II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 480

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den Ordnungsruf erhielt. Die Sozialdemo¬
kraten gaben ihrer Opposition gegen den
Minister auch dadurch Ausdruck, daß sie sofort
die
Vornahme von drei ersten
Lesungen, darunter zur Wehrgesetz
novelle, verlangten; dabei wird es vor¬
aussichtlich zu neuen Sturmszenen kommen.
Auch im Budgetausschusse gaben sie ihrer
Stimmung durch den Antrag Ausdruck, den
nicht sofort anwesenden Minister Glanz zum
Erscheinen aufzufordern.
Die dringliche Anfrage der Sozial¬
demokraten.
Nach Erledigung der Tagesordnung wies
Abg. Leuthner in einer dringlichen An¬
rage darauf hin, daß das Verbot des „Reigen“
verfassungswidrig sei, da zur Ausübung der
Theaterzensur in Wien einzig und allein der
Landeshauptmann von Wien befugt sei. Das
Verbot beweist, daß der Regierung das Diktat
der Klerikalen höher stehe, als die Be¬
stimmungen der Verfassung. Es wird schließlich
gefragt, ob der Bundesminister den Erlaß
sofort zurückziehen wolle.
Abg. Leuthner erklärte, er wolle sich
durchaus nicht in eine Diskussion über ästhetisch
oder ethische Fragen einlassen und gar nicht
fragen, was der „Reigen“ künstlerisch und
ethisch bedeute. Es handelt sich hier um die
rein gesetzliche Seite der An¬
gelegenheit. Nach dem Bundesverfassungs¬
gesetz steht dem Landeshauptmann, in diesem
Falle dem Bürgermeister von Wien, die Ent
cheidung zu, gegen die, wenn sie einmal im
bejahenden Falle erfolgt ist, eine Ent¬
scheidung der Regierung nicht angerufen
werden kann. Nur in dem Falle, wenn sie
berneinend ausgefallen ist, ist eine
Berusung an die Regierung möglich.
Die Erwiderung des Ministers Dr. Glanz.
Bundesminister Dr. Glanz: Schon vor
der Zulassung des „Reigen“ die durch den
Magistrat in seiner Eigenschaft als politische
Landesstelle erfolgt ist, hatte der Polizei¬
präsident von Wien auf die schweren
Bedenken gegen die Aufführung dieset
Bühnencherkes aufmerksam gemacht. Die Auf¬
führung des Stückes gab alsbald zu leb¬
haften Erörterungen in
Oeffentlichkeit Anlaß. Hiebei sprach sich die
über wiegende Mehrzahl der
öffentlichen Stimmen gegen die
Aufführung aus. (Abg. Seitz: Wo haben
Sie das gezählt? Großer Lärm.
Der Gesamteindruck war, daß die Auf¬
führung eine arge Verletzung der
öffentlichen Sittlichkeit bedeute
und daß sie mit dem sittlichen Empfinden
weiter Kreise der Wiener Bevölkerung in
scharfem Gegensatz stehe. (Lebhafter Beifall und
Händeklatschen bei den Christlichsozialen, großer
Lärm bei den Sozialdemokraten. Abg. Seitzt
Woher wissen Sie das? Abg. Pick: Sie
bringen hier nur ästhetische Meinungen vor,
aber kein einziges Argument. Abg. Doktor
Mastaja: Der Präsident als Krawall¬
nacher. Abg. Dr. Bauer: Ein solcher
Sch#ner wie der Mataja wagt das zu sagen.)
Dr. Glanz (der Mühe hat, sich ver¬
ständlich zu machen): Aus Rücksichten der
öffemlichen Sittlichkeit habe sich das Bundes¬
ministerium entschlossen, die weitere Aufführung
des „Reigen“ zu verbieten. (Stürmischer
Beifall bei den Christlichsozialen.) Die Vor¬
gänge in dem Stücke sind durchaus ein¬
deutiger Art. Die deutsche Kultur
in Oesterreich wird gewiß keinen
Schaden erleiden, wenn Schaustellungen
solcher Vorgänge auf öffentlicher Bühne unter¬
bleiben. (Stürmischer Beifall und Hände¬
klotschen. Gegenruf bei den Sozialdemokraten.
Dr. Bauer: Es handelt sich hier um eine
bed'ln därf?“ fangt er zun lach'n an und sagt:
„Jetzt gey' i scho drei Jahr in das Haus
babeln (betteln). Und drei Jahr zerbrich i mit
immer in Kopf, was denn dö Prunnene
Volks-Zeitung.
Verfassungsfrage. Das, was Sie
und in Berlin verboten, und wir als Deutsche
sagen, hat mit der Verfassung nichts zu tun.)
an der Donau (Lebhafte Zwischenrufe bei den
Ich glaube auch nicht, daß die breiten Masser
Sozialdemokraten. Abg. Weber macht einen
der Wiener Bevölkerung es als besonderen
Zwischenruf in tschechischer Sprache.) wollen
Verlust betrachten werden, wenn einer kleinen
n unserem sittlichen Reinlichkeitsgefühl nicht
Zahl frivoler Genießer diese dem
inter dem übrigen deutschen Volk zurückstehen.
sittlichen Empfinden und dem Ernst dieser Zei
Andauernde Zwischenrufe bei den Sozial¬
demokraten.
widersprechenden Vergnügungen entzogen
werden.
Ein schwerer politischer Fehler.
Die Tumultszenen.
Abg. Seitz: Die höchst bedauernswerten
Mehrere Sozialdemokraten dringen auf
Szenen, die sich hier ereignet haben, sind, wie
den Platz des Ministers ein und schleudern
ch glaube, auf einen schwer# politi¬
stürmische Zurufe gegen die Minister¬
schen Fehler der christlichsozialen Partei
ank. Der Präsident erteilt in dem herrschenden
und der Mehrheit in diesem Hause überhaupt
Lärm mehreren Abgeordneten Ordnungs¬
zurückzuführen. Oesterreich ist viel zu schwach,
ufe. Der Tumult im Saale steiger
um eine Regierung von Angestellten
sich, als der Minister mit den Worten schließt:
der gar Söldlingen zu ertragen. (Leb¬
Ich werde auf die gegen mich persönlich ge¬
hafte Zwischenrufe bei den Christlichsozialen.
ich
richteten Angriffe nicht näher eingehen,
Rufe: Unerhört! Sie sprechen von Söld¬
laube, das Urteil über mein Wirken aber
lingen?) Politischen Takt kann man natürlich
n
edem anständigen Mensche
einem jungen Mann, einem jungen streb¬
überlassen zu können.
amen Mann, der einige Jahre in
Die Christlichsozialen nehmen diese Worte
Präsidialbureaus gedient hat und dann plötzlich
mit stürmischem Beifall auf. während die
auf einen solchen Posten berufen wurde (Leb¬
hafte Zwischenrufe bei den Christlichsozialen.
worten. Die Abgeordneten Zelenka,
Rufe: Nicht beleidigen!), nicht zumuten. Wenn
Witternigg und Forstner schlagen
es richtig ist, daß sich Dr. Glanz erkühnt hat
mit den Fäusten auf den Regie
(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemo¬
rungstisch und rufen in höchster Er¬
kraten), hier zu sagen, er werde sich die Gesetze
egung: „Wer ist ein unanständiger Mensch?
der Anständigkeit nicht vom Hause vor¬
Sie Lakaienseele!“
chreiben lassen (Lebhafter Widerspruch bei den
Die Worte des Präsidenten, der die
Christlichsozialen. Rufe: Das hat er nicht
Abgeordneten Witternigg und Zelenka
gesagt!), oder wenn er gesagt haben soll, er
zur Ordnung ruft, gehen im Tumult unter.
überlasse das Urteil, das von einer großen
Vor der Ministerbank kommt es zu
Partei des Hauses beanständet wurde, jedem
Reilereien zwischen Sozialdemo kraten und
inständigen Menschen, so ist das eine Rede¬
Christlichsozialen.
weise, die ungehörig ist. Die ästhetischen
Die Ordner geben sich angestrengteste
Auffassungen des Dr. Glanz interessieren uns
Mühe, die raufenden Gruppen zu trennen.
ar nicht. Wir kümmern uns auch
nicht
Ein Teil der christlichsozialen Abgeordneten
darum, welches Publikum das Stück an¬
drängt sich gegen die Sozialdemokraten, die
hört. Daß es keine Arbeiter sind, kann
vor der Ministerbank stehen, vor, unter den
ich bestimmt sagen. Sie haben
nicht
ortgesetzten Rufen: Juden, Saujuden,
die Mittel, so hohe Preise zu zahlen.
Judenbagage! Allen voran agitiert der
Es sind dort also doch eher die bürger
teirische Cyristlichsoziale Pischitz. Es kommt
lichen Kreise zu finden. (Rufe bei den Christ¬
zu wüsten Szenen, in deren Verlau
lichsozialen: „Juden! Nur Juden!“) Pardon,
chließlich der Abgeordnete Sever mit dem
ich bin ein alter Wiener und kenne die Wiener
Ellenbogen des Herrn Pischitz in sehr
Christlichsozialen genau. Ich möchte nich
unsanfte Berührung gerät. Man
ontrollieren, wie viele von ihren besten
hört nur einen wüsten Lärm und das Läuten
Freunden lüsternen Blickes und mit
der Glocke des Präsidenten Weiskirchner
gespanntem Ohr die Aufführung verfolgen.
der schließlich das Bedauern über diese
Wenn hier immer von der bedrohten Sittlich¬
Vorfälle ausspricht, die die Würde des Hauses
eit gesprochen wird, die Sittlichkeit dei
verletzen.
Wiener Arbeiter wird durch die Aufführung
Der Standpunkt der Christlichsozialen.
des „Reigen“ nicht verletzt, weil die Arbeiter
nicht hingehen. Und wer sonst immer für seine
Der christlichsoziale Abgeordnete Volker,
Sittlichkeit fürchtet, hat ja die Freiheit, an dem
führt
der hierauf
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das Wort nimmt,
Theater vorüberzugehen. Um was es sich
aus, daß es sich nicht um einen Kompetenz¬
handelt, ist die politische Frage, die
konflikt, sondern darum handelt,

Frage der Verfassungsmäßigkeit
Be¬
das Sittlichkeitsgefühl der
dieses Erlasses des Dr. Glanz. Wir wissen, daß
sagte
völkerung verletzt werde. Wir stehen,
Sie die Absicht haben, in den Ländern, in
muß
er, auf dem Standpunkt, in dieser Zeit
enen Sie die Majorität haben, den Landes¬
die Sittlichkeit gewahrt werden. Die Arbeiter¬
hauptmann zu einem selbstherrlichen
rauen werden gewiß nicht zum „Reigen“
ebieter zu machen, der vom Staat voll
gehen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen
ommen unabhängig ist, gleichzeitig aber dort,
bei den Christlichsozialen.) Wer geht denn hin?
wo ein Sozialdemokrat als Landeshauptmant
Nur sattgefressene Schieber! (Stür
wirkt, ihm gegenüber die sogenannte Staats
mischer Beifall bei den Christlichsozialen.
autorität, das heißt hier die Autorität eines
Lebhafte Zwischenrufe bei den Sozialdemo¬
christlichsozialen Soldlings, geltend zu machen.
kraten.) Emporen Sie sich darüber, daß es
iesen Leuten versagt sein soll, den „Reigen“
Gewalt gegen Gewalt.
zu sehen? (Lebhafte Zwischenrufe bei den
Dieser Politik werden wir den ent¬
Sozialdemokraten.) Wir stehen auf dem Stand¬
chiedensten Widerstand entgegen
punkt, daß die Regierung ihre Pflichtge
etzen. Wenn es uns auch gar nicht sympathisch
tan hat, und wir verteidigen das. Wir ver¬
ist, daß wir einen so untergeordneten
treten den Standpunkt der Regierung sehr wohl
nlaß wie eine Theaterauf¬
und sagen, daß der Bürgermeister Reumann
führung benützen müssen, um dieses
als Landeshauptmann seine Pflicht ver¬
Streben gleich im Keime zu ersticken, so tun
letzt hat. (Lebhafter Beifall und Hände¬
vir es dennoch pflichtgemäß. Es darf kein
An¬
klatschen bei den Christlichsozialen.
Schritt dieser Regierung erfolgen, der die in
dauernde Zwischenrufe bei den Sozialdemo¬
der Verfassung gewährleisteten Rechte des
kraten.) Man hat den „Reigen“ in München
Landes Wien auch nur im geringsten tangiert.
Sie werden bei der Mehrheit der Bevölkerung
von Wien, im Landtage Wien und bei der
g’wohnt. as können s' jetzt nimmer tuan
Landesregierung von Wien gegenüber jedem
An schön groß'n Perserteppich hat eahner der
olchen Versuch einem Widerstand be¬
Herr eh'malige Kabskutscher a'kauft, a paar
gegnen, der eisern ist und den Sie nicht
quate Bilder hab'n s’ ins Dorotheum tragen,
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Ein
Die
Verbotes
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