11.
Reigen
box 17/6
Areien Zelene Wie
Seite 3
12 Februar 1921
Das Verbot und die Antwort des
Bürgermeisters.
Der Erlaß des Herrn Glanz, der das Verbot des
„Reigen“ ausspricht, ist an den Magistrat als politische Lendes¬
behörde gerichtet und hat folgenden Wortlaut:
Mit der dortigen Entscheidung vom 12. Jänner 1921
wurde das Bühnenwerk „Reigen“, zehn Dialoge von Arthur
Schit###auf Einschreiten der Direktion des Deutschen
Volkstheaters in Wien nach Anhörung des
Zensurbeirates im Sinne des § 3 der Ministerial¬
verordnung vom 25. November 1850 zur Aufführung
zugelassen.
Die bisherigen Aufführungen dieses Bühnenwerkes
haben nun den Nachweis erbracht, daß seine Vorführung auf
seinet
von der Frage
der Bühne, ganz unabhängig
künstlerischen Bedeutung, eine arge Verletzung der öffent¬
lichen Sittlichkeit bedeutet. Nicht minder haben Kund¬
gebungen aus der Bevölkerung und zahlreiche Aeußerungen
der Tagespresse verschiedener Parteirichtungen dargetan, daß
die Aufführung des Werkes mit dem sittlichen Empfinden des
weilaus überwiegenden Mehrheit der Wiener Bevölkerung im
scharfen Gegensatz steht.
Das Bundesministerium für Inneres und Unterricht
daher bestimmt, die mitder eingangs
findet sich
ziierten Entscheidung erteilte Aufführungsbewilligung
außer Kraft zu setzen und im Grunde des § 5 der
obbezeichneten Ministerialverördnung die weitere Auf¬
führung des bezeichneten Bühnenwerkes
zu untersagen.
Der Bundesminister für Inneres und Unterricht: Glanz
Der Erlaß ist vom Donnerstag datiert und ist im
Magistrat erst Freitag eingelangt. Selbstverständlich hat Herr
Glanz schon am Donnerstag der „Reichspost“ die Mitteilung
gemacht, er muß doch seinen eigentlichen Auftraggeber sofort
verständigen. Im Wiener Landtag, der Freitag
Sitzung hielt, teilie Landeshauptmann Reumann mit, was
ei dem Herrn Glanz geantwortet habe. Die Sozialdemokraten
hatten nämlich durch Speiser einen Dringlichkeitsantrag ein¬
gebracht, worin nach Darlegung des Sachverhalts gesagt
wird, der Bürgermeister als Landeshauptmann wolle die
Autonomie Wien gegen jeden Eingriff der Bundesregierung
energisch wahren. In der Begründung des Dringlichkeits¬
antrages führie Speiser aus:
Das Verbot des Ministers für Inneres stellt den ersten
Versuch eines Eingriffs in die Aukonomie des Landes Wien
dar. Der Gegen and, an dem sich dieer Eingriff vollzieht, ist
für meinen Dringlich eitsantrag ohne Belang. Es handelt sich
durchaus nicht darum, daß sich etwa der Wiener Landtag als
eine Stelle für Theaterkritik auftue. Aver es ist notwendig,
daß wir uns in dem Augenblick, wo es eine Bundesregierung
zum erstenmal versucht, die Autonomie des Landes
Wien anzulasten, dagegen sosolt und
mit aller Energie zur Wehr setzen. Es ist
bekanm, daß meine Partei durch lange Zeit dafür ge¬
kämpft hat, daß die Bundesverfassung der Republik Oester¬
nuch zenralistischen Prinzizen eingerichtet werde,
reich
mußten uns schließlich fügen und der autonomistischen
Gestaltung der Republit uniere Zustimmung geben. Nun aber
sind wir selbstverständlich entschlossen, die autonomen
Rechte, die dem Lande Wien durch die Bundesvertassung
gewährleistet sind, zu verteidigen; wir werden nicht
zugeben, daß ein Bundesminister die Rechte dieses
freien und auionomen Landes und seines
Landeshauptmannes einsach wegeskamotiert.
Niemals hätte es dieser Herr Bundesminister gewagt, etwa mit
dem Herrn Landeshauptmann von Vorarlbeig oder Tirol so
zu verfahren, wie er es sich gegenüber dem Landeshauptmann
von Wien herausnimmt. Ich bin überzeugt, daß uns der
Bürgermeister als Landeshaup mann beruhigende Austünfte
darüber geben wird, was er zur Wahrung seiner Rechte und
der diechte des Landes Wien zu tun gedenkt. Indem wir diesen
ersten Angriff auf unsere Autonomie energisch abweisen, ver¬
teidigen wir unsere aulonomen Freiheiten für alle Zeit.
Zu dem Antrag sprach zuerst Frau Dr. Seitz=Motzko,
die sich natürlich nur mil der Unsittlichkeit dieses Stückes be¬
schäftigte, das sie dahin charakterisierte, es sei „eine Kenzession
auf die Geilheit eines auswärtigen Schiebertums“ Herr
Kunschak vervollständigte diese literarische K.itik, indem er das
Werk ein „Saustück“ nannte. Dann meinte er, es wäre besser,
den Sachverhalt erst zu prüfen.
Die Antwort des Landeshauptmannes.
Reigen
box 17/6
Areien Zelene Wie
Seite 3
12 Februar 1921
Das Verbot und die Antwort des
Bürgermeisters.
Der Erlaß des Herrn Glanz, der das Verbot des
„Reigen“ ausspricht, ist an den Magistrat als politische Lendes¬
behörde gerichtet und hat folgenden Wortlaut:
Mit der dortigen Entscheidung vom 12. Jänner 1921
wurde das Bühnenwerk „Reigen“, zehn Dialoge von Arthur
Schit###auf Einschreiten der Direktion des Deutschen
Volkstheaters in Wien nach Anhörung des
Zensurbeirates im Sinne des § 3 der Ministerial¬
verordnung vom 25. November 1850 zur Aufführung
zugelassen.
Die bisherigen Aufführungen dieses Bühnenwerkes
haben nun den Nachweis erbracht, daß seine Vorführung auf
seinet
von der Frage
der Bühne, ganz unabhängig
künstlerischen Bedeutung, eine arge Verletzung der öffent¬
lichen Sittlichkeit bedeutet. Nicht minder haben Kund¬
gebungen aus der Bevölkerung und zahlreiche Aeußerungen
der Tagespresse verschiedener Parteirichtungen dargetan, daß
die Aufführung des Werkes mit dem sittlichen Empfinden des
weilaus überwiegenden Mehrheit der Wiener Bevölkerung im
scharfen Gegensatz steht.
Das Bundesministerium für Inneres und Unterricht
daher bestimmt, die mitder eingangs
findet sich
ziierten Entscheidung erteilte Aufführungsbewilligung
außer Kraft zu setzen und im Grunde des § 5 der
obbezeichneten Ministerialverördnung die weitere Auf¬
führung des bezeichneten Bühnenwerkes
zu untersagen.
Der Bundesminister für Inneres und Unterricht: Glanz
Der Erlaß ist vom Donnerstag datiert und ist im
Magistrat erst Freitag eingelangt. Selbstverständlich hat Herr
Glanz schon am Donnerstag der „Reichspost“ die Mitteilung
gemacht, er muß doch seinen eigentlichen Auftraggeber sofort
verständigen. Im Wiener Landtag, der Freitag
Sitzung hielt, teilie Landeshauptmann Reumann mit, was
ei dem Herrn Glanz geantwortet habe. Die Sozialdemokraten
hatten nämlich durch Speiser einen Dringlichkeitsantrag ein¬
gebracht, worin nach Darlegung des Sachverhalts gesagt
wird, der Bürgermeister als Landeshauptmann wolle die
Autonomie Wien gegen jeden Eingriff der Bundesregierung
energisch wahren. In der Begründung des Dringlichkeits¬
antrages führie Speiser aus:
Das Verbot des Ministers für Inneres stellt den ersten
Versuch eines Eingriffs in die Aukonomie des Landes Wien
dar. Der Gegen and, an dem sich dieer Eingriff vollzieht, ist
für meinen Dringlich eitsantrag ohne Belang. Es handelt sich
durchaus nicht darum, daß sich etwa der Wiener Landtag als
eine Stelle für Theaterkritik auftue. Aver es ist notwendig,
daß wir uns in dem Augenblick, wo es eine Bundesregierung
zum erstenmal versucht, die Autonomie des Landes
Wien anzulasten, dagegen sosolt und
mit aller Energie zur Wehr setzen. Es ist
bekanm, daß meine Partei durch lange Zeit dafür ge¬
kämpft hat, daß die Bundesverfassung der Republik Oester¬
nuch zenralistischen Prinzizen eingerichtet werde,
reich
mußten uns schließlich fügen und der autonomistischen
Gestaltung der Republit uniere Zustimmung geben. Nun aber
sind wir selbstverständlich entschlossen, die autonomen
Rechte, die dem Lande Wien durch die Bundesvertassung
gewährleistet sind, zu verteidigen; wir werden nicht
zugeben, daß ein Bundesminister die Rechte dieses
freien und auionomen Landes und seines
Landeshauptmannes einsach wegeskamotiert.
Niemals hätte es dieser Herr Bundesminister gewagt, etwa mit
dem Herrn Landeshauptmann von Vorarlbeig oder Tirol so
zu verfahren, wie er es sich gegenüber dem Landeshauptmann
von Wien herausnimmt. Ich bin überzeugt, daß uns der
Bürgermeister als Landeshaup mann beruhigende Austünfte
darüber geben wird, was er zur Wahrung seiner Rechte und
der diechte des Landes Wien zu tun gedenkt. Indem wir diesen
ersten Angriff auf unsere Autonomie energisch abweisen, ver¬
teidigen wir unsere aulonomen Freiheiten für alle Zeit.
Zu dem Antrag sprach zuerst Frau Dr. Seitz=Motzko,
die sich natürlich nur mil der Unsittlichkeit dieses Stückes be¬
schäftigte, das sie dahin charakterisierte, es sei „eine Kenzession
auf die Geilheit eines auswärtigen Schiebertums“ Herr
Kunschak vervollständigte diese literarische K.itik, indem er das
Werk ein „Saustück“ nannte. Dann meinte er, es wäre besser,
den Sachverhalt erst zu prüfen.
Die Antwort des Landeshauptmannes.