-eron
einen Zwichenruf in tschechischer Sprache)
—
wenn sie auf
meinen Namen anspielen, so will ich konstatieren, daß ich
meinen Namen geändert habe —, wir Deutschen
an der Tonau wollen in unserem sittlichen Reinlichteissgejähl
nicht hinter dem übrigen deutschen Volk zurückstehen. (Lebhafter
Beifall bei den Christlichsozialen; andauernde Zwischenrufe bei
den Sozialdemolraten.)
Seitz (Soz.):
Die höchst bedauernswerten Szenen,
die sich hier
ereignet haben, sind, wie ich glaube, auf einen schweren
politischen Fehler der christlichsozialen Partei und der Mehrheit
in die em Hause überhaupt zurückzuführen. Wir leben in
Oesterreich in einer so schweren Zeit, daß die, die die Geschicke
des Staates an erster Stelle zu lenken haben. ihr Amt nicht ausüben
können, wenn sie sich nicht selbst als die Träger einer
schweren Verantwortlichkeit fühlen und wenn sie nicht
elbst aus dem Volke stammen und vom Volke berusen sind.
(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Oesterreich ist viel zu
chwach, um eine Regierung
von Angestellten oder gar Söldlingen
zu ertragen. (Lebhafte Zwichenrufe bei den Cheistsichsozialen
Rufe: Unerhört! Sie sprechen von Söldlingen?) Das ist der
eigentliche Fehler. Wenn die Mehrheit des Hauses den Mut
gehabt und in sich die Kraft gefühlt hätte, selbst zu regieren,
und wenn sich die Herren daher selbst auf diese Bänle gesetzt
hätten, so hätten sie gewiß das notwendige Verständnis und
den notwendigen politischen Taft gehabt, der in der Eni¬
cheidung dieser Frage notwendig ist. Das kann man natürlich
einem jungen Mann,
einem jungen strebsamen Mann,
der einige Jahie in Präsidialbütos gedient hat und dann
plötzlich auf einen solchen Posten berufen wurde (Zwischenruse
bei den Christlich ozialen; Rufe: Richt beleidigen!), das kann
man einem solchen jungen Mann nicht zumuten. Wenn sich
Herr Dr. Glanz erkühn haben soll (lebhafte Zustimmung bei
den Sozialdemokraten), gleicham hier zu sagen, er werde sich
die Gesetze der Anständigkeit nicht vom Hause vorschreiben
lassen oder wenn er gesagt haben soll, er überlasse das Urteil,
das von einer grogen Partei des Hauses beanstandet wurde,
jedem anständigen Menschen, so
ist das eine Redeweise, die ungehörig ist.
Einen großen Teil der Ausführungen des Ministers hat
die Darstellung seiner ästhetischen Auffassungen über irgend ein
Schauspiel eingenommen, das jetzt in Wien aufgeführt wird.
Die ästhetischen Auffassungen des Dr. Glanz interessieren uns
gar nicht. Ich bin versichert, daß bei den verschiedenen politischen
Parteien und in den verschiedenen Bevölkerungskreisen die
Auffassung über die literarische Bedeuung des „Reigen
als Buch und über seine künstlerische Bedeutung als Drama
sehr verschieden sein wird. Wir wissen zum Beispiel, daß in
Deut chland eine sehr große Disku sion über diesen Gegenstand
taitgesunden hat, wir wissen, daß in Deutschland die Zu¬
lässigkeit der Aufführung des „Reigen“ schließlich ausgespruchen
wurde. Selbst der Minister hat ja eingestanden, daß die Ge¬
staitung der Aufführung auf Grund des Be¬
chlusses des Zensurbeirates. alse der amtlich
berufenen Stelle, erfolgt ist. Der Landeshauptmann von Wien
hat sich bei seinee Entscheidung einfach auf die von der zu¬
tändigen Stelle bekundete Aufführung gestützt. Ich wünsche
nicht einmal anzudeuten, wie ich über die Aufführung denke.
Ins sind schon die politischen und umsomehr erst die
ästhetischen Ansichten des Dr. Glanz gleichgültig. Wir
kümmern uns auch nicht darum, welches Publikum das
Stück anhört. Daß es keine Arbeiter sind, kann ich bestimmt
agen. Sie haben nicht die Mittel, so hohe Preise zu zahlen.
Es sind dort also doch eher die bürgerlichen Kreise
zu finden. (Rufe bei den Christlich ozialen: Juden! Nur
Juden!) Ich bin ein alter Wiener und kenne die Wiener
Christlich oziasen genau. Ich möchte nicht kontrollieren, wie viele
von Ihren beiten Freunden lüsternen Blickes und mit gespanntem
Ohr die Aufführung verfolgen. (Heiterkeit.) Aber das alles ist
uns gleichgültig. Wenn hier immer von der bedrohten Sittlich¬
keit gesprochen wird, die Sittlichkeit der Wiener Arbeiter wird
durch die Aufführung des „Reigen“ nicht verletzt (Zustimmung
bei den Sozialdemokraten), weil die Arbeiter nicht hingehen. Und
ver sonst immer für seine Sutlichkeit fürchtet, hat ja die
Freiheit, an dem Theater vorsberzugehen.
UIm was es sich handelt,
ist die politische Frage,
die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses des
Dr. Glanz. Es ist eine alte Taitik der christlichsozialen Partei
und daber auch des Herrn Glanz, in kleinen untergeordneten
Fragen oder zum mindesten in solchen, die mernorisch nicht wichtig
ind, zunächst kleine verjassungswidrige Vorentscheidungen zu
treffen, um sich dann bei wichtigen Anlässen auf ein Präjudiz
beruten zu können. Wir wissen, daß Sie die Absicht haben, in
den Ländern, in denen Sie die Majorität haben, den Landes¬
hauptmann zu einem selbstherrlichen Gebieter zu machen, der
vom Staate vollkommen unabhängig ist, gleichzeitig aber dort,
wo ein Sozialdemotrat als Landeshauptmann wirkt,
ihm gegenüber die sogenannte Staatsantorität,
das heißt hier die Autoriät eines christlichsozialen
Söldlings geitend zu machen. Dieser Politik werden
wir den entschiedensten Widerstand entgegensetzen. Wenn #s
O A K W S k. Er geh and Arnr in Peifron.
endlich die Gendaimen, auch die christlichsozialen Gendarmen in
Steiermark, sagen, der Mann ist ja nicht mehr unser Vor¬
gesetzter, er ist pensioniert, und ihm den Gehorsam
eiweigern. Und heute, da wir unmittelbur vor der
Gefahr stehen, daß alles, was in Steiermark gesetzmäßig be¬
wvaffnet ist, sich gegen die Regierung auflehnt und in den
Streik tritt, erklärt der Minister des Innern, er merde eine
„objektive Entscheidung“ in die Wege leiten. Er wird die Ent¬
cheidung wahrscheinlich an dem Tage treffen, bevor das
Ultimalum, das ihm die Beamten gestellt haben, abläuft.
Glauben Sie, daß ein Mann, der so handelt, fähig und
berusen
ist, auf diesem Posten zu sitzen?
Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Erkennen
Sie, Herr Dr. Glanz, denn nicht, daß Sie vielleicht viele Fähig¬
keiten haben, aber daß Ihnen die zur Leitung des Ministeriums
des Innein in so ernster Zeit mangeli? Sie sind vielleicht
ein ausgezeichneter Lneralurkenner und Aesthet, Sie mögen sich
berufen fühlen, Werturteile abzugeben über Schnitzler, Hofmanns¬
hal und den christ ichen Kernstuck, vielleicht könnten Sie auch schöne
Feuilleions über Theaterstücke schreiben
— und Sie haben
uns ja auch eine Probe dieser Kunst heute gegeben (lebhafte
Hei erkeit)
——
aber das sollten Sie erkennen, daß Sie auf dem
Posten eines Bundesministers unmöglich sind. Auch die
christlichsoziale Mehrheit hat alle Ursache, ernsthaft zu prüfen,
ob es zweckmäßig sei, einen großen Teil der Bevölkerung
Deutschösterreichs
durch die Zumutung des Herrn Glang zu provozieren.
Ich kann nur noch einmal sagen, ich bin der Ueber¬
zeugung, daß ein chrinlichsozialer ativer Politiker, der selbst
im Volle stände und aus dem Volke gewählt wäre an der
Stelle, die heute Herr Glanz einnimmi, Ent cheidungen in diesen
Fragen sich weit gründlicher überlegen und anders tressen
würde als Heir Glanz. Es ist ein schwerer Fehler, zu dem
vielen Unglück, das wir in Oesterreich haben, auch noch das
hinzuzufügen, daß man die Bevölkerung mit unsähigen
Beamten plagt. Was nun Wien beirifft, so wird
der Landeshauptmann und Bürgermeister von
Wien
gebührende
dem
Amwort
die
jeben. Ich glaube kaum, daß er seine Zuschrift zur
Kenninis nimmt. Wir kennen den Landeshauptmann von
Wien als einen sehr ruhigen, beionnenen Mann. Wenn Herr
Dr. Glanz diesen Verfassungskampf nun unternimmi,
dann werden wir ihn ausfechten. Wir werden daran
denken, was dei Stadt Wien ih größeren und wichtigeren
Fragen drohen könnte, wenn wir einmal gestatteten, daß ein
wichtiges Prinzip durchbrochen wird. Wir werden es nicht
dulden, daß die Arbeiterschaft in den übrigen Ländern einem
elbstherrlichen Landeshauptmann ausgeliefert ist, die Arbeiter¬
chaft von Wien aber einem selbstherrlichen christlich ozialen
Bundesminister. (Stürmischer Beifall bei den Sszialbemokraten.)
Ein Ordnungsruf und kein Ordnungsruf.
Präsident Dinghofer: Abgeordneter Seitz hat den
Minister für Inneres as einen unsähigen Beamten
bezeichnet. Ich halte das für eine Ungehörigkeit, für ein
Ueberschreiten der parlamentarischen Ausdrucksweise und rufe
den Abgeordneten Seitz deshalb zur Ordnung. (Lebhafter
Beifall bei den Christlichsozialen; lebhafter Widerspruch bei
den Sozialdemokraten.)
Dr. Bauer: Der Minister für Inneres hat in seiner
Rede eine Aeußerung gebraucht, die ich genau gehört habe.
Er sagte mit einer deutlichen und unzweidentigen
Spitze gegenüber der Kritik, die von unserer Partei an ihm
geübt worden ist. „Er überlasse das Urteil darüber allen an¬
tändigen Menschen.“ Diese Aeußerung wurde in einem Tone
und in einer Weise vorgebracht, die über ihren Sinn keinen
Zweifel übrig ließ. Der Präsident hat es nicht für notwendig
achtet, diese Beleidigung, die dei Minister einer großen Partei
des Hauses zugefügt hat, zu rügen. Auf Grund des § 76 der
Geschäftsordnung verlange ich, daß der Minister des Innern
zur Ordnung gerusen werde. (Lebhaster Beifall
bei den Sozialdemokraten.)
Präsident Dr. Dinghofer: Ich war während der Rede
des Ministers des Innern nicht anwesend und kann daher
auch ein persönliches Urteil darüber nicht abgeben. Soviel ich
aber aus den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Bauer ent¬
nehme, muß ich entscheiden, daß ich nicht in
der Lage bin, dem Herrn Minister wegen
dieser Aeußerung einen Ordnungsruf zu
erteilen.
Seitz: Ich finde es höchst sonderbar, daß der Präsident,
der saeben einen Ordnungsruf für einen Ausdruck erteilt hat,
den man vielleicht als eine Wertung von Fähigkeiten bezeichnen
kann, den Ordnungsruf gegenüber einem Ausdruck verweigert,
durch den die moralischen Qualitäten anderer in Frage gezogen
werden. Ich halte eine solche Entscheidung
für ganz un¬
zulässig. Man kann ein ganz anständiger Mensch sein,
ohne gerade die Fähigkeiten für irgend ein Umt zu besitzen,
ind es ist daher noch lange keine so schwere Beleidigung,
jemanden der Unfähigkeit zu ziehen, als wenn man sich in der
Argumentation gegen jemanden auf dee Zustimmung aller
anständigen Menschen beruft und ihn #o der Unanständig¬
Präsident Dr. Dinghofer: Ich habe keine Veranlassung,
eine andere Entscheidung zu neffen und beribe bei meiner ersten
Entscheidung. (Lebhafte Zwischenrufe.)
einen Zwichenruf in tschechischer Sprache)
—
wenn sie auf
meinen Namen anspielen, so will ich konstatieren, daß ich
meinen Namen geändert habe —, wir Deutschen
an der Tonau wollen in unserem sittlichen Reinlichteissgejähl
nicht hinter dem übrigen deutschen Volk zurückstehen. (Lebhafter
Beifall bei den Christlichsozialen; andauernde Zwischenrufe bei
den Sozialdemolraten.)
Seitz (Soz.):
Die höchst bedauernswerten Szenen,
die sich hier
ereignet haben, sind, wie ich glaube, auf einen schweren
politischen Fehler der christlichsozialen Partei und der Mehrheit
in die em Hause überhaupt zurückzuführen. Wir leben in
Oesterreich in einer so schweren Zeit, daß die, die die Geschicke
des Staates an erster Stelle zu lenken haben. ihr Amt nicht ausüben
können, wenn sie sich nicht selbst als die Träger einer
schweren Verantwortlichkeit fühlen und wenn sie nicht
elbst aus dem Volke stammen und vom Volke berusen sind.
(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Oesterreich ist viel zu
chwach, um eine Regierung
von Angestellten oder gar Söldlingen
zu ertragen. (Lebhafte Zwichenrufe bei den Cheistsichsozialen
Rufe: Unerhört! Sie sprechen von Söldlingen?) Das ist der
eigentliche Fehler. Wenn die Mehrheit des Hauses den Mut
gehabt und in sich die Kraft gefühlt hätte, selbst zu regieren,
und wenn sich die Herren daher selbst auf diese Bänle gesetzt
hätten, so hätten sie gewiß das notwendige Verständnis und
den notwendigen politischen Taft gehabt, der in der Eni¬
cheidung dieser Frage notwendig ist. Das kann man natürlich
einem jungen Mann,
einem jungen strebsamen Mann,
der einige Jahie in Präsidialbütos gedient hat und dann
plötzlich auf einen solchen Posten berufen wurde (Zwischenruse
bei den Christlich ozialen; Rufe: Richt beleidigen!), das kann
man einem solchen jungen Mann nicht zumuten. Wenn sich
Herr Dr. Glanz erkühn haben soll (lebhafte Zustimmung bei
den Sozialdemokraten), gleicham hier zu sagen, er werde sich
die Gesetze der Anständigkeit nicht vom Hause vorschreiben
lassen oder wenn er gesagt haben soll, er überlasse das Urteil,
das von einer grogen Partei des Hauses beanstandet wurde,
jedem anständigen Menschen, so
ist das eine Redeweise, die ungehörig ist.
Einen großen Teil der Ausführungen des Ministers hat
die Darstellung seiner ästhetischen Auffassungen über irgend ein
Schauspiel eingenommen, das jetzt in Wien aufgeführt wird.
Die ästhetischen Auffassungen des Dr. Glanz interessieren uns
gar nicht. Ich bin versichert, daß bei den verschiedenen politischen
Parteien und in den verschiedenen Bevölkerungskreisen die
Auffassung über die literarische Bedeuung des „Reigen
als Buch und über seine künstlerische Bedeutung als Drama
sehr verschieden sein wird. Wir wissen zum Beispiel, daß in
Deut chland eine sehr große Disku sion über diesen Gegenstand
taitgesunden hat, wir wissen, daß in Deutschland die Zu¬
lässigkeit der Aufführung des „Reigen“ schließlich ausgespruchen
wurde. Selbst der Minister hat ja eingestanden, daß die Ge¬
staitung der Aufführung auf Grund des Be¬
chlusses des Zensurbeirates. alse der amtlich
berufenen Stelle, erfolgt ist. Der Landeshauptmann von Wien
hat sich bei seinee Entscheidung einfach auf die von der zu¬
tändigen Stelle bekundete Aufführung gestützt. Ich wünsche
nicht einmal anzudeuten, wie ich über die Aufführung denke.
Ins sind schon die politischen und umsomehr erst die
ästhetischen Ansichten des Dr. Glanz gleichgültig. Wir
kümmern uns auch nicht darum, welches Publikum das
Stück anhört. Daß es keine Arbeiter sind, kann ich bestimmt
agen. Sie haben nicht die Mittel, so hohe Preise zu zahlen.
Es sind dort also doch eher die bürgerlichen Kreise
zu finden. (Rufe bei den Christlich ozialen: Juden! Nur
Juden!) Ich bin ein alter Wiener und kenne die Wiener
Christlich oziasen genau. Ich möchte nicht kontrollieren, wie viele
von Ihren beiten Freunden lüsternen Blickes und mit gespanntem
Ohr die Aufführung verfolgen. (Heiterkeit.) Aber das alles ist
uns gleichgültig. Wenn hier immer von der bedrohten Sittlich¬
keit gesprochen wird, die Sittlichkeit der Wiener Arbeiter wird
durch die Aufführung des „Reigen“ nicht verletzt (Zustimmung
bei den Sozialdemokraten), weil die Arbeiter nicht hingehen. Und
ver sonst immer für seine Sutlichkeit fürchtet, hat ja die
Freiheit, an dem Theater vorsberzugehen.
UIm was es sich handelt,
ist die politische Frage,
die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses des
Dr. Glanz. Es ist eine alte Taitik der christlichsozialen Partei
und daber auch des Herrn Glanz, in kleinen untergeordneten
Fragen oder zum mindesten in solchen, die mernorisch nicht wichtig
ind, zunächst kleine verjassungswidrige Vorentscheidungen zu
treffen, um sich dann bei wichtigen Anlässen auf ein Präjudiz
beruten zu können. Wir wissen, daß Sie die Absicht haben, in
den Ländern, in denen Sie die Majorität haben, den Landes¬
hauptmann zu einem selbstherrlichen Gebieter zu machen, der
vom Staate vollkommen unabhängig ist, gleichzeitig aber dort,
wo ein Sozialdemotrat als Landeshauptmann wirkt,
ihm gegenüber die sogenannte Staatsantorität,
das heißt hier die Autoriät eines christlichsozialen
Söldlings geitend zu machen. Dieser Politik werden
wir den entschiedensten Widerstand entgegensetzen. Wenn #s
O A K W S k. Er geh and Arnr in Peifron.
endlich die Gendaimen, auch die christlichsozialen Gendarmen in
Steiermark, sagen, der Mann ist ja nicht mehr unser Vor¬
gesetzter, er ist pensioniert, und ihm den Gehorsam
eiweigern. Und heute, da wir unmittelbur vor der
Gefahr stehen, daß alles, was in Steiermark gesetzmäßig be¬
wvaffnet ist, sich gegen die Regierung auflehnt und in den
Streik tritt, erklärt der Minister des Innern, er merde eine
„objektive Entscheidung“ in die Wege leiten. Er wird die Ent¬
cheidung wahrscheinlich an dem Tage treffen, bevor das
Ultimalum, das ihm die Beamten gestellt haben, abläuft.
Glauben Sie, daß ein Mann, der so handelt, fähig und
berusen
ist, auf diesem Posten zu sitzen?
Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Erkennen
Sie, Herr Dr. Glanz, denn nicht, daß Sie vielleicht viele Fähig¬
keiten haben, aber daß Ihnen die zur Leitung des Ministeriums
des Innein in so ernster Zeit mangeli? Sie sind vielleicht
ein ausgezeichneter Lneralurkenner und Aesthet, Sie mögen sich
berufen fühlen, Werturteile abzugeben über Schnitzler, Hofmanns¬
hal und den christ ichen Kernstuck, vielleicht könnten Sie auch schöne
Feuilleions über Theaterstücke schreiben
— und Sie haben
uns ja auch eine Probe dieser Kunst heute gegeben (lebhafte
Hei erkeit)
——
aber das sollten Sie erkennen, daß Sie auf dem
Posten eines Bundesministers unmöglich sind. Auch die
christlichsoziale Mehrheit hat alle Ursache, ernsthaft zu prüfen,
ob es zweckmäßig sei, einen großen Teil der Bevölkerung
Deutschösterreichs
durch die Zumutung des Herrn Glang zu provozieren.
Ich kann nur noch einmal sagen, ich bin der Ueber¬
zeugung, daß ein chrinlichsozialer ativer Politiker, der selbst
im Volle stände und aus dem Volke gewählt wäre an der
Stelle, die heute Herr Glanz einnimmi, Ent cheidungen in diesen
Fragen sich weit gründlicher überlegen und anders tressen
würde als Heir Glanz. Es ist ein schwerer Fehler, zu dem
vielen Unglück, das wir in Oesterreich haben, auch noch das
hinzuzufügen, daß man die Bevölkerung mit unsähigen
Beamten plagt. Was nun Wien beirifft, so wird
der Landeshauptmann und Bürgermeister von
Wien
gebührende
dem
Amwort
die
jeben. Ich glaube kaum, daß er seine Zuschrift zur
Kenninis nimmt. Wir kennen den Landeshauptmann von
Wien als einen sehr ruhigen, beionnenen Mann. Wenn Herr
Dr. Glanz diesen Verfassungskampf nun unternimmi,
dann werden wir ihn ausfechten. Wir werden daran
denken, was dei Stadt Wien ih größeren und wichtigeren
Fragen drohen könnte, wenn wir einmal gestatteten, daß ein
wichtiges Prinzip durchbrochen wird. Wir werden es nicht
dulden, daß die Arbeiterschaft in den übrigen Ländern einem
elbstherrlichen Landeshauptmann ausgeliefert ist, die Arbeiter¬
chaft von Wien aber einem selbstherrlichen christlich ozialen
Bundesminister. (Stürmischer Beifall bei den Sszialbemokraten.)
Ein Ordnungsruf und kein Ordnungsruf.
Präsident Dinghofer: Abgeordneter Seitz hat den
Minister für Inneres as einen unsähigen Beamten
bezeichnet. Ich halte das für eine Ungehörigkeit, für ein
Ueberschreiten der parlamentarischen Ausdrucksweise und rufe
den Abgeordneten Seitz deshalb zur Ordnung. (Lebhafter
Beifall bei den Christlichsozialen; lebhafter Widerspruch bei
den Sozialdemokraten.)
Dr. Bauer: Der Minister für Inneres hat in seiner
Rede eine Aeußerung gebraucht, die ich genau gehört habe.
Er sagte mit einer deutlichen und unzweidentigen
Spitze gegenüber der Kritik, die von unserer Partei an ihm
geübt worden ist. „Er überlasse das Urteil darüber allen an¬
tändigen Menschen.“ Diese Aeußerung wurde in einem Tone
und in einer Weise vorgebracht, die über ihren Sinn keinen
Zweifel übrig ließ. Der Präsident hat es nicht für notwendig
achtet, diese Beleidigung, die dei Minister einer großen Partei
des Hauses zugefügt hat, zu rügen. Auf Grund des § 76 der
Geschäftsordnung verlange ich, daß der Minister des Innern
zur Ordnung gerusen werde. (Lebhaster Beifall
bei den Sozialdemokraten.)
Präsident Dr. Dinghofer: Ich war während der Rede
des Ministers des Innern nicht anwesend und kann daher
auch ein persönliches Urteil darüber nicht abgeben. Soviel ich
aber aus den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Bauer ent¬
nehme, muß ich entscheiden, daß ich nicht in
der Lage bin, dem Herrn Minister wegen
dieser Aeußerung einen Ordnungsruf zu
erteilen.
Seitz: Ich finde es höchst sonderbar, daß der Präsident,
der saeben einen Ordnungsruf für einen Ausdruck erteilt hat,
den man vielleicht als eine Wertung von Fähigkeiten bezeichnen
kann, den Ordnungsruf gegenüber einem Ausdruck verweigert,
durch den die moralischen Qualitäten anderer in Frage gezogen
werden. Ich halte eine solche Entscheidung
für ganz un¬
zulässig. Man kann ein ganz anständiger Mensch sein,
ohne gerade die Fähigkeiten für irgend ein Umt zu besitzen,
ind es ist daher noch lange keine so schwere Beleidigung,
jemanden der Unfähigkeit zu ziehen, als wenn man sich in der
Argumentation gegen jemanden auf dee Zustimmung aller
anständigen Menschen beruft und ihn #o der Unanständig¬
Präsident Dr. Dinghofer: Ich habe keine Veranlassung,
eine andere Entscheidung zu neffen und beribe bei meiner ersten
Entscheidung. (Lebhafte Zwischenrufe.)