II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 526

11.
Reigen
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Wien, Samstag
Oesterreich nie erlebt worden, daß ein Minister
über den Kopf des Statthalters etwas angeordnet
hätte, was das Gesetz dem Statthalter vorbehält, und
Herr Glanz erfrecht sich der Anordnung über den
Kopf des Landeshauptmannes hinweg, der nicht, wie ein
Statthalter, ein ernannter Beamter, viel¬
mehr die von dem selbständigen Lande gewählte
Landsregierung ist! Einfach lächerlich ist
die Berufung auf die Paragraphen der neuen Ver¬
fassung, die in Wahrheit nur bestimmen, daß der
Landeshauptmann „in den Angelegenheiten der un¬
mittelbaren Bundesverwaltung an die Weisungen der
Bundesregierung gebunden ist“; zu der unmittelbaren
Bundesverwaltung gehört aber das Theaterwesen nicht
der Minister hat da also zu „Weisungen“ kein Recht,
Und selbst nach diesen Paragraphen kann der Minister
nur dem Landeshauptmann Weisungen geben, nicht
aber, diese Weisungen selbst wirksam machen. Des¬
halb hat Reumann den zudringlichen Minister an
die Grenzen seiner Befugnisse mit Recht erinnert
und mit Nachdruck erklärt, daß seine „Untersagung
ungesetzlich sei, weshalb der Magistrat beauf¬
tragt wird, mit der Durchführung des Glanzschen
Erlasses innezuhalten... Wenn ein Minister etwas
anordnet, wozu er kein Recht hat, ist der Landes¬
hauptmann nicht verpflichtet, die Anordnung zu be¬
achten. Der Landeshauptmann von Wien wird sie
auch nicht beachten.
Das ist die Rechtslage, und daraus geht hervor,
daß der Minister des Innern eine Gesetzverletzung
begangen hat, die einem bewußten Bruch der Bundes
verfassung gleichkommt. Die Sozialdemokraten sind über
fest entschlossen, die Rechte der Stadt Wien nicht an¬
tasten zu lassen.
Die Prodolation
hr
Die Debatte im Nationalrat.
Der Minister des Innern hat das klerikale Diktat
zu Ende gebracht und mit einem Erlaß an den Wiener
Magistrat die Zulassung der Aufführung des „Reigen“
von Arthur Schnitzler außer Kraft gesetzt und die
weitere Aufführung verboten. Dieser Vorstoß der
christlichsozialen Regierung gegen die Landesaukonomie
Wiens hat im Nationalrat seinen Widerhall in
einer Debatte gesunden, die durch die dring¬
liche Anfrage der Abgeordneten Leuthner und
Genossen hervorgerufen wurde und die von beftigen
Sturmszenen begleitet war. Aber diese Sturm¬
szenen, die sich bis zu Tätlichkeiten steigerten, haben—
und das muß ausdrücklich beiont werden — ihre
Wildheit nicht empfangen aus der Stimmung des
Hauses, sondern aus dem im höchsten Grade würdelosen
und zuchtlosen, ja geradezu ungezogenen Benehmen des
Ministers Glanz der mit dem rechten Uebereiser
des Bedienten der Christlichsozialen die Dreistigkeit
seines Erlasses durch die bewußte Dreistigkeit seiner
Rede noch überbot. Als der Abgeordnete Leuthner
die dringliche Anfrage begründete, ging die Bewegung
des Hauses nirgends über die natürlichen Aeußerungen
erregter Teilnahme und erregten Widerspruches hinaus.
Und Leuthner hat wahrlich in der Schärse des Aus¬
drucks, mit dem er das Charakterbild des Ministers
umriß, und in der drastischer. Entschiedenheit der Worte,
mit beien ir dhe Wa der Kbrilchigle
ün Wher UUhr u Inr Prirnemungen¬
Verfassung. Gs wird die Frage gestellt, ob der Minister 19
Znneres den verfassungswidrigen Erlaß über das Ver
der Aufführung des „Reigen“ sofort zurückziehen wolle.
Die Anfrage gelangte sofort zur Verhandlung.
Leutöner (Soz.)
führt aus, er wolls sich durchaus nicht in eine Diskufsten ###
sthetische oder eihische Fragen einlassen und ger nicht fragen
was der
„Reigen“ künstlezisch und rihisch bebeute. Wollte ma
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