wusten Sen Wre Ne ich
kn einen
Wiener Theater noch nie al
gespielt haben. Auch im Zuschauer¬
raum waren Demonstrauten auwesend, die darau
warteten, bis die anderen Gruppen der Demon¬
strauten, die verabredetermaßen von der Straße aus
in das Theater eindrangen, den Zuschauerraum
erreicht hatten. Es kam hiebei zu Kämpfen
zwischen den Demonstranten, der
Wache, dem Theaterpersonal
und dem Publikum, zu argen Ver¬
wüstungen im Theatergebäude selbst, zu Zer¬
trümmerungen von
Fenstern,
Sesseln und Musikinstru¬
menten, wie auch zu tätlichen Miß
handlungen von vielen Theater¬
besuchern, die geschlagen und an den
Haaren gezerrt wurden. Die Vorstellung
mußte abgebrochen werden. Die
Tumultszenen im Theatergebäude selbst führten
eine wilde Panik der Theaterbesucher herbei,
die sich zu flüchten oder in Verstecken zu sichern
sersuchten. Der Vorhang mußte heruntergelassen
erden, und die Panik vermehrte sich noch
adurch, daß sich plötzlich ein Wasser¬
rahl über den Zuschauerraum
rgoß.
Einer der Bediensteten hatte den nächst
der Bühne befindlichen Hydranten auf¬
gedreht und das Mundstück des Schlauches gegen
den Zuschauerraum gerichtet. Nachdem die
Sicherheitswache Verstärkung erhalten hatte,
konnte das Theatergebäude geräumt werden,
die Tumultszenen auf der Straße dauerten
noch eine Zeitlang fort und schließlich
gelang es der Wache, die Menge gegen den
oberen Teil der Rotenturmstraße abzudrängen
Sie zog in geschlossenem Zuge bis zum Stephans¬
platz und sang während des Marsches deutsch¬
nationale Lieder. Auf dem Stephansplatz forderte
die Sicherheitswache die Demonstranten zur Auf¬
lösung des Zuges auf. Einer ihrer Führer, der
auch schon früher die Kundgebungen mit dem
Signal einer Sirenenpfeife dirigiert hatte, hielt
hier eine kurze Ansprache, in der er ausführte,
daß der Zweck erreicht sei und daß die Teil
nehmer nun nach Hause gehen mögen, welcher
Aufforderung auch Folge geleistet wurde.
Der Beginn der Vorstellung.
Die gestrige Abendvorstellung, die wieder aus¬
verkauft war, begann in vollster Ruhe. Es hatten sich
aber bereits Gerüchte verbreitet, daß es zu Kund¬
gebungen kommen würde und es hieß, daß Gegner der
Aufführungen Sitze gekauft hätten. Dem großen Teil
des Publikums war aber darüber nichts bekannt. Eine
gewisse Unruhe entstand aber schon während der ersten
Dialoge, als ein scharfer, durch dringender
Geruch sich bemerkbar machte, der auf Stink¬
bomben zurückgeführt wurde. Man versuchte diesem
üblen Geruche durch Ausspritzen von Desinfektions¬
mitteln zu begegnen. Der Theaterleitung wurde im
Zuschauerraum ein Besucher als christlichsozialer
im
Nationalrat bezeichnet, der anscheinend die
Zuschauerraum verteilten Demonstranten dirigierte
Die Aufführung war bis zu dem Dialoge: „Junger
Herr und junge Frau“ gediehen. Plötzlich hörte man
von der Rotenturmstraße aus und aus dem Vorraume
des Theaters schrille Sirenenpfiffe und
laute Hurrarufe.
Der Sturm beginnt.
Im oberen Teile der Rotenturmstraße und auf
dem Fleischmarkt einerseits, anderseits auf dem Franz
Josef=Kai hatten sich mittlerweile kleine Gruppen
angesammelt, darunter eine Anzahl von Hochschülern
durchaus jugendliche Leute, die sich plötzlich zusammen¬
schlossen und auf das Signal einer Sirenpfeife mit
lauten Hurrarufen in die Rotenturmstraße vorwärts
stürmten zu dem schmalen Straßenzugange, in welchem
sich der Eingang zu dem Theater befindet. Die von
beiden Seiten zusammengeschlossenen Gruppen mögen
etwa 600 Personen umfaßt haben.
Vor dem Theatergebäude versahen sechs Sicher¬
heitswachleute den Dienst. Sie versuchten durch
doch auch hier konnten sie dem Stuim der ihnen an
Zahl weitans überlegenen Demonstianten nicht stand¬
halten. Klitrend gingen zwei der großen Spiegelscheiben
in Trümmer.
Stinkbomben!
Schon vorher waren drei Verdächtige bemerk
worden, die sich im Theater aufgehalten, die Vor¬
stellung aber verlassen hatten und auf die Straße
jegangen waren. Augenscheinlich um die Verbindung
mit den auf der Straße wartenden Gruppen herzu¬
stellen. Bei der Vorstellung waren mittlerweile schor
vährend der dritten Szene einzelne Mißbilligungsrufe
aut geworden. Während des vierten Dialoges, in dem
Frau Carlien und Heir Wengraf beschäftigt
sind, wurde im rückwärtigen Teil des Zuschauer¬
aumes eine Stinkbombe auf den Fu߬
oden geworfen, die mit Schwefelwasserstoff
gefüllt war und einen penetranten Geruch verbreitete.
Ein Mann, der sich an dieser Stelle zur kritischen Zeit
gebückt hatte, wurde als derjenige bezeichnet, welcher
die Stinkbombe geworfen hat. Es soll ein Ober¬
offizial namens Brichta sein. Er wurde durch
einen Kriminalbeamten in das Inspektionszimmer
gebracht.
Gleich darauf entstand der
Tumult. Der Zuschauer hatte sich schon eine
nervöse Unruhe bemächtigt. Die Türen des Theater¬
aales wurden gebffnet, um den üblen. Geruch hinaus¬
strömen zu lassen. In diesem Augenblicke wurden aber
auch schon die Rufe von der Straße aus hörbar und
im gleichen Moment begannen auch schon die im
Theater sitzenden Demonstranten, an ihrer Spitze der
als Nationalrat bezeichnete Theatergast, mit den
Skandal. Sie riefen: „Weg mit diesem Schieber¬
gefindel!“ „Heraus mit dieser Schweinerei!" „Dieses
Judenpack!“ und dergleichen mehr.
Die Demonstranten von der Straße
dringen ein.
Mittlerweile hatten die von der Straße aus
eingedrungenen Demonstranten einenneuen Sturm¬
auf gegen die im Theaterfoyer aufgestellten wenigen
Wachleute unternommen. Sie überrannten den schwachen
Wacheriegel und stürmten unter wüstem
Geschrei und drohend ihre Stöcke
die
chwingend mit Pfuirufen auf
Theaterleitung, auf den Autor Artur
Schnitzler, der sich im Zuschauerraum befand, in
in
das Parterre und in die Logen. Der Ueberfall war
allen Details organisiert, da von allen Seiten die
Demonstranten den Theatersaal zu gleicher Zeit ge¬
türmt hatten. Von den Logen aus warfen sie zu¬
ammengeballte Papiere, die mit Teer ge¬
tränktwaren und ausgehöhlte Eier.
die mit Teer gefüllt waren. Auch
Stühle wurden von den Logen in den Zu¬
chauerraum und auf die Bühne ge¬
chleudert.
Die Vorstellung wird abgebrochen.
die
Unter solchen Umständen mußte natürlich
Vorstellung sofort abgebrochen werden. Die
Schauspielerin Marietta Olly, die sich eben für
hren Auftritt vorbereitete, wurde von einem Wein¬
krampf befallen, der Vorhang mußte herabgelassen
werden, aber auch dann wurden Stühle und mit Teer
gefüllte Eier gegen die Bühne geschleudert.
Wilde Szenen im Zuschauerraum.
Des Publikums hatte sich eine namenlose
Panik bemächtigt. Von der Angst getrieben,
türmten die Leute aus den Sitzreihen, um sich in
Sicherheit zu bringen. Viele ließen ihre Garderobe
im Stiche. Nur mit Mühe gelang es den Theater¬
bediensteten, die in der Garderobe abgegebenen Klei¬
schützen
Verwüstungen
dungsstücke
zu
por
In namenloser Angst suchten die Theater
zuschauer allerlei Verstecke auf. Sie versuchten
auch, auf die Bühne selbst zu gelangen, deren Türe
aber aus Sicherheitsgründen geschlossen werden mußte
nachdem hier ein kleiner Teil der geflüchteten Zuschaue
Schutz gefunden hatte. Ein anderer Teil fand in den
Garderoben der Darsteller einen vorläufigen Unterstand.
Es spielten sich hier Szenen ab, die nicht wiedergegeben
verden können. Eine förmliche Jagd wurde
auf die Flüchtenden veranstaltet,
Männer, die ihre bedrohten Frauen beschützen wollten
wurden verbrügelt, viele von ihnen durch
Hiebe mit Stöcken und mit Schlag¬
ringen verletzt. Weibliche Theaterbesucher
mengte sich der schrille Priff der Strene, die
Kommando war, und das wüste Geiohle und Geschrei
er Demonstranten, die durch alle Teile des Theaters
umherliefen und mit ihren Stöcken unbarm¬
herziglosschlugen, auf wen sie trafen.
Die Panik wurde noch vergrößert dadurch, daß
plötzlich ein dichter Wasserstrahl sich
über den Zuschauerraum ergoß. Nach
einer Darstellung soll ein diensthabender Feuerwehr¬
mann den nächst der Bühne befindlichen Hydranten
geöffnet haben, nach einer anderen Darstellung aber
ist dies durch einen der Demonstranten geschehen,
vermutlich in der Absicht, die Panik noch zu vermehren.
Die Wache erhält Verstarkung. — Das
Theate wird geräumt.
Unterdessen hatte die Sicherheitswache von der
Wachstube in der Postgasse aus Verstärkung eihalten
und unterstützt von den im Theater den Dienst ver¬
ehenden Feuerwehrleuten, wie auch von deu
Bühnenarbeitern wurde an die Räumung des Saales
geschritten.
Als der Führer der Kundgebungen, der Mann,
der mit der Sirenenpfeife die Signale gegeben hatte,
die Wacheverstärkung der Wache sah, gab er den
Seinen das Kommando zum Rückzug. Auch während
der Räumung des Saales spielten sich noch immer
Kämpfe zwischen Demonstranten und Theater¬
besuchern ab und die Wache hatte alle Mithe, das
Publikum vor weiteren Mißhandlungen zu schützen.
Sieben Arretierungen.
Bei der Räumung des Saales wurden7 Ver¬
onen durch die Wache angehalten, die Personen mi߬
handelt hatten und im Besitze von schweren
Knütteln angetroffen worden sind. Die Ange¬
haltenen sind: ein Handelsakademiker, ein Techniker,
ein Mediziner, ein Kommis, ein Tapezierergehilfe,
ein Schuhmachergehilfe und ein Zahntechnikerlei eling.
Die Angehaltenen wurden dem Polizeikommissartat
Innere Stadt überstellt und dort nach Feststellung
hres Nationales wieder entlassen. Sie werden sich
wegen dieser Vorfälle zu verantworten haben.
Auf der Straße.
Nur mit Mühe war es der Sicherheitswache
gelungen, die Demonstranten aus dem Theater hinaus¬
zudrängen. Sie sammelten sich aber neuerdings in der
Rotenturmstraße vor dem Eingange zu dem Theater¬
gebäude an und ihr wüstes Lärmen, die Pfuirufe und
die Schmähungen erfüllten die Straße, Schrittweise
nur konnte die Wache vorgehen und die Teilnehmer
der Kundgebung langsam gegen den Fleischmarkt zu
und dann weiter in den oberen Teil der Rotenturm¬
straße abdrängen. Die Demonstranten versuchten auch
fetzt noch einigemale, den Kordon zu durchbrechen, was
hnen aber nicht mehr gelang. Mittlerweile rückten
unter lauten Trompetensignalen zwei Wagen mit
Feuerwehrmannschaften von der Zen¬
trale Am Hof an. Sie wären durch den den Dienst
versehenden Ingenieur des Stadtbauamtes verständigt
worden. Die Feuerwehrleute brachten den geöffneten
Hydranten und die aufgerollten Schlauchlinien wieder
in Ordnung und arbeiteten an dem Abfluß des Wassers,
mit dem ein Teil des Zuschauerraumes, mehr aber
noch die Bühne überschwemmt war.
Während dieser Zeit gelang es der Wache
schließlich, die Demonstranten bis zum Lugeck abzu¬
drängen und von dort aus schlossen sic sich zum Ab¬
marsch zusammen, der, wie schon früher erwähnt, auf
dem Stephansplatz sein Ende fand.
Die Verwüstungen in den Kammer¬
spielen.
Die Theaterbesucher, die früher während der
Panik fluchtartig das Theater verlassen und in um¬
iegenden Straßen, in Nachbarhäusern, in Kaffee¬
äusern und Restaurants Zuflucht gesucht hatten.
kehrten nun allmählich wieder zurück, um ihre in der
Theatergarderobe verwahrten Ueberkleider in Empfang
zu nehmen. Auch die Darsteller verließen ihre Garde¬
roben. Vielen durch Mißhandlungen Verle#### bat ein
m Theater anwesender Arzt Hilfe geleistet.
Der Theatersaal selbst bot ein Bild der
Verwüstung. Der Vorhang zeigte noch die
chwarzen Flecke von den mit Teer gefüllten Eier¬
schalen, die gegen ihn geschleudert worden sind. Auf
der Rampe lagen noch einige zerbrochene
Stühle, die man hier hingeworfen hatte. Die auf
den Fußboden festgenagelt gewesene Leiste einer Sitz¬
kn einen
Wiener Theater noch nie al
gespielt haben. Auch im Zuschauer¬
raum waren Demonstrauten auwesend, die darau
warteten, bis die anderen Gruppen der Demon¬
strauten, die verabredetermaßen von der Straße aus
in das Theater eindrangen, den Zuschauerraum
erreicht hatten. Es kam hiebei zu Kämpfen
zwischen den Demonstranten, der
Wache, dem Theaterpersonal
und dem Publikum, zu argen Ver¬
wüstungen im Theatergebäude selbst, zu Zer¬
trümmerungen von
Fenstern,
Sesseln und Musikinstru¬
menten, wie auch zu tätlichen Miß
handlungen von vielen Theater¬
besuchern, die geschlagen und an den
Haaren gezerrt wurden. Die Vorstellung
mußte abgebrochen werden. Die
Tumultszenen im Theatergebäude selbst führten
eine wilde Panik der Theaterbesucher herbei,
die sich zu flüchten oder in Verstecken zu sichern
sersuchten. Der Vorhang mußte heruntergelassen
erden, und die Panik vermehrte sich noch
adurch, daß sich plötzlich ein Wasser¬
rahl über den Zuschauerraum
rgoß.
Einer der Bediensteten hatte den nächst
der Bühne befindlichen Hydranten auf¬
gedreht und das Mundstück des Schlauches gegen
den Zuschauerraum gerichtet. Nachdem die
Sicherheitswache Verstärkung erhalten hatte,
konnte das Theatergebäude geräumt werden,
die Tumultszenen auf der Straße dauerten
noch eine Zeitlang fort und schließlich
gelang es der Wache, die Menge gegen den
oberen Teil der Rotenturmstraße abzudrängen
Sie zog in geschlossenem Zuge bis zum Stephans¬
platz und sang während des Marsches deutsch¬
nationale Lieder. Auf dem Stephansplatz forderte
die Sicherheitswache die Demonstranten zur Auf¬
lösung des Zuges auf. Einer ihrer Führer, der
auch schon früher die Kundgebungen mit dem
Signal einer Sirenenpfeife dirigiert hatte, hielt
hier eine kurze Ansprache, in der er ausführte,
daß der Zweck erreicht sei und daß die Teil
nehmer nun nach Hause gehen mögen, welcher
Aufforderung auch Folge geleistet wurde.
Der Beginn der Vorstellung.
Die gestrige Abendvorstellung, die wieder aus¬
verkauft war, begann in vollster Ruhe. Es hatten sich
aber bereits Gerüchte verbreitet, daß es zu Kund¬
gebungen kommen würde und es hieß, daß Gegner der
Aufführungen Sitze gekauft hätten. Dem großen Teil
des Publikums war aber darüber nichts bekannt. Eine
gewisse Unruhe entstand aber schon während der ersten
Dialoge, als ein scharfer, durch dringender
Geruch sich bemerkbar machte, der auf Stink¬
bomben zurückgeführt wurde. Man versuchte diesem
üblen Geruche durch Ausspritzen von Desinfektions¬
mitteln zu begegnen. Der Theaterleitung wurde im
Zuschauerraum ein Besucher als christlichsozialer
im
Nationalrat bezeichnet, der anscheinend die
Zuschauerraum verteilten Demonstranten dirigierte
Die Aufführung war bis zu dem Dialoge: „Junger
Herr und junge Frau“ gediehen. Plötzlich hörte man
von der Rotenturmstraße aus und aus dem Vorraume
des Theaters schrille Sirenenpfiffe und
laute Hurrarufe.
Der Sturm beginnt.
Im oberen Teile der Rotenturmstraße und auf
dem Fleischmarkt einerseits, anderseits auf dem Franz
Josef=Kai hatten sich mittlerweile kleine Gruppen
angesammelt, darunter eine Anzahl von Hochschülern
durchaus jugendliche Leute, die sich plötzlich zusammen¬
schlossen und auf das Signal einer Sirenpfeife mit
lauten Hurrarufen in die Rotenturmstraße vorwärts
stürmten zu dem schmalen Straßenzugange, in welchem
sich der Eingang zu dem Theater befindet. Die von
beiden Seiten zusammengeschlossenen Gruppen mögen
etwa 600 Personen umfaßt haben.
Vor dem Theatergebäude versahen sechs Sicher¬
heitswachleute den Dienst. Sie versuchten durch
doch auch hier konnten sie dem Stuim der ihnen an
Zahl weitans überlegenen Demonstianten nicht stand¬
halten. Klitrend gingen zwei der großen Spiegelscheiben
in Trümmer.
Stinkbomben!
Schon vorher waren drei Verdächtige bemerk
worden, die sich im Theater aufgehalten, die Vor¬
stellung aber verlassen hatten und auf die Straße
jegangen waren. Augenscheinlich um die Verbindung
mit den auf der Straße wartenden Gruppen herzu¬
stellen. Bei der Vorstellung waren mittlerweile schor
vährend der dritten Szene einzelne Mißbilligungsrufe
aut geworden. Während des vierten Dialoges, in dem
Frau Carlien und Heir Wengraf beschäftigt
sind, wurde im rückwärtigen Teil des Zuschauer¬
aumes eine Stinkbombe auf den Fu߬
oden geworfen, die mit Schwefelwasserstoff
gefüllt war und einen penetranten Geruch verbreitete.
Ein Mann, der sich an dieser Stelle zur kritischen Zeit
gebückt hatte, wurde als derjenige bezeichnet, welcher
die Stinkbombe geworfen hat. Es soll ein Ober¬
offizial namens Brichta sein. Er wurde durch
einen Kriminalbeamten in das Inspektionszimmer
gebracht.
Gleich darauf entstand der
Tumult. Der Zuschauer hatte sich schon eine
nervöse Unruhe bemächtigt. Die Türen des Theater¬
aales wurden gebffnet, um den üblen. Geruch hinaus¬
strömen zu lassen. In diesem Augenblicke wurden aber
auch schon die Rufe von der Straße aus hörbar und
im gleichen Moment begannen auch schon die im
Theater sitzenden Demonstranten, an ihrer Spitze der
als Nationalrat bezeichnete Theatergast, mit den
Skandal. Sie riefen: „Weg mit diesem Schieber¬
gefindel!“ „Heraus mit dieser Schweinerei!" „Dieses
Judenpack!“ und dergleichen mehr.
Die Demonstranten von der Straße
dringen ein.
Mittlerweile hatten die von der Straße aus
eingedrungenen Demonstranten einenneuen Sturm¬
auf gegen die im Theaterfoyer aufgestellten wenigen
Wachleute unternommen. Sie überrannten den schwachen
Wacheriegel und stürmten unter wüstem
Geschrei und drohend ihre Stöcke
die
chwingend mit Pfuirufen auf
Theaterleitung, auf den Autor Artur
Schnitzler, der sich im Zuschauerraum befand, in
in
das Parterre und in die Logen. Der Ueberfall war
allen Details organisiert, da von allen Seiten die
Demonstranten den Theatersaal zu gleicher Zeit ge¬
türmt hatten. Von den Logen aus warfen sie zu¬
ammengeballte Papiere, die mit Teer ge¬
tränktwaren und ausgehöhlte Eier.
die mit Teer gefüllt waren. Auch
Stühle wurden von den Logen in den Zu¬
chauerraum und auf die Bühne ge¬
chleudert.
Die Vorstellung wird abgebrochen.
die
Unter solchen Umständen mußte natürlich
Vorstellung sofort abgebrochen werden. Die
Schauspielerin Marietta Olly, die sich eben für
hren Auftritt vorbereitete, wurde von einem Wein¬
krampf befallen, der Vorhang mußte herabgelassen
werden, aber auch dann wurden Stühle und mit Teer
gefüllte Eier gegen die Bühne geschleudert.
Wilde Szenen im Zuschauerraum.
Des Publikums hatte sich eine namenlose
Panik bemächtigt. Von der Angst getrieben,
türmten die Leute aus den Sitzreihen, um sich in
Sicherheit zu bringen. Viele ließen ihre Garderobe
im Stiche. Nur mit Mühe gelang es den Theater¬
bediensteten, die in der Garderobe abgegebenen Klei¬
schützen
Verwüstungen
dungsstücke
zu
por
In namenloser Angst suchten die Theater
zuschauer allerlei Verstecke auf. Sie versuchten
auch, auf die Bühne selbst zu gelangen, deren Türe
aber aus Sicherheitsgründen geschlossen werden mußte
nachdem hier ein kleiner Teil der geflüchteten Zuschaue
Schutz gefunden hatte. Ein anderer Teil fand in den
Garderoben der Darsteller einen vorläufigen Unterstand.
Es spielten sich hier Szenen ab, die nicht wiedergegeben
verden können. Eine förmliche Jagd wurde
auf die Flüchtenden veranstaltet,
Männer, die ihre bedrohten Frauen beschützen wollten
wurden verbrügelt, viele von ihnen durch
Hiebe mit Stöcken und mit Schlag¬
ringen verletzt. Weibliche Theaterbesucher
mengte sich der schrille Priff der Strene, die
Kommando war, und das wüste Geiohle und Geschrei
er Demonstranten, die durch alle Teile des Theaters
umherliefen und mit ihren Stöcken unbarm¬
herziglosschlugen, auf wen sie trafen.
Die Panik wurde noch vergrößert dadurch, daß
plötzlich ein dichter Wasserstrahl sich
über den Zuschauerraum ergoß. Nach
einer Darstellung soll ein diensthabender Feuerwehr¬
mann den nächst der Bühne befindlichen Hydranten
geöffnet haben, nach einer anderen Darstellung aber
ist dies durch einen der Demonstranten geschehen,
vermutlich in der Absicht, die Panik noch zu vermehren.
Die Wache erhält Verstarkung. — Das
Theate wird geräumt.
Unterdessen hatte die Sicherheitswache von der
Wachstube in der Postgasse aus Verstärkung eihalten
und unterstützt von den im Theater den Dienst ver¬
ehenden Feuerwehrleuten, wie auch von deu
Bühnenarbeitern wurde an die Räumung des Saales
geschritten.
Als der Führer der Kundgebungen, der Mann,
der mit der Sirenenpfeife die Signale gegeben hatte,
die Wacheverstärkung der Wache sah, gab er den
Seinen das Kommando zum Rückzug. Auch während
der Räumung des Saales spielten sich noch immer
Kämpfe zwischen Demonstranten und Theater¬
besuchern ab und die Wache hatte alle Mithe, das
Publikum vor weiteren Mißhandlungen zu schützen.
Sieben Arretierungen.
Bei der Räumung des Saales wurden7 Ver¬
onen durch die Wache angehalten, die Personen mi߬
handelt hatten und im Besitze von schweren
Knütteln angetroffen worden sind. Die Ange¬
haltenen sind: ein Handelsakademiker, ein Techniker,
ein Mediziner, ein Kommis, ein Tapezierergehilfe,
ein Schuhmachergehilfe und ein Zahntechnikerlei eling.
Die Angehaltenen wurden dem Polizeikommissartat
Innere Stadt überstellt und dort nach Feststellung
hres Nationales wieder entlassen. Sie werden sich
wegen dieser Vorfälle zu verantworten haben.
Auf der Straße.
Nur mit Mühe war es der Sicherheitswache
gelungen, die Demonstranten aus dem Theater hinaus¬
zudrängen. Sie sammelten sich aber neuerdings in der
Rotenturmstraße vor dem Eingange zu dem Theater¬
gebäude an und ihr wüstes Lärmen, die Pfuirufe und
die Schmähungen erfüllten die Straße, Schrittweise
nur konnte die Wache vorgehen und die Teilnehmer
der Kundgebung langsam gegen den Fleischmarkt zu
und dann weiter in den oberen Teil der Rotenturm¬
straße abdrängen. Die Demonstranten versuchten auch
fetzt noch einigemale, den Kordon zu durchbrechen, was
hnen aber nicht mehr gelang. Mittlerweile rückten
unter lauten Trompetensignalen zwei Wagen mit
Feuerwehrmannschaften von der Zen¬
trale Am Hof an. Sie wären durch den den Dienst
versehenden Ingenieur des Stadtbauamtes verständigt
worden. Die Feuerwehrleute brachten den geöffneten
Hydranten und die aufgerollten Schlauchlinien wieder
in Ordnung und arbeiteten an dem Abfluß des Wassers,
mit dem ein Teil des Zuschauerraumes, mehr aber
noch die Bühne überschwemmt war.
Während dieser Zeit gelang es der Wache
schließlich, die Demonstranten bis zum Lugeck abzu¬
drängen und von dort aus schlossen sic sich zum Ab¬
marsch zusammen, der, wie schon früher erwähnt, auf
dem Stephansplatz sein Ende fand.
Die Verwüstungen in den Kammer¬
spielen.
Die Theaterbesucher, die früher während der
Panik fluchtartig das Theater verlassen und in um¬
iegenden Straßen, in Nachbarhäusern, in Kaffee¬
äusern und Restaurants Zuflucht gesucht hatten.
kehrten nun allmählich wieder zurück, um ihre in der
Theatergarderobe verwahrten Ueberkleider in Empfang
zu nehmen. Auch die Darsteller verließen ihre Garde¬
roben. Vielen durch Mißhandlungen Verle#### bat ein
m Theater anwesender Arzt Hilfe geleistet.
Der Theatersaal selbst bot ein Bild der
Verwüstung. Der Vorhang zeigte noch die
chwarzen Flecke von den mit Teer gefüllten Eier¬
schalen, die gegen ihn geschleudert worden sind. Auf
der Rampe lagen noch einige zerbrochene
Stühle, die man hier hingeworfen hatte. Die auf
den Fußboden festgenagelt gewesene Leiste einer Sitz¬