II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 541

11. Reigen
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Prager Tagblats Nr. 36
„Reichspost“=Leute jedoch den Mut verloren.
Der „Reigen“ wurde heute troß des Verbotes
des Dr. Hlanz gegeben, und zwar ohne Störung
und ohne Demonstration.
Der Durchfall er
Christlichsozlalen wird nicht ohne heilsame Fol¬
gen bleiben.
Volschewikt aud Sozialrevolutsonäre.
Pon #. Aurelen.
In letzter Zeit habben sich Nachrichten von
einer Friegerischen Spannung zwischen den
Volschewiki und dert. Sozialrevolutionären be¬
onders gehäuft. Dem Auftakt dazu gab im
Herbst 1920 das Auftreten des von der Sotojet¬
Polizei viel gesuchten Hauptes der Sozialrevo¬
lutionäre Victor Tschernow unter verblüffenden
Umständen, mitten in streng bewachten Mosrau,
wo er in einer öffenlichen Versamml#ing im
Beisein der englischen Delevierten, eine flam¬
mende Rede genen das bolschewistliche Regime
hielt. Wie durch ein Wunder gelang es Tscher¬
now auch, nach dem Anslande zu entkommen.
(Gegenwörtig hält er sich in Paris auf, wo er
dem dort versammelten russischen „Rumpf¬
parlament“ präsidiert.) Jüngst hat die Sowjet¬
Regierung die Auslandskomitees der Partei
einer Verschwörung gegen die in Rußland
cherrschende Staatsordnung" beschuldigt und
als Geiseln Dutzende in Rußland verbliebener
Parteimitglieder eingespert. In einer der letz¬
ten Nummern der „Izwestla“ veröffentlicht
nun das Zentralkomitee der Partei eine offi¬
zielle Erklärung, worin es alle die Verschwö¬
rungsnachrichten leugnet und auf den Beschluß
des neunten Partei=Kongresses hinweist, der
den Terrorismus als politisches Kampfmittel
verwirft.
Die Partei der Sozialrevolutionäre ist heute
eine der wichtigsten Oppositionsparteien der
Sowjet=Regierung, und ihre Bezießungen zu
den Bolschewiki bilden vielleicht das wichtigste
Kapitel der rufsischen innern Politik und der
russischen politischen Sittengeschichte der jüng¬
sten Vergangenheit und der Gegenwart. Diese
Partei setzt das Werk der Narodniki fort, die
sich den Schutz des Bauecntums als Hauptaus¬
gabe stellten. Von der Grundtatsache aus¬
gehend, daß die Bevölkerung Rußlands zu rund
fünfundachtzig Prozent aus Bauern besteht,
erblickt diese Partei ihre vornehmste Aufgabe
in der Lösung der Agrarfrage und zwar zufolgs
dem Volksspruch: das Land sei Niemandes und
gehöre Allen, erstrebt sie eine „Landsoziali¬
ierung auf
Landbenußung“ (das heißt: kein Privateigen¬
tum an Grund und Boden, sondern veriodische
Umteilungen, entsprechen der wechselnden Zahl
der Familionmitglieder;. An der Zerwühlung
des russischen Absolutismus hat die sozialrevo¬
lutionäre Partei zumindest den gleichen, wenn
nicht den größeren Anteil als die beiden Par¬
teien der Menschewisi und der Bolschewiki; in
ertremsten Fällen schreckt sie auch vor terrori¬
tischen Akten nicht zurück (Ermordung des
Plehwe, Ssipjagin, Stolypin). Der Sturz des
Zarismus machte auch die Sozialrevolutionäre
zu einer Regierungspartei im Kerenski=Block.
Bictor Tsche##ow wurde erst Agrarminister
und dann Vorsitzender der konstitaierenden Ver¬
sammlung. Nach deren Spreugung durch die
Bolschewiki ging er an die Wolga und stellte sich
mit an die Spitze der sogenamten „Front der
konstituierenden Versammlung, das heißt:
der den dewokratischen Gedanken noch treu ge¬
bliebenen Armee=Reste und Bevölkerung.
Seiten auf Potiphars Halle niederriefelten,
ließen für ein Mal keinen Gedanken an den
unabwendbaren Bankrott der deutschen Opern¬
nstitute aufkomnen. Als im Schluß=Tableau
der gottselige Joseph, am Leibe weiß wie der
Schnee auf den Beegen Indäas, zwischen
schwebenden G=dur=Melodien und goldgeflügel¬
ten Posaunenengelein in die allmächtige Hut
emporstieg: da empfand man mit leiser Er¬
chütterung etwas von der vorübergeisternden
Vision des vielgesuchten Gesamikunstwerks.