II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 440

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Wien, Freitag
Neue Freie Presse.
des Landes Wien dar, da zur Ausübung der Theaterzensur in:
Inzwischen hatte der Abg. Volker schristlichsozial) das
Wien ausschließlich der Landeshauptmann von Wien befugt
ist.
Wort ergriffen, um den Standvunkt seiner Partei, welche das
Das Verbot beweist, daß der Regierung das Diktat
der
Vorgehen des Ministers gutheiße, zu vertreten. Es herrscht aber
Klerikalen höher steht als die Bestimmungen der Verfassung.
noch immer ein solcher Lärm, daß das Wort Volkers im
wird die Frage gestellt, ob der Bundesminister für Inneres
den
Saale fast unverständlich blieb. Der Lärm legte sich erst, als der
verfassungswidrigen Erlaß über das Verbot der Aufführung der
letzte Redner in dieser Debatte, Abg. Sein, das Wort ergriff.
„Reigen sofort zuruckziehen wolle.
Abg. Seitz erklärt, das heutige Vorkommnis sei eine Folge
Bei Veresung des Dringlichkeitsantrages Leuthner zeigte
des mangelnden Mutes der Christlichsozialen, die
sich bereits im Saale große Unruhe. Die Abgeorneten der
Ministerposten durch Parteimänner zu ersetzen. So habe man
beiden großen Partelen sammelten sich in dem Halbrund vor
einen strebsamen jungen Mann, der in den Präsidailbureaux ge¬
der Ministerbank. Unter ziemlicher Unruhe begann Abgeord
dient hat, aber die Eignung zum Minister nicht besitzt, auf diesen
neler Leuthner seinen Dringlichkeit intrag zu begründen. Er
Posten gestellt, und dieser müsse nun alles tun, wofür sie die
erklärte, daß er sich nicht in eine Crorierung über ästhelische
Verantwortung nicht übernehmen wollen. Es handle sich hier nicht
oder eihische Fragen einlasse und gar nicht fragen wolle, was
um den „Reigen“, sondern um die Tatsache, daß der Landes¬
der „Reigen“ künstlerisch und ethisch bedeutet. Der Schwerpunkt
hauptmann eine verfassungsmäßige Entscheidung getroffen hat,
liegt dari, daß der Minister des Innern einen schweren
ie sich auf das Votum des zuständigen Zensurbeirates stützt.
Verfassungsbruch begangen habe, indem er ein Verbot
Gegen diese Entscheidung könnte nur die betreffende Partei
erlassen hat, zu dessen Erlassung ausschließlich der Landeshaupt¬
den Rekurs an das Ministerium des Innern ergreifen. Das
mann von Wien berufen ist. Abgeordneter Leuthner sprach in
Ministerium des Innern hat aber kein Recht, einzu¬
sehr temperamentvoller Weise, was zahlreiche Zwischenrufe von
greifen. Wenn es sich auf die Verordnung vom Jahre 1850
christlichsozialer Seite zur Folge hatte.
tützt, die ein solches Einschreiten ermöglichen würde, so hätt, sie
auf keinen Fall direkt mit einer Unterbehörde
Die Bewegung dauerte an, als auch unmittelbar nach ihm
zu verkehren gehabt. Die Sache habe eine viel weiter¬
der Minister des Innern Dr. Glanz sich erhob, um auf die
gehende politische Bedeutung. Die christlichsoziale Regierung
Anfrage zu antworten. Die Ausführungen des Dr. Glanz decken
wolle diesen nebensächlichen Anlaß benützen, um in die
sich im wesentlichen mit dem amtlichen Communiqué über die
Machtsphäre des Landeshauptmannes von
Gründe des Verbotes. Als Minister Dr. Glanz betonte, daß sich
Wien einzugreifen, damit sie sich später in ernsteren
zahlreiche Stimmen gegen die Aufführung
Fällen auf dieses Präjudiz berufen könne.
des Stückes „Reigen“ geäußert haben, ertönte der Ruf:
Die Partei des Redners müsse gegen einen solchen Ver¬
Welche Stimmen? Wo haben Sie solche Stimmen gelesen?
fassungsbruch den schärfsten Widerstand leisten.
Er wisse
Abg. Seiß: „Außer in der „Reichspost“ und in den „Wiener
nicht, wie sich der Landeshauptmann Reumann gegenüber diesem
Stimmen“ war nichts zu lesen.“ Minister Dr. Glanz: In ver¬
Verbot verhalten werde. Aber das wisse er, wenn man ein Nicht¬
schiedenen Kreisen der Oeffentlichkeit hat sich ein lebhafter Unmut
befolgen des Verbotes mit Gewalt oder gar mit Waffengewalt
gegen diese Aufführung geltend gemacht, der sich bis zur Ent¬
durchsetzen wollte, so würde die Arbeiterschaft ihre
rüstung gesteigert hat. Abg. Seitz: „Woher wissen Se das?
ganze Kraft aufbieten, um einem solchen Verbot mit
Wo haben Sie davon etwas gehört?“ Abg. Mataja: „Der
Gewalt entgegenzutreten. Dem Dr. Glanz lege er nahe, einen
Herr Präsident als Krawallmacher.“ M.nister Dr. Glanz fährt in
Posten zu verlassen, für den er durchaus nicht die
seinen Ausführungen fort und spricht über die Gründe, welche zu
Eignung besitze.
dem Verbot geführt haben.
Er müsse sich in schärfster Weise dagegen wenden, daß diese
unge Mann es wage, sein Urteil, das von einer großen Partei
Im Saale her schte große Unruhe. Die
ge¬
dieses Hauses als unrichtig erkannt wird, durch Berufung auf
ordneten Leuthner, Sever und Widholz riesen wiederholt:
das Urteil aller anständigen Leute zu stützen. Das sei eine grobe
Sprechen Sie doch über die Verfassungsftage, I.re An¬
Verletzung nicht nur des parlamentarischen Anstandes, sondern
sichten über das Stück interessieren uns nicht.“ Minister
aller Sitten, die ein Minister gegenüber einer Partei des Hauses
an
Glanz: „Wenn man Argumeite belämpfen will, mi
zu beobachten hat.
sie doch anhören.“ Der Minister sprach weiter über die Ten¬
Präsident Dinghofer erteilte Seitz wegen seiner Aeuße¬
denzen des Stückes „Reigen“ und führte aus, daß in #iesem
rungen gegen Minister Glanz den Ordnungsruf. Von
Stücke Vorgänge auf die Bühne gebracht werden, die auch bei
sozialdemokratischer Seite ertönen stürmische Rufe: „Warum
den kulturell tiefstehenden Völkern gewohnlich mit einer
ge¬
rufen Sie den Glanz nicht zur Ordnung? Er hat die ganze
wissen Diskretion behandelt werden.
1 bg. Witternig
Partei beleidigt. Er muß zur Ordnung gerufen werden.“
„Nicht mogeln. Das ist eine Rezension für die „Wiener
Stimmen“. Abgeordneter Zelenka: „Reden Sie über den
Tie antliche Mitteilung über das Verbot.
Verfassungsbruch.“
Die „Staatskorrespondenz“ schreibt: Durch eine Ver¬
Das drohende Handae enge.
fügung der Regierung wurde die weitere Auf¬
Am Schlusse seiner Ausführungen bemerkte der Minister,
führung des Bühnenwerkes „Reigen“
daß er getrost die Beurteilung seines Vorgehens allen anständigen
ntersagt.
Leuten überlasse. Diese Worte entfesselten einen neuerlichen
Hiezu wird amtlich mitgeteilt:
Sturm bei den Sozialdemokraten. Die Abgeord¬
neten Zelenka und Witternig drängen zur Minister¬
Bereits vor Zulassung der Aufführung des „Reigen“
bank und hauen mit den Fäusten auf den Tisch
durch den Magistrat Wien als politiche Landesbehörde
des Dr. Glanz auf. Andere Abgeordnete eilen ebenfalls,
hat der Polizeipräsident den Bürgermeister von Wien auf
heftig gestikulierend, auf den Platz Dr. Glanz' zu und rufen
die schweren Bedenken aufmerksam gemacht, die der Auf¬
stürmisch: „Hinaus-mitichm.das-ist eine Beleidigung, das
führung dieses Bühnenwertes entgegennehen.
Der
lassen wir uns nicht gefallen: Man hat den Eindruck, als ob die
Magistrat erteilte jedoch nach Anhörung des
ozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Glanz mit Gewalt
Zenzurbeirates mit Bescheid vom 12. Januar 1921
von seinem Platz wegdrängen wollen, namentlich die
Abgeordneten Zelenka und Witternig zeigen sich sehr erregt.
die Aufführungsbewilligung.
In diesem Augenblick versuchen die christlichsozialen, die auf
Die nun erfolgten Aufführungen des Stückes gaben
der anderen Seite des Saales standen, vorzudringen, um Dr. Glan¬
zu lebhaften Erörterungen in der O ffentlichkeit Anlaß.
vor tätlichen Angriffen zu schützen. Es kam in der Mitte des
Hiebei sprach sich die weitaus überwiegende Mehrzahl der
Saales zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten zu
öffentlichen Stimmen dahin aus, daß die Aufführung nach
einem Zusammenstoß, indem die Parteien gegeneinander
ihrem Gesamteindrucke eine arge Verletzung der Sittlich¬
drängten, wobei die Sozialdemokraten ununterbrochen gegen den
keit bedeute. Kundgedungen aus der Bevölkerung und
Minister Glanz riefen: „Hinaus mit ihm!“
zahlreiche Artikel der Presse verschiedener Richtung ließen
Plötzlich sah man in dem Drängen, wie die Faust
erleunen, daß diese Vorführung mit dem
des Aogeordneten Pischitz den Kopf des
ittlichen Empfinden weiter Kreise
Abgeordneten Sever iraf, nicht absichtlich, um
ihn zu schlagen, sondern in dem allgemeinen Hii= und Hei¬
der Wiener Bevölkerung in scharfem
Gegensatze steht.
stoßen. Sever und einige um ihn steyende Freunde, die an
den absichtlichen Schlag glaubten, dränzten
Der Bundesminister für Inneres und
nunmehr gegen Pischitz los. In diesem Augenblick gelani es
Unterricht richtete daher an den zunächst zur Beurteilung des
en Ordnern, namentlich den Abgeordneten Forstner, Doktor
Falles berufenen Bürgermeister von Wien die Ein¬
Waiß und Dr. Dinghofer, sowie den Abgeordneten Fink,
ladung, zu der durch die öffentlichen Aufführungen ge¬
zwischen die Streitenden zu drängen und die Gruppen
gebenen Sachlage Stellung zu nehmen. Der
trentken. Noch immer dauern aber die Unruhen im
Bürgermeister erklärte jedoch, daß er nicht in der
Saale an.
Lage sei, seine erste Entscheidung abzu¬
ändern.
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11. Februar 192
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macht: „Der Bürgermei
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arbeiter gegenüber:
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maßgebenden Behörde,
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Mittel schützen wird. Meir
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kann ich mich jetzt nicht ei
wvertvolles Kunstwerk. Ma
ich das Werk einzig aus
bringe. Ich kann beweisen,
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aber auch wirkungsvolle
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ausgezeichneten Qualitäten
gierung enthält, nicht zur 2
wird weiter zur Aufführun
versichtlich von der Behör
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