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Reigen
box 17/6
ganz nach Berliner Pssr,
icht habe, freiwillig die Aufführungen einzu¬
stellen, sondern, zumel er das behördliche Verbot
noch nicht erhalten habe, sich an nichts zu kehren.
Der Polizeipräsident Schober befand sich in
der Zweifelslage, ob er einem Befehl der Regie¬
ung zu folgen habe, derf der Verfassung wider¬
spricht, da diese ausdrücklich Aufführungs=Erlaub¬
nis und =Verbot als zur Kompetenz der Landes¬
hauptleute der einzelnen Länder gehörig bezeich¬
net, der sozialdemokrafische Bürgermeister von
Wien, Neumann, aber in seiner Eigenschaft
als Landeshauptmann won Wien, gestützt auf das
Gutachten der Zensur=Beiräte, die Ermächtigung
zur Aufführung des „Reigen“ gegeben hatte.
In der Sitzung des Nationalrates brachten die
Sozialdemokraten eine dringliche Anfrage ein, in
der es heißt: „Das Verbot der Bundesregierung
stelle einen verfassungswidrigen Eingriff dar. Es
werde die Frage gestellt, ob der Bundesminister
des Innern seinen verfassungswidrigen Erlaß so¬
fort zurückziehen wolle.“
Bereits bei Vorlesung des Antrages drängten
sich die christlich=sozialen und sozialdemokratischen
Abgeordneten sehr erregt vor die Ministerbank
Leuthner bezeichnet das Verbot als einen glatten
Verfassungsbruch. Der Minister des Innern
—
Dr. Glanz, der ein sehr rückschrittlicher und
habsburgischer Beamter ist, be¬
wie es heißt —
tonte in seiner Antwort, daß sich zahlreiche Stim¬
men gegen die Aufführung des Stückes erhoben
hätten.
Zwischenrufe ertönten: „Wo haben Sie solche
Stimmen gelesen?“
Abg. Seitz: „Woher wissen Sie das?“
Abg. Mataja: „Der Präsident Seitz als
Radaumacher!“
Abg. Leuthner: „Sprechen Sie doch über
die Verfassungsfrage! Ihre Ansicht über das
Stück interessiert uns nicht!“
Dr. Glanz: „In diesem Stück werden Vor¬
gänge auf die Bühne gebracht, die auch bei den
kulturell tiefstehenden Völkern gewöhnlich mit
einer gewissen Diskretion behandelt werden.“
Abg. Witternig: „Nicht mogeln! Ist das
eine Rezension für ein reaktionäres Blatt?“
Minister Dr. Glanz: „Ich überlasse die Ber
urteilung meines Vorgehens allen anständigen
Leuten.“
„So
Sozialdemokratische Entrüstungsrufe:
sind wir vielleicht keine anständigen Leute?!“
Die Abg. Zelonka und Witternig
drängen zur Ministerbank und hauen mit den
Fäusten auf den Tisch. Andere Abgeordnete
eilen protestierend hinzu und schreien den
Minister an: „Hinaus mit ihm! — Das ist eine
Beleidigung, das lassen wir uns nicht gefallen!“
Es wird versucht, den Minister mit Gewalt
von seinem Platze zu drängen. Die Christlich¬
Sozialen eilen ihm zu Hilfe. Der christlich¬
soziale Abg. Pischitz stößt mit der Faust den
sozialdemokratischen Abg. Sewer heftig gegen
den Kopf, worauf die Sozialdemokraten mit er¬
hobenen Fäusten gegen die Kollegen von rechts
losgehen und nur mit Mühe von den Ordnern
zurückgehalten werden können.
Erst als der Sozialdemokrat Seitz zu reden
beginnt, tritt einige Ruhe ein und die Erregung
flaut ab. Nach ein paar Ordnungsrufen wird
die Sitzung vertagt.
Nach Schluß der Sitzung erwarteten einige
sozialdemokratische Abgeordnete, geführt von
Zelenka, den Minister Dr. Glanz, anscheinend,
um mit ihm einen etwos schmerzlichen Reigen
aufzuführen, aber die Christlich=Sozialen bildeten
eine Art Leibgarde und brachten den Retter der
Moral in Sicherheit.
*
Die Abreise sämtlicher in Wien befindlichen
remdländischen Ueberwachungskommissionen ist
für den 20. Februar festgesetzt worden.
Reigen
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ganz nach Berliner Pssr,
icht habe, freiwillig die Aufführungen einzu¬
stellen, sondern, zumel er das behördliche Verbot
noch nicht erhalten habe, sich an nichts zu kehren.
Der Polizeipräsident Schober befand sich in
der Zweifelslage, ob er einem Befehl der Regie¬
ung zu folgen habe, derf der Verfassung wider¬
spricht, da diese ausdrücklich Aufführungs=Erlaub¬
nis und =Verbot als zur Kompetenz der Landes¬
hauptleute der einzelnen Länder gehörig bezeich¬
net, der sozialdemokrafische Bürgermeister von
Wien, Neumann, aber in seiner Eigenschaft
als Landeshauptmann won Wien, gestützt auf das
Gutachten der Zensur=Beiräte, die Ermächtigung
zur Aufführung des „Reigen“ gegeben hatte.
In der Sitzung des Nationalrates brachten die
Sozialdemokraten eine dringliche Anfrage ein, in
der es heißt: „Das Verbot der Bundesregierung
stelle einen verfassungswidrigen Eingriff dar. Es
werde die Frage gestellt, ob der Bundesminister
des Innern seinen verfassungswidrigen Erlaß so¬
fort zurückziehen wolle.“
Bereits bei Vorlesung des Antrages drängten
sich die christlich=sozialen und sozialdemokratischen
Abgeordneten sehr erregt vor die Ministerbank
Leuthner bezeichnet das Verbot als einen glatten
Verfassungsbruch. Der Minister des Innern
—
Dr. Glanz, der ein sehr rückschrittlicher und
habsburgischer Beamter ist, be¬
wie es heißt —
tonte in seiner Antwort, daß sich zahlreiche Stim¬
men gegen die Aufführung des Stückes erhoben
hätten.
Zwischenrufe ertönten: „Wo haben Sie solche
Stimmen gelesen?“
Abg. Seitz: „Woher wissen Sie das?“
Abg. Mataja: „Der Präsident Seitz als
Radaumacher!“
Abg. Leuthner: „Sprechen Sie doch über
die Verfassungsfrage! Ihre Ansicht über das
Stück interessiert uns nicht!“
Dr. Glanz: „In diesem Stück werden Vor¬
gänge auf die Bühne gebracht, die auch bei den
kulturell tiefstehenden Völkern gewöhnlich mit
einer gewissen Diskretion behandelt werden.“
Abg. Witternig: „Nicht mogeln! Ist das
eine Rezension für ein reaktionäres Blatt?“
Minister Dr. Glanz: „Ich überlasse die Ber
urteilung meines Vorgehens allen anständigen
Leuten.“
„So
Sozialdemokratische Entrüstungsrufe:
sind wir vielleicht keine anständigen Leute?!“
Die Abg. Zelonka und Witternig
drängen zur Ministerbank und hauen mit den
Fäusten auf den Tisch. Andere Abgeordnete
eilen protestierend hinzu und schreien den
Minister an: „Hinaus mit ihm! — Das ist eine
Beleidigung, das lassen wir uns nicht gefallen!“
Es wird versucht, den Minister mit Gewalt
von seinem Platze zu drängen. Die Christlich¬
Sozialen eilen ihm zu Hilfe. Der christlich¬
soziale Abg. Pischitz stößt mit der Faust den
sozialdemokratischen Abg. Sewer heftig gegen
den Kopf, worauf die Sozialdemokraten mit er¬
hobenen Fäusten gegen die Kollegen von rechts
losgehen und nur mit Mühe von den Ordnern
zurückgehalten werden können.
Erst als der Sozialdemokrat Seitz zu reden
beginnt, tritt einige Ruhe ein und die Erregung
flaut ab. Nach ein paar Ordnungsrufen wird
die Sitzung vertagt.
Nach Schluß der Sitzung erwarteten einige
sozialdemokratische Abgeordnete, geführt von
Zelenka, den Minister Dr. Glanz, anscheinend,
um mit ihm einen etwos schmerzlichen Reigen
aufzuführen, aber die Christlich=Sozialen bildeten
eine Art Leibgarde und brachten den Retter der
Moral in Sicherheit.
*
Die Abreise sämtlicher in Wien befindlichen
remdländischen Ueberwachungskommissionen ist
für den 20. Februar festgesetzt worden.