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begangen hat, die einem bewußten Bruch der Bundes¬
verfassung gleichkommt. Die Sozialdemokraten sind über
fest entschlossen, die Rechte der Stadt Wien nicht an¬
tasten zu lassen.
Die Provolation und ihr Echo.
Die Debatte im Nationalrat.
Der Minister des Innern hat das klerikale Diktat
zu Ende gebracht und mit einem Erlaß an den Wiener
Magistrat die Zulassung der Aufführung des „Reigen“
von Arthur Schnitzler außer Kraft gesetzt und die
weitere Aufführung verboten. Dieser Vorstoß der
christlichsonalen Regierung gegen die Landesautonomie
Wiens hat im Nationalrat seinen Widerhall in
einer Debatte gesunden, die durch die dring¬
liche Anfrage der Abgeordneten Leuthner und
Genossen hervorgerufen wurde und die von heftigen
Sturmszenen begleitet war. Aber diese Sturm¬
szenen, die sich bis zu Tätlichkeiten steigerten, haben —
und das muß ausdrücklich beiont werden — ihre
Wildheit nicht empfangen aus der Stimmung des
Hauses, sondern aus dem im höchsten Grade würdelosen
und zuchtlosen, ja geradezu ungezogenen Benehmen des
Ministers Glanz der mit dem rechten Uebereiser
des Bedienten der Christlichsozialen die Dreistigkeit
eines Erlasses durch die bewußte Dreistigkeit seiner
Rede noch Überbot. Als der Abgeordnete Leuthner
die dringliche Anfrage begründete, ging die Bewegung
des Hauses nirgends über die natürlichen Aeußerungen
erregter Teilnahme und erregten Widerspruches hinaus.
Und Leuthner hat wahrlich in der Schärfe des Aus¬
drucks, mit dem er das Charakterbild des Ministers
umriß, und in der drastischen Entschiedenheit der Worte,
mit denen er die tückische Politik der Christlichsozialen
bei allgemein herrschender Landesanarchie just das
sozialdemokratische Wien der Willkür verfassungs¬
brecherischer Minister ausliefern zu wollen, kennzeichnete
nichts zu wünschen übrig gelassen. Doch weder während
einer Rede noch während des ersten Teiles der Rede des
Ministers gab es eigentlich Sturmszenen; der Sturm
brach erst los, als Glanz in seinem Schlußwort die
namenlose Unverschämtheit beging, einer großen Parte
des Hauses, der Sozialdemokratie, die Anständigkeit
abzusprechen. Dies wirkte um so aufreizender, als Glanz
die ganze Rede verlas; der erste Teil, das Werk seiner
Kanzlei, wurde durch Beschimpfungen eigener Mache
gekrönt, die sich der auch in der Redekunst minder¬
wertige Herr sorgfältig mit dem Bleistift vorher
notiert hatte.
Als nun die Sozialdemokraten die unerhört
Flegelei des Ministers mit zornigen Zurufen und Vor¬
dringen gegen die Ministerbank beantworteten, stürzte
sich der Heerbann der christlichsozialen Ministerschützer
heran, es entstand ein Gedränge, ein Wogen, ein Stoßen.
Ein Stoß, den der Abgeordnete Pischitz, wie er
behauptet, zufällig, gegen Sever führte, brachte den
Lärm auf den Gipfel. Doch nicht die Aeußerlichkeit
dieser Vorgänge, sondern die berechtigte Empörung
über das von allen Anstandsbegriffen befreite Ver¬
halten des Ministers beherrschte die Bewegung
des Hauses, die denn auch nicht aufhörte,
als die scheidende Ordnerkette dem anhebenden
Handgemenge ein Ende setzte, die sich über den unglück¬
lichen christlichsozialen Redner Volker ergoß, obwohl das
pathetische Nichts, das dieser leere Schwätzer vorbrachte,
die Gemüter höchstens zum Lächeln oder zum
Gähnen hätte veranlassen können. Herr Volker hat
ich diesen schönklingenden Namen erst nachträglich
beilegen lassen und früher auf den weit wenigen
germanisch klingenden Namen Strepitschka gehört.
Trotzdem unterläßt er keine Gelegenheit, den echten
deutschen Mann herauszubeißen und tat es heute mit
besonderer Nachdrücklichkeit. Es war deshalb gut und
nützlich, daß er von Weber an die Klänge des ihm
von Kindesbeinen auf wohl vertrauteren Väteridioms
erinnert wurde.
—u gögel sir uis dir Destintalungen rt
Verfassung. Ge wird die Frace gestellt, ob der Minister für
Inneres den verfastungswidrigen Grlaß über das Verbot
der Aufführung des „Reigen“ sofort zurückziehen wolle.
Die Aafrage gelangte sofort zur Verhandlung.
Leuthner (Soz.)
führt aus, er wolle sich durchaus nicht in eine Diskussion über
ästhetische oder ethische Fragen einlassen und gor nicht fragen
was der „Reigen“ künstlerisch und ethisch bedeute. Wollte man
die Frage beurteilen, was der „Reigen“ Meissierisch oder ethisch
bedeuse, so würde sich herausstellen, daß Stücke wie der
„Reigen“ in zahlreichen Fällen ausgeführt werden (Ruse bei
den Christlichsozialen: Wo denn ?), ahne irgend einen Anstotz
bei frommen Gemülern zu erregen, wie beispielswelse Stücke
m Josefstädter Theater, die sich vom „Reigen“ badurch umer¬
scheiben, daß ihnen die letzte Spur lünstlerischer Absicht fehlt.
s handelt sich hier lediglich um
die rein gesetzliche Seite der Angelogenheit.
Nach dem Bundesverfassungsgesetz steht dem Landeshaupt¬
mann — in diesem Falle dem Bürgermeister von Wien — die Eni¬
scheidung nach der Theatervezordnung vom Jahre 1850 zu,
gegen die, wenn sie einmal in bejahendem Sinne erfolgt ist,
eine Entscheidung der Rezierung garnicht angerunen
werden kann. Nur in dem Fall, wenn sie verneinendeist,
ist eine Berufung an die Regierung möglich. In diesem Falle
ist nun eine besahende Entscheidung erfolgt, die Re¬
gierung hat aber trotzdetn in der Person des Ministers Glanz
eingegrissen. Die Angelegenheit bekommt badurch einen anderen
Geschmack, daß es dieselbe Regierung ist, die sich
allen anderen Landeshauptleuten gegenüt## vollständig
tatenlos verhält.
(Zustimmung bei den Sozialdemotraten.) Derr Glanz wird es
überhaupt nicht wagen, sich in irgend welche Verfügungen der
Landeshauptleute einzumengen. (Lebhafte Zustimmung bei den
Sozialdemokraten.) Denn diese stehen ihm als chrißtlich¬
oglale Parteiführer
gegenüber, vor denen er
ich eben o bedientenhaft benimmt wie vor den Parteiführern
der Christlichsozialen im Hause. Ich verweise dabei auf ein
anderes Beispiel: In Steiermark droht der Streik der Gen¬
darmen, weil diese die Entfernung des Herrn Peinlich fordern.
Dieser darf aber nicht entfernt werden,
weil Landeshauptmann Rintelen darin eine Prestige¬
frage erblickt
und es nicht gestattet! Nach der Verfassung hat aber Herr
Rintelen in dieser Frage gar nichts dreinzureden, sondern
nur der Bundesminister Glanz, denn die Gendarmerie ist
Bundessache! Wir stehen vor einer Regierung, die sich um
die Verfassung nicht kümmert, sondern die Betwaltung führt
ausschließlich nach den Gefälligkeiten, die sie der Partei erweist.
in deren Dienst sie arbeitet. (Lebhafter Beifall bei den
Sozialdemolraten.) Wir sind an den Begriff einer Parteiregierung
gewöhnt. Aber hier wird
offenkundig der Wortlaut des Gesetzes verletzt,
und das geschieht in der würdelo esten, widerwärtigsten Form,
nicht von einem wirklichen Vertreter der regierenden Partei,
ondern von einem Bedienten derselben (lebhafter
Beifall bei den Sozialdemoiraten), der sich durch sein Auf¬
treten im Hause und in den Aemtern, in denen er wirksam
ist, in geradezu eielhaftesten, lakaien¬
mäßigen Foxmen (lebhaite Zustimmung bei den
Sozialdemokraten) als ein Mensch beläligt, der sich die Ehie
begangen hat, die einem bewußten Bruch der Bundes¬
verfassung gleichkommt. Die Sozialdemokraten sind über
fest entschlossen, die Rechte der Stadt Wien nicht an¬
tasten zu lassen.
Die Provolation und ihr Echo.
Die Debatte im Nationalrat.
Der Minister des Innern hat das klerikale Diktat
zu Ende gebracht und mit einem Erlaß an den Wiener
Magistrat die Zulassung der Aufführung des „Reigen“
von Arthur Schnitzler außer Kraft gesetzt und die
weitere Aufführung verboten. Dieser Vorstoß der
christlichsonalen Regierung gegen die Landesautonomie
Wiens hat im Nationalrat seinen Widerhall in
einer Debatte gesunden, die durch die dring¬
liche Anfrage der Abgeordneten Leuthner und
Genossen hervorgerufen wurde und die von heftigen
Sturmszenen begleitet war. Aber diese Sturm¬
szenen, die sich bis zu Tätlichkeiten steigerten, haben —
und das muß ausdrücklich beiont werden — ihre
Wildheit nicht empfangen aus der Stimmung des
Hauses, sondern aus dem im höchsten Grade würdelosen
und zuchtlosen, ja geradezu ungezogenen Benehmen des
Ministers Glanz der mit dem rechten Uebereiser
des Bedienten der Christlichsozialen die Dreistigkeit
eines Erlasses durch die bewußte Dreistigkeit seiner
Rede noch Überbot. Als der Abgeordnete Leuthner
die dringliche Anfrage begründete, ging die Bewegung
des Hauses nirgends über die natürlichen Aeußerungen
erregter Teilnahme und erregten Widerspruches hinaus.
Und Leuthner hat wahrlich in der Schärfe des Aus¬
drucks, mit dem er das Charakterbild des Ministers
umriß, und in der drastischen Entschiedenheit der Worte,
mit denen er die tückische Politik der Christlichsozialen
bei allgemein herrschender Landesanarchie just das
sozialdemokratische Wien der Willkür verfassungs¬
brecherischer Minister ausliefern zu wollen, kennzeichnete
nichts zu wünschen übrig gelassen. Doch weder während
einer Rede noch während des ersten Teiles der Rede des
Ministers gab es eigentlich Sturmszenen; der Sturm
brach erst los, als Glanz in seinem Schlußwort die
namenlose Unverschämtheit beging, einer großen Parte
des Hauses, der Sozialdemokratie, die Anständigkeit
abzusprechen. Dies wirkte um so aufreizender, als Glanz
die ganze Rede verlas; der erste Teil, das Werk seiner
Kanzlei, wurde durch Beschimpfungen eigener Mache
gekrönt, die sich der auch in der Redekunst minder¬
wertige Herr sorgfältig mit dem Bleistift vorher
notiert hatte.
Als nun die Sozialdemokraten die unerhört
Flegelei des Ministers mit zornigen Zurufen und Vor¬
dringen gegen die Ministerbank beantworteten, stürzte
sich der Heerbann der christlichsozialen Ministerschützer
heran, es entstand ein Gedränge, ein Wogen, ein Stoßen.
Ein Stoß, den der Abgeordnete Pischitz, wie er
behauptet, zufällig, gegen Sever führte, brachte den
Lärm auf den Gipfel. Doch nicht die Aeußerlichkeit
dieser Vorgänge, sondern die berechtigte Empörung
über das von allen Anstandsbegriffen befreite Ver¬
halten des Ministers beherrschte die Bewegung
des Hauses, die denn auch nicht aufhörte,
als die scheidende Ordnerkette dem anhebenden
Handgemenge ein Ende setzte, die sich über den unglück¬
lichen christlichsozialen Redner Volker ergoß, obwohl das
pathetische Nichts, das dieser leere Schwätzer vorbrachte,
die Gemüter höchstens zum Lächeln oder zum
Gähnen hätte veranlassen können. Herr Volker hat
ich diesen schönklingenden Namen erst nachträglich
beilegen lassen und früher auf den weit wenigen
germanisch klingenden Namen Strepitschka gehört.
Trotzdem unterläßt er keine Gelegenheit, den echten
deutschen Mann herauszubeißen und tat es heute mit
besonderer Nachdrücklichkeit. Es war deshalb gut und
nützlich, daß er von Weber an die Klänge des ihm
von Kindesbeinen auf wohl vertrauteren Väteridioms
erinnert wurde.
—u gögel sir uis dir Destintalungen rt
Verfassung. Ge wird die Frace gestellt, ob der Minister für
Inneres den verfastungswidrigen Grlaß über das Verbot
der Aufführung des „Reigen“ sofort zurückziehen wolle.
Die Aafrage gelangte sofort zur Verhandlung.
Leuthner (Soz.)
führt aus, er wolle sich durchaus nicht in eine Diskussion über
ästhetische oder ethische Fragen einlassen und gor nicht fragen
was der „Reigen“ künstlerisch und ethisch bedeute. Wollte man
die Frage beurteilen, was der „Reigen“ Meissierisch oder ethisch
bedeuse, so würde sich herausstellen, daß Stücke wie der
„Reigen“ in zahlreichen Fällen ausgeführt werden (Ruse bei
den Christlichsozialen: Wo denn ?), ahne irgend einen Anstotz
bei frommen Gemülern zu erregen, wie beispielswelse Stücke
m Josefstädter Theater, die sich vom „Reigen“ badurch umer¬
scheiben, daß ihnen die letzte Spur lünstlerischer Absicht fehlt.
s handelt sich hier lediglich um
die rein gesetzliche Seite der Angelogenheit.
Nach dem Bundesverfassungsgesetz steht dem Landeshaupt¬
mann — in diesem Falle dem Bürgermeister von Wien — die Eni¬
scheidung nach der Theatervezordnung vom Jahre 1850 zu,
gegen die, wenn sie einmal in bejahendem Sinne erfolgt ist,
eine Entscheidung der Rezierung garnicht angerunen
werden kann. Nur in dem Fall, wenn sie verneinendeist,
ist eine Berufung an die Regierung möglich. In diesem Falle
ist nun eine besahende Entscheidung erfolgt, die Re¬
gierung hat aber trotzdetn in der Person des Ministers Glanz
eingegrissen. Die Angelegenheit bekommt badurch einen anderen
Geschmack, daß es dieselbe Regierung ist, die sich
allen anderen Landeshauptleuten gegenüt## vollständig
tatenlos verhält.
(Zustimmung bei den Sozialdemotraten.) Derr Glanz wird es
überhaupt nicht wagen, sich in irgend welche Verfügungen der
Landeshauptleute einzumengen. (Lebhafte Zustimmung bei den
Sozialdemokraten.) Denn diese stehen ihm als chrißtlich¬
oglale Parteiführer
gegenüber, vor denen er
ich eben o bedientenhaft benimmt wie vor den Parteiführern
der Christlichsozialen im Hause. Ich verweise dabei auf ein
anderes Beispiel: In Steiermark droht der Streik der Gen¬
darmen, weil diese die Entfernung des Herrn Peinlich fordern.
Dieser darf aber nicht entfernt werden,
weil Landeshauptmann Rintelen darin eine Prestige¬
frage erblickt
und es nicht gestattet! Nach der Verfassung hat aber Herr
Rintelen in dieser Frage gar nichts dreinzureden, sondern
nur der Bundesminister Glanz, denn die Gendarmerie ist
Bundessache! Wir stehen vor einer Regierung, die sich um
die Verfassung nicht kümmert, sondern die Betwaltung führt
ausschließlich nach den Gefälligkeiten, die sie der Partei erweist.
in deren Dienst sie arbeitet. (Lebhafter Beifall bei den
Sozialdemolraten.) Wir sind an den Begriff einer Parteiregierung
gewöhnt. Aber hier wird
offenkundig der Wortlaut des Gesetzes verletzt,
und das geschieht in der würdelo esten, widerwärtigsten Form,
nicht von einem wirklichen Vertreter der regierenden Partei,
ondern von einem Bedienten derselben (lebhafter
Beifall bei den Sozialdemoiraten), der sich durch sein Auf¬
treten im Hause und in den Aemtern, in denen er wirksam
ist, in geradezu eielhaftesten, lakaien¬
mäßigen Foxmen (lebhaite Zustimmung bei den
Sozialdemokraten) als ein Mensch beläligt, der sich die Ehie