. Einige Zuschauer suchten
Diegestrige= Vorstellung des Resgen“ ia den Kammer¬
sich von den Logen auf die Bühne zu retten, während
spielen wüurdt durch einen großen Krawall, sowohl von Leuten,
bereits der eiserne Vorhang emporstieg. Eine Dame konnte sich
die sich in der Vorstellung befanden, als auch von einigen hundert
nur mit Mühe noch über den aufsteigenden Vorhang schwingen.
Demonstranten, die sich auf der Straße ansammelten, gestört und
Die Ruhestörer wollten auch in die Bühnengarderobe eindringen,
konnte nicht zu Ende geführt werden.
wurden aber von den Garderobieren und dem Personale sowie
Die Vorstellung begann wie gewöhnlich um 7 Uhr und
schien anfangs ganz ruhig zu verlaufen. Etwa um ¾8 Uhr
von der Feuerwehr,
wurden im Theater von Zuschauern, die sich Karten verschafft
die die Anstürmenden aus den Wasserschläuchen anspritzte, ver¬
hatten, Stinkbomben in den Zuschauerraum
trieben. Ein Garderobier erlitt bef dem Kampf mit den Ein¬
geworfen, die einen unerträglichen Geruch
dringenden Verletzungen. In den Garderoben stellten sich die
verbreiteten. Dies schien das Zeichen für die weiteren Störungen
Ruhestörer auf die Tische und beschimpften die forteilenden Zu¬
der Vorstellung zu sein. Die Direktion veranlaßte sofort eine
schauer. Einige von den Theaterbesuchern wurden gröblich in¬
gründliche Lüftung des Zuschauerraumes, das Publikum war
sultiert und erhielten
jedoch bereits sehr beunruhigt, viele Besucher verließen das
Ohrfeigen und Püffe.
Theater und drüngten sich in die Garderoben.
So wurde Graf Salm, der im Foyer stand und auf
Inzwischen hatten sich beim Eingang in das Theater vom
den Zuruf „Juden hinaus!“ reagierte, von den Exze¬
Fleischmarkt her eine Anzahl von Demonstranten den
denten geschlagen. In dem furchtbaren Gedränge bei
Zutritt ins Theater erzwungen und stürmten mit Pfui¬
den Glastüren ging eine große Glasscheibe in Trümmer. Der
rufen durch die Gänge und Garderoben hinauf in den
Exzeß dauerte länger als eine halbe Stunde. Im ganzen wurden
Zuschauerraum, wo sie sich auf das
acht Verhaftungen vorgenommen. Der Polizeisukkurs
Publikum stürzten und es zum Teil mit
aus der Postgasse kam viel zu spät. Im Hause waren nur
Gewalt hinausdrängten.
sechzehn Polizeiorgane anwesend, die natürlich viel zu schwach
Es entstand eine Panik,
waren, um die große Menge zurückzudrängen.
bei der zahlreiche Personen, darunter auch mehrere Frauen zu
Teil
Die Nachtvorstellung war ebenfalls ausverkauft. Ein
Falle kamen. Die Demonstranten warfen aus den
des Publikums hatte sich bereits in das mittlerweile gelüstete und
Logen, in die sie gedrungen waren, Sessel in den
geceinigte Haus begeben und stand erwartungsvoll im Foyer.
Zuschauerraum. Ein Stuhl flog gegen den inzwischen
Da kam ein Polizeioffizier und überbrachte die Mitteilung, deß
herabgelassenen eisernen Vorhang und
die Nachtvorstellung polizeilich ab gesaige
zerbrach. Viele Besucher der Vorstellung suchten raschestens
sei. Darauf entfernte sich das Publikum.
das Theater zu verlassen und kamen erst später zurück,
Die unerhörten Skaudalszenen in
um sich ihre Garderobe abzuholen. Die im Haue
befindliche Polizeiwache war zu schwach, um die Ruhestöner
polizeilicher Parstellung.
hinauszubeiördern. Es kam in der Garderobe zu Zusammen¬
Die „Helden“ des Abends: Schustergehilfen und
stößen zwischen Demonstranten, den Bediensteten des Theaters
Lehrlinge.
und den Polizeiorganen. Dabei wurden ein Garderobier und eine
Garderobierin verletzt. Schließlich gelang es der Feuer¬
Gestern abend ist durch eine gewalttätige Demon¬
wehr, die die Schlauchspritzen bei den Hydranten in
stration die Aufführung der Bilderserie Schnitzlers „Der Reigen“
Aktion setzte und auf die Ruhestörer richtete, den Krawall zu
an der Residenzbühne vorzeitig abgebrochen worden. Wie an den
beenden. Der inzwischen herbeigeholten Verstärkung der Polizeiwache
früheren Abenden seit dem Kampf gegen die Aufführung des
gelang es, die vor dem Theater demonstrierenden Ruhestörer in
Stückes war auch gesiern in der Rotenturmstraße ein stacker
die Rotenturmstraße abzudrängen.
Korso von Leuten, die gegen die Aufführung demonstrieren
Die Sprengung der gestrigen „Reigen"=Vorstellung war
durch Teilnehmer an einer antisemitischen Frontkämpferversammlung.
Störung wurden die beiden ersten Bilder aufgeführt. Im dritten
die im allen Rathause stattfand, durchgeführt worden. Die
Bilde machte sich schon einige Unruhe geltend. Im vierten Bilde
Versammlungsteilnehmer zogen vom alten Rathaus zu den
wurde es im Hause noch unruhiger, und plötzlich wulde eine
Kammerspielen, um dort ihren vorgefaßten Beschluß, die Vor¬
Stinsbombe geworfen, die einen durchdringenden Geruch
stellung zu stören, auszuführen.
verbreitete. Sie war mit Schwefelwasserstoffgas
gefüllt. Ein Herr aus dem Publikum bezeichnete dem
diensthabenden Polizeikommissär Dr. Müller den Werfer,
Der Ueberfall auf das Publikum.
einen Oberoffizial, und Dr. Müller ließ ihn
Viele Ohnmachtsanfälle während der Panik.
ins Inspektionszimmer kommen, um ihn peotokollarisch einzuver¬
Von anderer Seite wird uns folgendes mitgeteilt: Die
nehmen. Indessen wurden, um den üblen Geruch aus dem
Zahl der Ruhestörer in der gestrigen Vorstellung des „Reigen“ wird
Theatersaal entweichen zu lassen, die Türen geöffnet. Zu dieser
auf mindestens tausend geschätzt. Es waren größtenteils junge Leute.
Zeit hatten sich die Demonstrau en auf der Straße schon vor dem
von
von denen sich ein Teil im Heiligenkreuzerhof versammelte,
Theatereingang gesammelt, und plötzlich stürmten sie auf
wo sie zum Theater zogen, beim Eingang am Fleischmarkt die
den befeuernden Ruf einer Frau in das Theater,
zwei Mann Potizeiwache beiseite drängten, das Gittertor eindrückten
überrannten den Kommissär Dr. Müllerund
und ins Theater stürmten. Im Zuschauerraum wurden außer
die fünf Sicherheitswachen und dr ngen in die
Stinkbomben auch Teereier ins Publikum
Theatersaal. Sie stürmten in Parkett und Logen, warfen
geschleudert, so daß vielen Besuchern die Kleider gänzlich
unter Pfuirufen und unter Lärm die Sessel aus den
beschmutzt wurden. Es entstand eine wüste Keilerei, da sich viele
Logen ins Parterre, schleuderten mit Teer
Herren gegen die Ruhestörer zur Wehr setzten, um sich
gefüllte Eier gegen die Besucher und
den Ausgang zu erkämpsen. Ihnen wurden
[gegen den eisernen Vorhang, der unterdessen
die Kleider herabgerissen,
herabgelessen worden war und zwangen durch ihr gewalttätiges
ebenso auch ihren begleitenden Damen, von denen viele Vorgehen die Besucher des Hauses zur Flucht. Ein Teil floh au
W
nelche.
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17. Februar 1921
Gesem.
den, Teereiern i
Mit 6i
Wie die gestrige „Reigen“=Vorstellung gesprengt wurde.
Ohnmachtsanfälle erlitten. Einige Zuschauer suchten
Diegestrige= Vorstellung des Resgen“ ia den Kammer¬
sich von den Logen auf die Bühne zu retten, während
spielen wüurdt durch einen großen Krawall, sowohl von Leuten,
bereits der eiserne Vorhang emporstieg. Eine Dame konnte sich
die sich in der Vorstellung befanden, als auch von einigen hundert
nur mit Mühe noch über den aufsteigenden Vorhang schwingen.
Demonstranten, die sich auf der Straße ansammelten, gestört und
Die Ruhestörer wollten auch in die Bühnengarderobe eindringen,
konnte nicht zu Ende geführt werden.
wurden aber von den Garderobieren und dem Personale sowie
Die Vorstellung begann wie gewöhnlich um 7 Uhr und
schien anfangs ganz ruhig zu verlaufen. Etwa um ¾8 Uhr
von der Feuerwehr,
wurden im Theater von Zuschauern, die sich Karten verschafft
die die Anstürmenden aus den Wasserschläuchen anspritzte, ver¬
hatten, Stinkbomben in den Zuschauerraum
trieben. Ein Garderobier erlitt bef dem Kampf mit den Ein¬
geworfen, die einen unerträglichen Geruch
dringenden Verletzungen. In den Garderoben stellten sich die
verbreiteten. Dies schien das Zeichen für die weiteren Störungen
Ruhestörer auf die Tische und beschimpften die forteilenden Zu¬
der Vorstellung zu sein. Die Direktion veranlaßte sofort eine
schauer. Einige von den Theaterbesuchern wurden gröblich in¬
gründliche Lüftung des Zuschauerraumes, das Publikum war
sultiert und erhielten
jedoch bereits sehr beunruhigt, viele Besucher verließen das
Ohrfeigen und Püffe.
Theater und drüngten sich in die Garderoben.
So wurde Graf Salm, der im Foyer stand und auf
Inzwischen hatten sich beim Eingang in das Theater vom
den Zuruf „Juden hinaus!“ reagierte, von den Exze¬
Fleischmarkt her eine Anzahl von Demonstranten den
denten geschlagen. In dem furchtbaren Gedränge bei
Zutritt ins Theater erzwungen und stürmten mit Pfui¬
den Glastüren ging eine große Glasscheibe in Trümmer. Der
rufen durch die Gänge und Garderoben hinauf in den
Exzeß dauerte länger als eine halbe Stunde. Im ganzen wurden
Zuschauerraum, wo sie sich auf das
acht Verhaftungen vorgenommen. Der Polizeisukkurs
Publikum stürzten und es zum Teil mit
aus der Postgasse kam viel zu spät. Im Hause waren nur
Gewalt hinausdrängten.
sechzehn Polizeiorgane anwesend, die natürlich viel zu schwach
Es entstand eine Panik,
waren, um die große Menge zurückzudrängen.
bei der zahlreiche Personen, darunter auch mehrere Frauen zu
Teil
Die Nachtvorstellung war ebenfalls ausverkauft. Ein
Falle kamen. Die Demonstranten warfen aus den
des Publikums hatte sich bereits in das mittlerweile gelüstete und
Logen, in die sie gedrungen waren, Sessel in den
geceinigte Haus begeben und stand erwartungsvoll im Foyer.
Zuschauerraum. Ein Stuhl flog gegen den inzwischen
Da kam ein Polizeioffizier und überbrachte die Mitteilung, deß
herabgelassenen eisernen Vorhang und
die Nachtvorstellung polizeilich ab gesaige
zerbrach. Viele Besucher der Vorstellung suchten raschestens
sei. Darauf entfernte sich das Publikum.
das Theater zu verlassen und kamen erst später zurück,
Die unerhörten Skaudalszenen in
um sich ihre Garderobe abzuholen. Die im Haue
befindliche Polizeiwache war zu schwach, um die Ruhestöner
polizeilicher Parstellung.
hinauszubeiördern. Es kam in der Garderobe zu Zusammen¬
Die „Helden“ des Abends: Schustergehilfen und
stößen zwischen Demonstranten, den Bediensteten des Theaters
Lehrlinge.
und den Polizeiorganen. Dabei wurden ein Garderobier und eine
Garderobierin verletzt. Schließlich gelang es der Feuer¬
Gestern abend ist durch eine gewalttätige Demon¬
wehr, die die Schlauchspritzen bei den Hydranten in
stration die Aufführung der Bilderserie Schnitzlers „Der Reigen“
Aktion setzte und auf die Ruhestörer richtete, den Krawall zu
an der Residenzbühne vorzeitig abgebrochen worden. Wie an den
beenden. Der inzwischen herbeigeholten Verstärkung der Polizeiwache
früheren Abenden seit dem Kampf gegen die Aufführung des
gelang es, die vor dem Theater demonstrierenden Ruhestörer in
Stückes war auch gesiern in der Rotenturmstraße ein stacker
die Rotenturmstraße abzudrängen.
Korso von Leuten, die gegen die Aufführung demonstrieren
Die Sprengung der gestrigen „Reigen"=Vorstellung war
durch Teilnehmer an einer antisemitischen Frontkämpferversammlung.
Störung wurden die beiden ersten Bilder aufgeführt. Im dritten
die im allen Rathause stattfand, durchgeführt worden. Die
Bilde machte sich schon einige Unruhe geltend. Im vierten Bilde
Versammlungsteilnehmer zogen vom alten Rathaus zu den
wurde es im Hause noch unruhiger, und plötzlich wulde eine
Kammerspielen, um dort ihren vorgefaßten Beschluß, die Vor¬
Stinsbombe geworfen, die einen durchdringenden Geruch
stellung zu stören, auszuführen.
verbreitete. Sie war mit Schwefelwasserstoffgas
gefüllt. Ein Herr aus dem Publikum bezeichnete dem
diensthabenden Polizeikommissär Dr. Müller den Werfer,
Der Ueberfall auf das Publikum.
einen Oberoffizial, und Dr. Müller ließ ihn
Viele Ohnmachtsanfälle während der Panik.
ins Inspektionszimmer kommen, um ihn peotokollarisch einzuver¬
Von anderer Seite wird uns folgendes mitgeteilt: Die
nehmen. Indessen wurden, um den üblen Geruch aus dem
Zahl der Ruhestörer in der gestrigen Vorstellung des „Reigen“ wird
Theatersaal entweichen zu lassen, die Türen geöffnet. Zu dieser
auf mindestens tausend geschätzt. Es waren größtenteils junge Leute.
Zeit hatten sich die Demonstrau en auf der Straße schon vor dem
von
von denen sich ein Teil im Heiligenkreuzerhof versammelte,
Theatereingang gesammelt, und plötzlich stürmten sie auf
wo sie zum Theater zogen, beim Eingang am Fleischmarkt die
den befeuernden Ruf einer Frau in das Theater,
zwei Mann Potizeiwache beiseite drängten, das Gittertor eindrückten
überrannten den Kommissär Dr. Müllerund
und ins Theater stürmten. Im Zuschauerraum wurden außer
die fünf Sicherheitswachen und dr ngen in die
Stinkbomben auch Teereier ins Publikum
Theatersaal. Sie stürmten in Parkett und Logen, warfen
geschleudert, so daß vielen Besuchern die Kleider gänzlich
unter Pfuirufen und unter Lärm die Sessel aus den
beschmutzt wurden. Es entstand eine wüste Keilerei, da sich viele
Logen ins Parterre, schleuderten mit Teer
Herren gegen die Ruhestörer zur Wehr setzten, um sich
gefüllte Eier gegen die Besucher und
den Ausgang zu erkämpsen. Ihnen wurden
[gegen den eisernen Vorhang, der unterdessen
die Kleider herabgerissen,
herabgelessen worden war und zwangen durch ihr gewalttätiges
ebenso auch ihren begleitenden Damen, von denen viele Vorgehen die Besucher des Hauses zur Flucht. Ein Teil floh au
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