II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 396

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Wiener Sllmmen
Die „Arbeiter=Zeilung“ beschimpie in ihrer gestrigen
Nachmittagsausgabe die Demonstranten gegen den
„Reigen“ als „bezahlte Apachen“, als „wahre Platten¬
brüder“, als Diebe und Plünderer und im Bilde als
Kasseneinbrecher. Das ist halt so der Austerlitzjargon,
der Ton des Organes der gewesenen Staatssekretäre
Bauer, Renner, Ellenbogen, Deutsch usw. Auch das
heutige Morgenblat der „A.=Z.“ vermag sich über das
Verbot der allabendlichen Schieberunterhaltung
in der Rotenturmstraße noch nicht zu beru¬
higen und mächt,
seit
was es
bei jedem Anlasse zu sein pflegt, den Oberhirten der
Wiener Erzdiözese zur Zielscheibe von Jargonlaus¬
bübereien („Apachen des Kardinals“!) Das sozialdemokrati¬
che Zentralorgan hofft wohl, sich und der „Reigen"¬
Kundschaft die Sympathien der Straße zu erwerben,
wenn es zur Rache für die Einstellung der Schieber¬
unterhaltung sich im Zungenherausstrecken und in den
Grimassen der Kreuzwegjuden gegenüber dem Christentum
und dem Träger der kirchlichen Autorität produziert.
Es gibt damit zu verstehen, daß es Schwärmerei für
die „Reigen“=Moral insanity mit Christen= und Kirchen¬
haß gepaart weiß. Und da dürfte es ja recht haben.
Das Blatt droht am Schluße seiner Sammlung von
verbalem Unflat mit der Sprengungnicht¬
sozialdemokratischer Versamlungen
und Störung von Predigten in der
Kirche. Die „A.=3“=Juden werden damit, das
kann ihnen jetzt schon gesagt werden, nicht viel
Glück haben. Für die perverse Gleichstellung
der Judenschweinerei des „Reigen“ mit politischen Ver¬
ammlungen oder gar mit kirchlichen Veranstaltungen
werden die Hetzer der „A.=Z.“ in der Bevölkerung wenig
Verständnis finden und auch der marxistische Teil der
Arbeiterschaft dürfte die ihm zugedachte Rolle, Schutz¬
und Rachegarde der Schieberwelt zu sein, entschieden
ablehnen.
Zugleich mit dem sozialdemokratischen Zentralorgan
empört sich über das „Reigen“=Verbot auch das „Neue
Wiener Journal“, und zwar nicht etwa in jenem Teile,
den die Masseusen und Damen verwandter Berufe mit
Beschlag zu belegen pflegen, sondern auf der damit dann
und wann ehrbar korrespondierenden Leitartikeiseite:
„Mag er (der „Reigen) züchtig oder unzüchtig, Kin¬
dern oder Erwachsenen gefährlich sein, mag man ihn
pielen oder nicht, das ist herzlichst gleichgül¬
tig“ verkündet das Blatt, das noch immer die einzige
Lektüre und Belehrungsquelle vieler Tausende Fami¬
ien ist. „Der Zahntechnikerlehrling und der Schuhmacher¬
lehrlug hätten sich nicht in ihrem sittlichen Gefübl durch
Theateraufführungen beleidigt zu fühlen. ##
Es dürfen, versteht sich, nur Theaterunternehmungen,
die sich in eine Art Freudenhaus verwandeln, auf die
niedern Instinkte und auf — den Geldbeutel von Zahn¬
technikerlehrlingen spekulieren. Das, ja das ist erlaubt,
ber daß die Kundschaft Kritik übt und nicht die Wurzen
abgeben will, das ist unstatthaft. Von wegen der deut¬
chen Literatur natürlich, die mit Schnitzlers „Reigen
steht und fällt, und der Freiheit des „Geistigen“
Man sieht, das „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und
Pharisäer“ hat in den neunzehn Jahrhunderten, vor
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18. Februar 1921
denen es den Vätern der „Reigen“=Schwärmer zuge¬
donnert worden ist, nichts an Aktnalität eingebüßt. Wenn
das Blatt schließlich von einem „Kampf zwischen
Stinkbomben und Geistigkeiten“ spricht, so ist die
Gruppierung richtig. Es ist ein Kampf, in welchem sich
die Geistigkeit des genins loci gegen die frechen Stink¬
bombenwürfe der „Reigen“=Leuté zur Wehre setzt.