II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 377

11. Reigen
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Seite 6 Wien, Donnerstag
reihe war weggerissen. Der vordere Teil des Zu¬
schauerraumes war mit Wasser über¬
flutet. Nach höher stand das Wasser in
dem Zugang zum Bähnenraum. Im Wasser
schwammen die Bestandteile eine
Baßgeige, welche die Demonstranten zertrümmert
hatten. Von einem hier stehenden Klavier troff das
Wasser herunter. Ebenso waren Lachen und Wasser¬
bäche auf der Bühne selbst zu sehen und im Saale
verspürte man noch immer den üblen Geruch von
Schwefelwasserstoff, von der Stinkbombe herrührend
Verbot der Nachtvorstellung.
Die Direktion der Kammerspicle splante trotz der
Vorgänge und trotz des angerichteten Schadens, den
sie im großen und ganzen beheben zu können glavbt
die Nachtvorstellung vor sich gehen zu lassen, welche
ebenso wie die Abendvorstellung ausverkauft war. Man
wollte den Beginn der Vorstellung etwas hinaus¬
schieben, um in dieser Not die notdürftigsten Auf¬
räumungsarbeiten durchführen zu können. Ein Hindernis
schien nicht vorzuliegen, nachdem die Demonstranten
müttlerweile abgezogen waren und weitere Kundgebungen
für den gestrigen Abend nicht zu befürchten gewesen sind.
Ueber Anraten der Feuerwehr ist aber doch die
gestrige Nachtvorstellung schließlich aus Gründen
der Sicherbeit verboten worden.
Branddirektor Schifter hat nämlich der Behörde
gegenüber seiner Ansicht Ausdruck verliehen, daß mit
Rücksicht auf den Bau des Theaters und die vielen zum
Theatersaale führenden Treppen bei der Wiederholung
einer Panik größeres Unheil geschehen könnte und
daß eine Gewähr für die Sicherheit der Theater¬
befucher nicht übernommen werden könne. Aus diesen
Gründen wurde seitens der Polizeibehörde der Direktion
der Kammerspiele nahegelegt, die gestrige Nachtvor¬
stellung zu unterlassen.
Die weiteren Aufführungen.
Bezüglich der weiteren Aufführungen wird seitens
der Direktion der Kammersviele erklärt, daß einer
Fortführung der „Reigen=Vor¬
stellungennichts im Wegestehe. Die
Theaterleitung erklärt nämlich, daß die gestrigen Kund¬
gebungen nicht der Ausfluß eines öffentlichen Aerger¬
nisses sind, sondern als eine bestellte, agitatorischen
Letzte Nachrichten.
Die Konferenz in Portorose.
Der Plan einer Donanföderation im
Vordergrunde.
Berlin, 16. Februar. (Privat=Depesche.]
Der „Lokalanzeiger“ meldet aus Paris: Am
13. März wird in Portorose die Konferen
der Nachfolgestaaten der früheren
Oesterreichisch=ungarischen Monarchie stattfinden, an
der auch die alliierten Staaten, in erster
Linienatür lich Frankreich teilnehmen
werden Daraus geht mit Sicherheit hervor,
daß die Männer am Quai d'Orsay noch einmal ver¬
suchen werden, den Plan einer Donauföderation
zu verwirklichen, in der auch Deutschösterreich seinen
Platz finden soll. Der jetzt ernannte französische Ver¬
treter auf der Konferenz Admiral Fatu ist bereits in
diesem Sinne von Briand instruiert worden, um alles
daran zu setzen, den Anschlußgedanken Oesterreichs wahr¬
scheinlich durch leere Versprechungen vollends zu ertöten.
BRERA
lilustriertes Wiener Extrablatt
Zwecker dienende und aranaterte Kundeschung war¬
welche die Behörden wohl schwerlich beeinflussen kann,
gegen die Vorstellungen als solche Stellung zu nehmen.
Ein behördlicher Beschluß über eine Stellung¬
nahme zu dieser Angelegenheit wurde bis zum gestrigen
Abend nicht gefaßt und die Behörden werden erst
im
Lause des heutigen Tages Gelegenheit haben,
ich
mit der Frage zu befassen, ob aus Gründen
der
aus
ffentlichen Ruhe und Ordnung oder auch
Gründen der Sicherheit der Theaterbesucher
die
weiteren Vorführungen des „Reigen“ zu verbieten oder
zu gestatten sind. Ein aus diesen Gründen zu ver¬
fügendes Verbot könnte die Polizeidirektion im eigenen
Wirkungskreise erlassen, ohne sich mit der Verschieden¬
heit der Ansichten über das Zenturverbot zwischen
dem Bundesministerium des Innern und dem Bürger¬
neister als Landeshauptmann zu befassen.
Auf der Bühne und im Zuschanerraum.
Herr Hans Wengraf, der im dritten
Bilde „Stubenmädchen und junger Herr“ mit Fräulein
Hochdorf auf der Szene ist, vernahm schon zu
diesem Zeitpunkt leises Gemurmel aus dem Zu¬
schauetraum. Das Wort „Schweinerei“ war bis auf
die Bühue hörbar. Im Publikum war eine merkliche
Unruhe entstanden, doch legte sich dieselbe wieder,
ffenbar weil die Demonstranten still wurden, be¬
ziehungsweise den verabredeten Zuzug erhalten hatten.
Das nächste Bild, „Junge Frau — junger Herr“
in dem mit Herrn Wengraf Frau Carlse
beschäftigt ist, konnte beginnen. Das Publikum ging
wieder mit, lachte sogar, wenn auf der Bühne ein
Scherzwort fiel. Erst als die Verdunkelung bei offenem
Vorhang eintrat, wurde der Ruf „Schweinerei
auter vernehmbar, man roch auch schon auf der
Bühne die Stinkbombe. Ein Logenbesider rief mit
Hinweis auf die Demonstranten „Hinaus mit ihnen“!
Andere antworteten und Frau Carlsen und Herr Wen¬
graf mußten das Stimmengewirre übertönen.
Auch das fünfte Bild „Junge Frau und Ehe¬
mann“ konnte beginnen. Da aber drang schon der
wüste, bald alles übertönende Lärm von der Straße
erein. Das Spiel mußte abgebrochen werden, der
geteilte Vorhang schloß sich und die eiserne Sicher
heitskurtine wurde aufgezogen. Ste zeigt in der Mitte
große Tintenflecke. Einer der Demon¬
Lord Curzon über die Lage in Europa.
Londen, 16. Februar. Lord Curzon hält
die allgemeine Lage in Emopa für besser
als vor einem Jähre. Das musterhafte Zusammen¬
arbeiten zwischen den Großmächten, insbesondere
zwischen Großbritannien und Frankreich
sei eine wirkliche Bürgschaft des Friedens
in Europa. Redner gibt sodann einen Ueberblick
über die Lage in den anderen Teilen Europas und
erklärt bezüglich Rußlands, ein Krieg müßte
inmöglich werden mit einem Volke, mit dem Handels¬
beziehungen angeknüpft seien.
Die Türkei verlangt volle Selbst¬
ständigneit.
Paris, 16. Februar. Es verlautet, daß die
Vertreter der Angoraregierung bei der Londoner Kon¬
erenz die vollständige Revision des
Friedensvertrages, die Grenzen des
Jahres 1913 und eine vollkommen selbst¬
tändige Türkei ohne jede fremde Kontrolle
verlangen werden.
17. Februar 1921 Nr. 47
traten hatte eine Tintenflasche gegen die
Kurtine geschlendert. Inzwischen hatte
ich der wilde Lärm im ganzen Haus erhoben. Die
Demonstranten warfen Sessel und Bänke aus den
Logen ins Parkett. Das Toben wurde immer ärger,
besonders da die erregten Eindringlinge auch die
Garderobe stürmen wollten.
In der Tat gelang es einigen von ihnen, in
den schmalen Bühneneingang einzudringen, wo sie die
Baßgeige in Stücke traten. Die Bühnenarbeiter eilten
zu den Hydranten und wehrten die ärgsten Schreier mit
der Spritze ab. Alsbald watete man in der Garderobe
und auf der Bühne in tiefen Wasserlachen. Eine Anzahl
von Herren und Damen aus dem Publikum hatte sich
auf die Bühne geflüchtet und warteten dort, bis sie sich
ungehindert entfernen konnten.
Unterredung mit Direktor Bernau.
Direktor Bernau war während der Skandal
szenen nicht anwesend und fand sich erst später mit
Artur Schnitzler im Theater ein. In einem Ge¬
präch mit einem Redakteur unseres Blattes erklärte er,
daß die Nachtvorstellung unter dem Eindruck der uner¬
hörten Szeuen inhibiert worden sei und daß es noch
ungewiß sei, ob heute gespielt werden könne. Nach
der so stürmisch verlaufenen Vorstellung waren die
Kammerspiele von einem starken Polizeiaufgebot
bewacht.
Der Dichter wollte sein Werk zurück¬
ziehen!
Wie wir erfahren, hat sich vorgestern eine inter¬
essante Szene in der Direktion des Deutschen
Volkstheaters zugetragen. Artur Schnitzler
war bei Direktor Bernau erschienen und verlangte die
Absetzung des „Reigen“ vom Spiel¬
plane der Kammerspiele. Er fühle sich
angewidert von den Treibereien und wünsche, daß er
ind sein Werk dem häßlichen Kampfe entrückt werden.
Direkto. Bernau ließ die Einwendungen des
Dichters nicht gelten und erklärte sich keinerlei Terror
von der Straße beugen zu wollent. Das Stück sei sein
Eigentum; er habe es zur Aufführung erworben um
er werde es weiterspielen.
rechte aus, die nicht ausdrücklich der
Gewalt des Bundesstaates übertragen
sind oder übertragen werden.
Der Landtag genehmigte diese Fassung.
Thenlerzeitung.
Die ausgesperrte Frau Roland.
Vor einigen Tagen kam an Frau Ida Roland
die Verständigung, daß ihre am Pöstlingberg bei Linz
gelegene Villa durch die oberösterreichische Behörde
angefordert worden ist. Die Künstlerin unterbrach
sofort ihr Gastspiel im Deutschen Volkstheater und
fuhr nach Linz um gegen die Maßregel Einsprache zu
erheben. Zu ihrem Erstaunen fand sie die mit Kunst¬
wverken reich ausgestattete Villa bereits von mehreren
Familien besetzt und ihre Ueberraschung erfuhr eine
einliche Steigerung, als ihr die Einquartierung
den Eintritt in den eigenen
Besitz verwehrte. Frau Roland, bekanntlich
eine Dame von lebhaftem Temperament, erhob schorfen
Einspruch gegen die Anforderung und gegen die Aus¬
sverrina. Ihrem Wunsche wegen Beistellung von