II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 573

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11. Reigen
Wedel Theateridoche.
Das Schirsal des „Reigen“ — Von aller¬
hand verbotenen und beinahe verbotenen
Stücken der letzten Jahrzehnte.
Die Bewegunch die dieser Tage gegen
die weiteren Auffüshrungen von Schnitzlers
„Reigen“ in den Kammerspielen entfalte
worden ist, hat die Theaterfreise Wiens lebhaft
beschäftigt. Das Stück schwebte während der
letzten Woche zwischen Leben und Tod. Heute
abends frisch, konnte is morgen früh schon in
den Sarg gelegt sein. Denn jede Stunde
konnte das Damoklesschwert des ministeriellen
Verbotes herabfallen. Nur die unteren
Behörden hielten es noch auf.
Daß ein Stück vor der Erstaufführung
verboten wird, kam und kommt in Wien oft vor
Aber die plötzliche Untersagung der Vor
stellungen einer bereits zensurierten und auf¬
geführten Dichtung hat man bei uns bis nun
nur im Burgtheater erlebt, und auch da
höchst selten.
Wenn wir ein wenig in der Zensur¬
geschichte des Burgtheaters blättern
so stoßen
ungefähr sieben Jahrzehnte zurück —
wir vor allem auf eine derartige „Affäre'
die sich im Jahre 1851 unter der Direktior
Heinrich Laubes abspielte. Ja, er war nicht
nur als Direktor, sondern vor allem als
Dichter an diesem peinlichen Vorkommnie
beteiligt. Man verbot ein Stück, das
der
Burgtheaterdirektor geschrieben hatte!
hieß „Rokoko“ Die Hauptperson war ein
Abbé, von Dawison dargestellt, damals der
Liebling Laubes. Später allerdings kam es
nach lange verhaltener Gereiztheit zwischer
Direktor und Schauspieler auf der Buhne zu
einem handgreiflichen Streit, bei dem Laube
der leidende Teil geblieben ist — eine Szene,
wie sie sich glücklicherweise später nie mehr
an dieser Kunststätte abgespielt hat. Natürlich
flog Dawison sofort hinaus . . . Damals, wie
gesagt, spielte er in „Rokoko“ jenen Abbé,
der Dichter schon vom Anfang
den
dem Fluche der Lächerlichkeit preis
gab, indem er ihn auf dem Theater¬
zettel den Namen „Abbé von der Sauce
nannte. Eben wegen dieses geistlichen Herrn
kam plötzlich „von oben“ das Verbot der
weiteren Aufführung. Aber es war Bedin¬
gung, das Stück musse still verschwinden
ohne Aufsehen. Naturlich wurde der Wink
befolgt. Aber obgleich man in den Tagen der
chwersten Reaktion lebte, hat diese peinlich
Sache dem Direktor Laube, der von der Gunst
des Publikums und der Presse getragen war,
nicht weiter geschadet. Und auch dem Obersten
Hoftheaterdirektor nicht, dem Oberstkämmeren

Grafen Lanckoronski, der ein viel zu großer
aterreichische Volke
Herr war, als daß ihm die Zulassung eines
unpassenden Stückes hätte ans Leben gehen
können. Ueberdies galt er als durchaus ver
läßlicher, frommer Mann.
Laubes unterdrücktes Lustspiel „Rokoko
hat immerhin neun Aufführungen erlebt, bis
ihm der Garaus gemacht wurde. Aber ein paar
Jahre später, 1859, erlebte der Direktor die
Unannehmlichkeit, ein von ihm angenommenes
Stück des sonst so harmlosen Dichters Mosen¬
thal — es hieß „Düwecke“ — schon nach der
ersten Aufführung endgültig verboten zu
sehen! Ein auswärtiger Gesandter — in den
Zeitungen hieß es der „diplomatische Ver¬
treter eines nordischen Staates“ — hatte beim
Ministerium des Aeußern Einsprache erhoben,
selbstverständlich wurde ihr sofort stattgegeben
*
Nun müssen wir aber über mehr als drei
Jahrzehnte fliegen, um wieder auf die plötz¬
iche Absetzung eines Burgtheaterstückes zu
stoßen — bis ins Jahr 1892. Wir meinen das
Verbot des Schauspiels „Die Sklavin“ von
Ludwig Fulda, das unter der Direktion
Burckhard erfolgte. Das Stück hatte bei der
ersten Aufführung einen Achtungserfolg er¬
zielt. Das Publikum fühlte sich ein wenig be¬
fremdet, sah sich aber nicht veranlaßt, gegen
die Dichtung zu demonstrieren, und zollte der
Schauspielern reichen, wohlverdienten Beifall
Da, gleich am Abend darauf, bei der zweiten
Aufführung, kam eine dem Kaiser Franz Jose
besonders nahestehende Erzherzogin in
Theater. Am nächsten Morgen beschied der
Obersthofmeister Prinz zu Hohenlohe
der
Direktor zu sich und verfügte die sofortige
lbsetzung der „Sklavin“. Die kritischen
Feuilletons über das Stück, die die Zeitungen
als Wiegenrede vermeinten, bedeuteten in der
Tat Nekrologe. Denn, als diese Besprechungen
rschienen, war das neugeborne Schauspiel
bereits mausetot.
Was an der plötzlichen Acht= und Bann
erklärung des Fuldaschen Schauspiels Schuld
trug? Man wird es gleich merken, wenn wir
oungefähr den Inhalt des Stückes erzählen
n der Seite eines egoistischen Mannes, er ist
Weinhändler, lebt jahrelang eine gütige
schöne Frau im stillen Unglück; denn der Gatte
enkt nur an seine häusliche Bequemlichkeit;
er merkt gar nicht, daß er seine Frau nach und
nach zu seiner Magd herabgewürdigt hat, oder
wie der Dichter sagt, zu seiner Sklavin. Endlich
wird der Gattin dieses Dasein unerträglich und
ie verläßt das Haus des ihrer unwürdigen
Mannes. In einem der Familie befreundeter
Baumeister findet sie eine liebende Seele
einen aufrichtigen Freund. Mit ihm will sie
ich zu neuer Ehe verbinden. Aber der wein¬
händlerische Gatte gönnt ihr das neue Glück
nicht, er verweigert ihr die Einwilligung zur
Scheidung. Da nun eine gesetzliche Verbindung
der beiden Liebenden unmöglich ist, beschließen
sie, in einem freien Bund miteinander zu leben.
In den Kreisen des Hofes und des Hoch¬
adels betrachtete man dieses Schauspiel als
eine Verteidigungsrede für die „freie Liebe“
und so mußte es verschwinden. Die Presse regte
sich über das plötzliche Verbot nicht sonderlich
auf; denn man sagte, Fulda habe diesmal
ünstlerisch versagt, er habe gelangweilt. Die
Hofbühne war allerdings um eine ihrer
glänzendsten schauspielerischen Leistungen ge¬
kommen; denn der Abend hatte einen Triumph
es „alten“ Burgtheaters bedeutet. Der Abend
hatte das Wiedersehen mit einer der inter
essantesten Schauspielerinnen der Hofbühne
gebracht, mit Antonie Janisch (Gräfin Arco¬
Balley), die nach zehnjähriger Abwesenheit an
ie alte Stätte ihres Ruhmes zurückkehrte und
die versklavte Frau spielte. Den Weinhändler
gab Kraftel, den edlen Baumeister natürlich
Sonnenthal
Dr. Burckhard merkte sich die unangenehme
Geschichte, wurde bei aller Freiheit seines
Wesens denn doch ein bißchen vorsichtiger und
erlebte während seiner Direktionszeit keir
Verbot mehr.
Da zog nun 1898 Dr. Paul Schlenther
aus Berlin ins Burgtheater ein. Er wußte sich
mit der Hoftheaterzensur auf den freund¬
schaftlichsten Fuß zu stellen, so daß es nie einen
Anstand gab. Er war nämlich so klug, alle
Stucke, bevor er sie zur Prüfung einreichte,
entsprechend zu redigieren, das heißt, alle nach
irgendeiner Richtung hin bedenklichen Stellen
entweder auszumerzen oder zu mildern. Der
Zensor hatte nichts mehr zu streichen. S#
ekam er auch eines schönen Tages den
Schnitzlerschen Einakter „Der grüne Kakadu“
ohne jedes rote Rufzeichen vom Hofzensor zu¬
ruck. Das Stück war also zugelassen. Es ge¬
langte im März 1899 mit zwei anderen Ein¬
aktern Schnitzlers („Paracelsus“ und „Die
Gefährtin“) zur Erstaufführung und wurd
dann noch siebenmal in verschiedenen Zeit¬
abständen gegeben.
Plötzlich, nach fast drei Monaten, an einem
Maienabend, kam eine Dame vom Hof zu einer
Vorstellung und — um das Stück war's ge¬
chehen! Die hohe Dame war entsetzt, als sie
sah, daß am alten Burgtheater (wie sie sich aus¬
gedrückt haben soll) „die französische Revolution
glorifiziert werde“. Das Stück spielt nämlich
zu Paris in der verrufenen Kellerschenke „zun
grünen Kakadu“, wo wirkliche Verbrecher ver¬
kehren und gleichzeitig Mitglieder des höchsten
ldels, die eine Freude daran finden, als Ver¬
recher sich zu verkleiden und mit den wirk¬
ichen „Kollegen“ Bruderschaft zu trinken.
Einmal kommt es aber tatsächlich zu einem
blutigen Verbrechen. Ein Komödiant erfährt,
daß ihm seine Frau vom Herzog von Cadignan
verführt worden sei und erzählt dies.
In
diesem Augenblick erscheint der Herzog auf der
zum Keller hinabfuhrenden Treppe.
Dei
Komödiant stürzt sich auf ihn und sticht ihm
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