1 1
Reigen
box 17/6
Wien, Samstag
Seite 4
An Stelle des Statthalters ift nun nach den Verfassungs¬
gesetzen der Landeshauptmann von Wien getreten. Ich werde
als Landeshauptmann von dem mit zustehenden Rechte um
kein Jotaabweichen. (Lebhafte Zustimmung bei den
Sozialdemokraten.) Das ist die Entscheidung und nun soll Herr
Glanz das Gesetz verletzen.
Die Auseinandersetzung war auch im Landtag sehr
lebhaft. Gegen Schluß der Rede des Landeshauptmannes ge¬
rieten die Christlichsozialen immer mehr in Wut. Die Sozial¬
demolraten rosen dem Bürgermeister am Schlusse seiner Rede
lebhafte Beifallsbezeigungen zu. Es werden Rufe laut: Nieder
mit der Regierung! Abzug Glanz! Bundesminister Glanz soll
in sein Ministerium als Praktikant eintreten und erst die Gesetze
lernen!
Der Antrag Speiser wurde mit ausreichender Mehrheit
der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.
Der weitere Verlauf.
Ger „Reigen“ ist Freitag abend in den Kammerspielen
aufgeführt worden und die Aufführung verlief, wie alle bis¬
herigen, ohne jeben Zwischenfall. Die Sache steht so, daß
Herr Glanz die weitere Aufführung wohl „untersagt“ hat,
diese Untersagung aber nur durch den Landes¬
hauptmann wirksam werden könnte. Denn
die Polizeidirektion als politische Behörde erster Instanz unter¬
steht natürlich nur dem Landeshauptmann (Statthalter):
ihr direkte Weisungen zu geben ist der Minister
des Innern nicht imstande, und wenn er sie
gäbe, so dürfte sie der Polizeipräsident, ohne sich einer schweren
Gesezesverletzung schuldig zu machen, nicht ausführen. Der
Landeshauptmann hat aber der zuständigen Magistrats¬
abteilung, die hier als Organ der Landesregierung sungiert,
den Auftrag erteilt, den Erlaß des Ministers an die Pollzei¬
direktion nicht weiterzugeben; dadurch ist er aber unaus¬
führbar geworden. Selbstverständlich hat auch dadurch
der Theaterdirektor keinen behördlichen Auftrag erhalten und
kann das Stück weiter aufführen. Der Herr Glanz hat nun die
Wahl, mit seinen Gesetzesverletzungen innezuhalten oder sie ##
steigern; die Untersagung, die er sich geleistet hat, wie jeden¬
falls keinen Ertrag haben.
tzung des Nationalrates.
16. Sitzung. Der Präsident eröffnet die Sitzung
¼12 Uhr vormittags.
Vorerst wird eine dringliche Anfrage des Abgeordneten
Dr. Hampel verhandelt, die die Vermögensbeschlagnahme der
österreichischen Schutz= und Alpenvereine zur Sprache bringt, die die
jugoslavische Regierung vornimmt. Die Hütten, die dem Deutschen
und Oesterreichischen Alpenverein gehören, werden zwangs¬
weise verkauft, ebenso Schulgebäude, die dem Deutschen Schul¬
verein gehören, und Forderungen, die der Sädmark in Steier¬
mark zustehen, werden eingetrieben. Der Schaden, der den
deutschen Vereinen zugefügt wird, geht in die Hunderte Mil¬
lionen. Bundeskanzler Dr. Mayr teilte mit, er habe in
Belgrad Vorstellungen erheben lassen. Die slovenische Regierung
habe darauf die Einstellung des gerügten Vorgehens der Sequester
versprochen. Die Belgrader Verhandlungen über die Aufhebung
der Sequestration seien bisher nicht über die Grötterung des
Verhandlungsprogramms hinausgediehen und sind bis zum
20. d. vertagt worden.
In den Ausschuß wegen der Kriegsanleihe¬
übernahme wurden die Abgeordneten Allina, Gidersch,
Kollmann, Partik und Pauli entsendet.
Dann wurden die zwei Militärgesetze erledigt,
über die wir an anderer Stelle berichten. Dann wurde eine
Novelle zum Spielabgabegesetz beschlossen. Be¬
kanntlich sind damals von der Abgabe die Orte mit zwei¬
tausend Einwohnern ausgeschlossen worden. Diese Ausschließung
wird nun aufgehoben. Die Geldstrafen auf dieses Gesetz fließen
fortan der Gemeinde zu, die sie vorweg für die Zwecke der
Fürsorge für die Kriegsbeschädigten zu verwenden hat. Eine
Entschließung des Abgeordneten Hölzl, wonach die Regierung
das Errägnis aus der Spielabgabe möglichst
K
Reigen
box 17/6
Wien, Samstag
Seite 4
An Stelle des Statthalters ift nun nach den Verfassungs¬
gesetzen der Landeshauptmann von Wien getreten. Ich werde
als Landeshauptmann von dem mit zustehenden Rechte um
kein Jotaabweichen. (Lebhafte Zustimmung bei den
Sozialdemokraten.) Das ist die Entscheidung und nun soll Herr
Glanz das Gesetz verletzen.
Die Auseinandersetzung war auch im Landtag sehr
lebhaft. Gegen Schluß der Rede des Landeshauptmannes ge¬
rieten die Christlichsozialen immer mehr in Wut. Die Sozial¬
demolraten rosen dem Bürgermeister am Schlusse seiner Rede
lebhafte Beifallsbezeigungen zu. Es werden Rufe laut: Nieder
mit der Regierung! Abzug Glanz! Bundesminister Glanz soll
in sein Ministerium als Praktikant eintreten und erst die Gesetze
lernen!
Der Antrag Speiser wurde mit ausreichender Mehrheit
der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.
Der weitere Verlauf.
Ger „Reigen“ ist Freitag abend in den Kammerspielen
aufgeführt worden und die Aufführung verlief, wie alle bis¬
herigen, ohne jeben Zwischenfall. Die Sache steht so, daß
Herr Glanz die weitere Aufführung wohl „untersagt“ hat,
diese Untersagung aber nur durch den Landes¬
hauptmann wirksam werden könnte. Denn
die Polizeidirektion als politische Behörde erster Instanz unter¬
steht natürlich nur dem Landeshauptmann (Statthalter):
ihr direkte Weisungen zu geben ist der Minister
des Innern nicht imstande, und wenn er sie
gäbe, so dürfte sie der Polizeipräsident, ohne sich einer schweren
Gesezesverletzung schuldig zu machen, nicht ausführen. Der
Landeshauptmann hat aber der zuständigen Magistrats¬
abteilung, die hier als Organ der Landesregierung sungiert,
den Auftrag erteilt, den Erlaß des Ministers an die Pollzei¬
direktion nicht weiterzugeben; dadurch ist er aber unaus¬
führbar geworden. Selbstverständlich hat auch dadurch
der Theaterdirektor keinen behördlichen Auftrag erhalten und
kann das Stück weiter aufführen. Der Herr Glanz hat nun die
Wahl, mit seinen Gesetzesverletzungen innezuhalten oder sie ##
steigern; die Untersagung, die er sich geleistet hat, wie jeden¬
falls keinen Ertrag haben.
tzung des Nationalrates.
16. Sitzung. Der Präsident eröffnet die Sitzung
¼12 Uhr vormittags.
Vorerst wird eine dringliche Anfrage des Abgeordneten
Dr. Hampel verhandelt, die die Vermögensbeschlagnahme der
österreichischen Schutz= und Alpenvereine zur Sprache bringt, die die
jugoslavische Regierung vornimmt. Die Hütten, die dem Deutschen
und Oesterreichischen Alpenverein gehören, werden zwangs¬
weise verkauft, ebenso Schulgebäude, die dem Deutschen Schul¬
verein gehören, und Forderungen, die der Sädmark in Steier¬
mark zustehen, werden eingetrieben. Der Schaden, der den
deutschen Vereinen zugefügt wird, geht in die Hunderte Mil¬
lionen. Bundeskanzler Dr. Mayr teilte mit, er habe in
Belgrad Vorstellungen erheben lassen. Die slovenische Regierung
habe darauf die Einstellung des gerügten Vorgehens der Sequester
versprochen. Die Belgrader Verhandlungen über die Aufhebung
der Sequestration seien bisher nicht über die Grötterung des
Verhandlungsprogramms hinausgediehen und sind bis zum
20. d. vertagt worden.
In den Ausschuß wegen der Kriegsanleihe¬
übernahme wurden die Abgeordneten Allina, Gidersch,
Kollmann, Partik und Pauli entsendet.
Dann wurden die zwei Militärgesetze erledigt,
über die wir an anderer Stelle berichten. Dann wurde eine
Novelle zum Spielabgabegesetz beschlossen. Be¬
kanntlich sind damals von der Abgabe die Orte mit zwei¬
tausend Einwohnern ausgeschlossen worden. Diese Ausschließung
wird nun aufgehoben. Die Geldstrafen auf dieses Gesetz fließen
fortan der Gemeinde zu, die sie vorweg für die Zwecke der
Fürsorge für die Kriegsbeschädigten zu verwenden hat. Eine
Entschließung des Abgeordneten Hölzl, wonach die Regierung
das Errägnis aus der Spielabgabe möglichst
K