II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 540

11. Reigen
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lusweisung von Ausländern gestattet.
die Zuteilung von Vangründen in der
Nachbarschaft Groß=Prags.
ie Deutschbürgerlichen fordern Doppel¬
Zählungskommissionen.
die Tiroler Volksabstimmung über den
Anschluß verschoben.
licht Kuropatkin, sondern Kropatkin
gestorben.
der Prager Stadtrat für den Austritt
aus der Kirche.
Internationaler Kongreß der soziali¬
stischen Jugendverbände in Wien.
W

Politischer „Reigen
Wien, 11. Feber.
Der Streit um Schnitzlefs Reigen“ hat zu
inem ernstlichen Verfassungkkonflikt geführt.
er heute in einer stürnischen Sitzung des
tationalrates ausbrach. Die Gächichte des Kon¬
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lirtes ist ganz einfach und durchsichtig. Die
leine Szenenreihe Schnitzlers, die den Liebes¬
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ikt in seinen verschiedenen sszialen Verbrä¬
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nungen darstellt, wird von der Dependence¬
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dem
Bühne des Deutschen Volkstheaters,
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kleinen Kammerspielhaus in der Rothenturm¬
traße, seit Wochen gegeben, ohne daß irgend¬
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emand daran. Anstoß genommen hätte. Wien
st in seiner großen Mehrheit weiß Gott keine
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brüde Stadt. Denn gerade der Wiener Mensch
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weiß besser, als jeder andere, Sittlichkeit von
Erotik zu scheiden. Der „Reigen“ hätte also
ruhig weitergespielt und hundert Aufführungen
erleben können, wenn nicht eines Tages die
christlichsoziale „Reichspost“ gefunden haben
würde, daß Schnitzlers Werk eine Schweinerei
und aus Sittlichkeitsgründen zu verhieten sei.
Den christlichsozialen Urhebern des Krakehls
handelte sich übrigens bei ihrem Vorstoß nicht
um die ästhetische oder ethische Seite der
Frage; ihnen war es nur um eine Probe der
Nacht, um einen politischen Rekognoszierungs¬
eitt zu tun, und dazu schien Schnitzlers „Reigen
Sie wollten
allerdings das geeignete Objekt.
mit dem oft angewendeten Sittlichkeitsrummel
ausprobieren, wer der Stärkere in Wien ist, der
sozialdemokratische Bürgermeister Reumann, der
als Landeshauptmann von Wien den „Reigen
estattet hat, oder die christlichsoziale Demago¬
gie, der es wieder danach geküstet, sich alsHerrin
Wiens aufzuspielen. Rechtlich ist Reumanns
Erlaubnis nicht umzustoßen, da er in seinem
Kreise autonom, also auch unabhängig ist von
Kabinetsbeschlüssen und Ministermeinungen.
dem Landeshauptmann untersteht auch die
Wiener Polizei, die als letztes Organ die
Theater zu überwachen hat. Die „Reichspost“¬
Krakehler haben nun solange getrommelt bis
die christlichsoziale Regierung sich entschloß, zu
der Sache Stellung zu nehmen. Natürlich
venn Herr Dr. Funder will, müssen christlich¬
oziale Minister parieren. In ihrer Mehrheit
cheuten sie jedoch davor zurück, wegen eines
Theaterstückes einen Konflikt heraufzubeschwö¬
en. Nur Herr Dr. Glanz, der Minister des
nnern, ein wenig begabter, aber sehr streb¬
amer Mann, klerikaler Einschlag, sprang für
ie Forderung der „Reichspost“ ein und ver¬
uchte über den Kopf Reumanns ein Verbot
er „Reigen“=Aufführung durchzusetzen. Der
Zürgermeister tat darauf, was ihm Gesetz und
besinnung vorschrieb, er warf das Verbot des
sinisters in den Papierkorb und ließ den
Reigen“ weiterspielen.
Die Sozialdemokraten sehen in der ganzen
ache aber einen Vorstoß des monarchistischen
klüngels, dem, mag der Anlaß selbst noch
o geringfügig sein, politisch dennoch volle Be¬
eutung zukommt. Die Christlichsozialen haben
ach der heutigen stürmischen Sitzung im Parla¬
iente mit einer Gewaltaktion gegen den „Rei¬
en“ gedroht; darauf erhielten sie die Antwort,
aß eine Störung nicht ohne Antwort bleiben
bürde. In letzter Stunde hat der Troß der