II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 521

11.
Reigen
WVien, Sametag
erspiele geht, braucht, wofern er
ner, reifer, ethisch gefestigter Mensch
zu befürchten; und die es nicht
ohnehin nicht mehr „verdorhen“
und
In zahlreichen Theatern
slokalen wurden und werden Stücke,
und Dialoge aufgeführt, Lieder
d Tänze getanzt, die, ganz frei
Art literarischen Beigeschmacks,
wirksamere Spekulation auf
die
sind, als der hervorragende Dichter,
schrieb, sie heabsichtigte.
Reigen“
oder die Direktion der Kammerspiele
such der „Reigen“=Aufführungen durch
wie es bei den Kinodarbietungen
ktersagen können, das wäre eine aus¬
aßregel zum Schutz der Sittlichkeit
das Verbot nach erfolgter Frei¬
etlichen Aufführungen des Stückes
ht österreichische Halbheit und Un¬
soll beileibe keine Apologie des
8 Theaterstückes und kein Beweis
daß etwa künstlerische oder literarische
Aufführung dieser Dialoge recht¬
r auraten; es soll nur erklären, wie
konnte, daß anständige, sittlich sicher¬
inwandfreie, literarisch nicht hyper¬
ind politisch durchaus nicht radikale
iten, wie die drei Mitglieder des
die den „Reigen“ freigaben, in
tes,
üihrung keine Gefahr erblickten. Da
ber von der einen Instanz einmal
war, so durften nicht politische oder
e maßgebend sein, daß es von einer
wie behauptet wird, nicht
nd
Instanz verboten wurde, schon
weil Verfassungskonflikte in diesen
pt.
als je vermieden werden müssen
ir uns mit der Aufrollung solcher
eiten just in diesen kritischesten
iseres Staates vor der ganzen Welt
die von den Vorfällen des
Tages nur mit größter Ver¬
Kenntnis nehmen wird. Zwischen den
nd den Anhängern der „Reigen“=Auf¬
stehen, was immer man sagen mag,
nnschauungen. Mit der Frage: Jort¬
Reaktion hat die Angelegenheit trotz
s von beiden Seiten nichts zu tun.
Affäre, bei der starres Beharren auf
undpunkten keinem der beiden Teile
sein sollte, sondern in der ein ver¬
und rascher Vergleich gefunden werden
haben andere Sorgen und größere
ige Meuterei der
eslolle.
Gen Oi
terer marschieren auf Peters¬
burg.
s, 11. Februar. Ueber Kopenhagen werden
dt gewaltige Meutereien der
en Ostseeflotte gemeldet. Die
marschieren angeblich au
burg.
von Deutschen aus der
Tschecho=Slowakei.
, 11. Februar. (Privat=Devesche.)
hat heute einen Erlaß herausgegeben,
ung
box 17/6
12.
190 Nr. 42
Iiustricf
„Reigen“=Skandal im Nationalrak.

inder Läge sei, von seiner erstan
Am Schluß der Sitzung des Nationglrates, nach
Entschesdung abzugehen.
Erledigung der Tagesördnung, brachte der sozialdemo¬
Aus Rücksichten der öffentlichen Sittlichkeit sab
kratische Abg. (Deuhner eine Aufrage wegen des
sich nun das Mmisterium veranlaßt, die weiteren
Verbotes des Reiden“ ein, das er als verfassungs¬
des „Reigen zu
Aufführungen
widrig bezeichnee In der darauf folgenden Rede des
untersalgen. (Zwischenrufe.)
Ministers des Innern, in der er die Gründe darlegte,
Prässdent mahnt zur Ruhe.
die ihn zum Verbot veranlaßten, kam es zu äußerst
Bundesminister Dr. Glanz: Es handelt sich
um ein Stuck, dessen Leitmotiv eine Sache
stürmischen Szenen, zu bedrohlichen Anempelungen
ildet, die bei allen Völkern, selbst solchen, die sich aus
des Ministers und schließlich beinahe zu einem Hand¬
niederen Stufen der Zivilisation befinden, mit einer
gemenge zwischen Sozialdemokraten und Christlich¬
ewissen Diskretion umgeben wird. Die
sozialen. Schließlich aber besänftigten sich die Ge¬
Vorgänge,
müter, und da die Uhr bald zwei schlug, gingen alle
den Kern des Stückes
friedlich zum Speisen.
bilden, sind durchaus eindeutiger
Die dringliche Anfrage der Sozial¬
Die dehltsche Kultur in Oesterreich
demokraten.
zwiß keinen Schaden leiden,
wird g
ie Schaustellung solcher Vor¬
wennd
Abg. Leuthner und Genossen überreichen
auf offener Bühne unter¬
gänge
folgende dringliche Anfrage: Das Verbot des Theaier¬
(Stürmischer Beifall bei den Christlich¬
bleibt.
verfassungs¬
stückes „Reigen“ stellt einen
Heftige Gegenrufe bei den Sozialdemo¬
ozialen.
wiorigen Eingriff der Bundesregierung in
Lärm.
kraten.
die Rechtedes Landes Wien dar da zur
Abg. Dr. Bauer: Es handelt sich um eine
Ausübung der Theaterzenur in Wien ausschließlich
Verfassungsfrage. Das, was Sie sagen hat mit der
der Landeshauptmann von Wien befugt
ung nichts zu tun. (Fortgesetzte Zwischenrufe.)
Verfa
ist. Das Verbot beweist, daß der Regierung das
Bundesminister Dr. Glanz: Ich glaube auch
Diktat der Klerikalen höher steht, als die
nicht, daß die dreiten Massen der Wiener Bevölkerung,
Bestimmungen der Verfafsung. Es wird die Frage ge¬
die einen schweren Existenzkampf führen, es als Ver¬
stellt, ob der Minister für Inneres den verfassungs¬
lust betrachten würden, wenn einer
widrigen Erlaß sofort zurückziehen wolle.
kleinen Zahl frivoler Genießer
Angriffe gegen den Minister.
dieses dem sittlichen Empfinden und dem Ernste der
Abg. Zeuthner (Sozialdemokrat): Stücke wie
Zeit widersprechende Vergnügen entzogen wird.
der „Reigen werden in zahlreichen Fallen aufgeführt
Abg. Witternigg (Sozialdemokrat): Das ist
Rufe bei den Christlichsozialen: Wo denn 2), ohne
iquori=Moral. (Heftige Gegenruf= bei den Christlich¬
einen Anstoß bei frommen Gemütern zu er¬
irgend
Andauernder Lärm.)
ozialen.
zum Beispiel im Josefstädter=Theater, die sich
regen,
Bundesminister Dr. Glanz: Die Regierung
die
om „Reigen“ dadurch unterscheiden, daß ihnen
öffent!
der
alaubt sich bei dieser Verfügung
es
letzte Spur künstlerischer Absicht fehlt. Hier handelt
Meinung in Wien und Niederönterreich in Ueberein¬
ich aber lediglich um die gesetzliche Seite.
timmung. Da seitens des Magistrates den Verhälte
Nach dem Bundesverfassungsgesetz steht dem Landes¬
nissen, wie sie sich nach Aufführung des „Reigen
— in diesem Falle dem Bürger¬
hauptmann
haben, nicht Rechnung getragen wurde.
gestaltet
die Entscheidung 3u,
neister von
den geltenden Kompetenzbestimmungen.
es nach
gegen die, wenn sie einmal in beighendem Sinne erfolg
die Theaterangelegenheiten dem Ressort des
st, eine Entscheidung der Regierung gar nicht an¬
meine
des Innern zuweisen, mein Recht und
steriums
gesufen werden kann. Redner wurft dem Minister
die weiteren Aufführungen zu untersagen.
Pflicht,
Bedientenhaftigkeit gegenüber den
Auf die gegen mich gerichteten Bemerkungen
bristlichsozialen Parteiführern vor.
will ich nicht näher eingehen. Ich glaube das Urtell
In der wurdelosesten, widerwartigsten
mein Wirken getrost jedem anständig
über
Form, in geradezu ekelhaften, lakgien¬
denkenden Menschen überlassen zu können.
bei den
näßigen Formen (Zustimmung
Sozialdemokraten. — Lachen bei den Christlichsozialen)
Drohendes Handgemenge.
geschehe dies von einem Manne, der von dem Gefühl
Die letzten Worte des Ministers entfesselten einen
erfüllt ist, daß er nur deshalb Minister wurde, um den
Sturmibei den Sozialdemokraten. Die Abgeordneten
Christlichsozialen Gefälligkeiten zu erweisen.
Pölzer und
Zelenka, Witternigg
Abg. Dr. Bauer (Sozialdemokrat): Und als
Widzolz stürzen zur Ministerbank und hauen
Kandidat für den Landesamtsdirektor von Steiermark.
P
des
nit den Fäusten auf
Dr. Glanz! Andere Parteigenossen drängen
Dr. Glanz begründet das Verbot.
nach. Stürmische Rufe: „A
ihnen
Bundesminister Dr. Glanz: Schon vor der
Hinaus mit ihm! Diese Beleidigung lassen
Zulassung der Aufführung des „Reigen, die durch den
ins nicht gefallen!“
wir
ist, hat der Polizei¬
gistrat erfolgt.
Jetzt drangen auch Christlichsoziale zur Minister¬
räsident beim Bürgermeister auf die schweren
p
bank, um dem Minister, der ruhig auf seinem Platze
Bedenken gegen die Aufführung aufmerksam
sitzt, gegen etwaige Angriffe eine Schutzaarde zu bilden.
gemacht. Der Magistrat hat dessen ungeachtet nach
Dabeigeraten sie stark gnemander, Schließlich kommt es
Anhörung des Zeusurbeirates die Aufführung zugelassen.
tobendem Lärm
uinter
(Zwischenrufe.) Die Aufführung des Stuckes gab als¬
zu einem Zusammenstoß.
balo zu lebhaften Exörterungen in
der Oeffentlichkeit Anlaß,
sieht plötzlich die Faust des Chiistlichsozialen
Man
Abg. Pis (Sozialdemokrat): In der „Reichs¬
den
Pi
chitz einen Schlag gegen
post!“ (Zwischemufe bei den Sozialdemokraten; Gegen¬
Kopf des ehemaligen Landeshaupte
rufe bei den Christlichsozialen. Lärm.)
maines Sever führen. Es ist nicht sicher.
Bundesminister Dr. Glanz: Hiebei sprach sich
ob de Schlag ein absichtlicher oder zufälliger war. Die
die weit überwiegende Mehrzahl der offentlichen
Sozialdemokraten halten ihn für absichtlich und wollen
Ssimmen
sich auf Pischitz stürzen. In dieser kritischen Situation
Abgeordneter Seitz: Wo haben Sie das ge¬
gelingt es endlich den Abgeordneten Dinghofer. Forster,
Sie uns das nach! (Lärm.)
weisen
zählt,
Fink und anderen, sich zwischen die einander bedrohenden
Bundesminister Dr. Glanz: ... dahin aus,
Grutpen zu werfen und sie voneinander zu treunen.
daß die Aufführung eine
Der Präsident bedauert.
arge Verletzung der öffentlichen Sitt¬
Präsiden: Dr. Weiskirchner kann sich endlich
lichkeit
Gehh verschaffen. Er sagt: Ich muß uber diese
ualifizierbaren Vorgänge mein
der Bevölkerung und
ung
bedeute. Kundgehungen aus
tiesstes Bedauern ausdrücken. (Beifall.
zahlreiche Artikel der Presse verschiedener Richtung
Anhätende Zwischenrufe und Lärm.) Durch solche
ließen erkennen, daß diese Vorführungen mit
Vorg#nge wird die Würde des Hauses
sittlichen Empfinden weiter
dem
aufs tiefste geschädigt.
Kreise der Wiener Bevölkerung in
Die Debatte kann fortgesetzt werden, aber der
stehen. (Lebhafter
isc
arfem Ge
Hnngnernben K

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