II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 574

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erwoche.
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Herr war, als daß ihm die Zulassung eines
unpassenden Stückes hätte ans Leben gehen
können. Ueberdies galt er als durchaus ver
läßlicher, frommer Mann.
Laubes unterdrücktes Lustspiel „Rokoko“
hat immerhin neun Aufführungen erlebt, bis
ihm der Garaus gemacht wurde. Aber ein paan
Jahre später, 1859, erlebte der Direktor die
Unannehmlichkeit, ein von ihm angenommenes
Stück des sonst so harmlosen Dichters Mosen¬
thal — es hieß „Düwecke“ — schon nach der
ersten Aufführung endgültig verboten zu
ehen! Ein auswärtiger Gesandter — in den
Zeitungen hieß es der „diplomatische Ver¬
*
treter eines nordischen Staates“
hatte beim
Ministerium des Aeußern Einsprache erhoben
elbstverständlich wurde ihr sofort stattgegeben
Nun müssen wir aber über mehr als drei
Jahrzehnte fliegen, um wieder auf die plötz¬
iche Absetzung eines Burgtheaterstückes
zu
oßen — bis ins Jahr 1892. Wir meinen das
Verbot des Schauspiels „Die Sklavin“ von
Ludwig Fulda, das unter der Direktion
Burckhard erfolgte. Das Stück hatte bei der
rsten Aufführung einen Achtungserfolg er¬
zielt. Das Publikum fühlte sich ein wenig be¬
remdet, sah sich aber nicht veranlaßt, gegen
ie Dichtung zu demonstrieren, und zollte den
Schauspielern reichen, wohlverdienten Beifall
Da, gleich am Abend darauf, bei der zweiten
Aufführung, kam eine dem Kaiser Franz Josef
besonders nahestehende Erzherzogin ins
Theater. Am nächsten Morgen beschied der
Obersthofmeister Prinz zu Hohenlohe den
Direktor zu sich und verfügte die sofortig
bsetzung der „Sklavin: Die kritischen
Feuilletons über das Stück, die die Zeitungen
als Wiegenrede vermeinten, bedeuteten in der
Tat Nekrologe. Denn, als diese Besprechungen
erschienen, war das neugeborne Schauspiel
bereits mausetot.
Was an der plötzlichen Acht= und Bann¬
rklärung des Fuldaschen Schauspiels Schuld
trug? Man wird es gleich merken, wenn wir
o ungefähr den Inhalt des Stückes erzählen:
An der Seite eines egoistischen Mannes, er ist
Weinhändler, lebt jahrelang eine gütige
denkt nur an seine häusliche Bequemlichkeit;
er merkt gar nicht, daß er seine Frau nach und
nach zu seiner Magd herabgewürdigt hat, oder
vie der Dichter sagt, zu seiner Sklavin. Endlich
vird der Gattin dieses Dasein unerträglich und
e verläßt das Haus des ihrer unwürdigen
Mannes. In einem der Familie befreundeten
Baumeister findet sie eine liebende Seele,
einen aufrichtigen Freund. Mit ihm will sie
ich zu neuer Ehe verbinden. Aber der wein¬
ändlerische Gatte gönnt ihr das neue Glück
nicht, er verweigert ihr die Einwilligung zur
Scheidung. Da nun eine gesetzliche Verbindung
der beiden Liebenden unmöglich ist, beschließen
sie, in einem freien Bund miteinander zu leben.
In den Kreisen des Hoses und des Hoch¬
adels betrachtete man dieses Schauspiel als
eine Verteidigungsrede für die „freie Liebe“,
und so mußte es verschwinden. Die Presse regte
ich über das plötzliche Verbot nicht sonderlich
uf; denn man sagte, Fulda habe diesmal
ünstlerisch versagt, er habe gelangweilt. Die
Hofbühne war allerdings um eine ihrer
glänzendsten schauspielerischen Leistungen ge¬
ommen; denn der Abend hatte einen Triumph
es „alten“ Burgtheaters bedeutet. Der Abend
atte das Wiedersehen mit einer der inter¬
ssantesten Schauspielerinnen der Hofbühne
gebracht, mit Antonie Janisch (Gräfin Arco¬
Balley), die nach zehnjähriger Abwesenheit an
die alte Stätte ihres Ruhmes zurückkehrte und
die versklavte Frau spielte. Den Weinhändler
gab Kraftel, den edlen Baumeister natürlich
Sonnenthal.
Dr. Burckhard merkte sich die unangenehme
beschichte, wurde bei aller Freiheit seines
Wesens denn doch ein bißchen vorsichtiger und
erlebte während seiner Direktionszeit kein
Verbot mehr.
Da zog nun 1898 Dr. Paul Schlenther
aus Berlin ins Burgtheater ein. Er wußte sich
mit der Hoftheaterzensur auf den freund¬
chaftlichsten Fuß zu stellen, so daß es nie einen
lnstand gab. Er war namlich so klug, alle
Stucke, bevor er sie zur Prüfung einreichte,
ntsprechend zu redigieren, das heißt, alle nach
irgendeiner Richtung hin bedenklichen Stellen
ntweder auszumerzen oder zu mildern. Der
Zensor hatte nichts mehr zu streichen. Se
bekam er auch eines schönen Tages den
Schnitzlerschen Einakter „Der grüne Kakadu“
ohne jedes rote Rufzeichen vom Hofzensor zu¬
ruck. Das Stück war also zugelassen. Es ge¬
langte im März 1899 mit zwei anderen Ein¬
aktern Schnitzlers („Paracelsus“ und „Die
Gefährtin“) zur Erstaufführung und wurde
ann noch siebenmal in verschiedenen Zeit¬
abständen gegeben.
Plötzlich, nach fast drei Monaten, an einem
Maienabend, kam eine Dame vom Hof zu einer
Vorstellung und — um das Stück war's ge¬
hehen! Die hohe Dame war entsetzt, als sie
sah, daß am alten Burgtheater (wie sie sich aus¬
gedrückt haben soll) „die französische Revolution
glorifiziert werde“. Das Stück spielt nämlich
zu Paris in der verrufenen Kellerschenke „zum
grünen Kakadu“, wo wirkliche Verbrecher ver¬
kehren und gleichzeitig Mitglieder des höchsten
ldels, die eine Freude daran finden, als Ver¬
brecher sich zu verkleiden und mit den wirk¬
lichen „Kollegen“ Bruderschaft zu trinken.
Einmal kommt es aber tatsächlich zu einem
blutigen Verbrechen. Ein Komödiant erfährt,
daß ihm seine Frau vom Herzog von Cadignan
erführt worden sei und erzählt dies. In
der
iesem Augenblick erscheint der Herzog au
um Keller hinabführenden Treppe.
1
Komödiant stürzt sich auf ihn und sticht ihn
nieder. Währeno die Aristokratengesellschaft
im den Sterbenden sich bemüht, dringt die
Volksmenge ein und verkündet den Fall der
Bastille, das ist der Beginn der Revolution.
Eigentlich wunderte man sich nicht über das
Verbot. Man war erstaunt, daß diese Groteske,
in der echtes revolutionäres Blut
so heftig
pulsierte, überhaupt an der Hofbühne hatte
aufgeführt werden können. Nur Dr. Wlassack,
der hochbegabte Diplomat der Intendanz, war
mit der gewaltsamen Lösung unzufrieden. Er
machte an hoher Stelle darauf aufmerksam,
daß das Spieljahr ohnedies schon binnen
kurzem zu Ende gehe, daß man noch eine
inzige Aufführung gestatten möge, um dann
das Stück während der Ferien ruhig, „ohne
Aufsehen“, entschlafen zu lassen. Aber der gute
Hofrat drang nicht durch...
Ein Ereignis, das nicht nur Erstannen,
ondern geradezu Erregung hervorrief, war
m Winter 1904 das plötzliche Verbot von
Gerhard Hauptmanns Schauspiel „Rose
Bernt“. Es ist, wie man weiß, die Geschichte
jenes armen Mädchens, das vom Gutsherrn
vergewaltigt wird und nach vielem er¬
niedrigenden Leide als Kindesmörderin endet.
Mehrere Mitglieder des Hofes fanden das
Schauspiel nicht nur unsittlich, sondern
geradezu „abscheulich“ Aber die gesamte
offentliche Meinung stellte sich auf Seite des
Direktors Schlenther. Das Burgtheater könne
icht als Komtessenbühne geführt werden, wie
die Aristokraten sich's wunschen, und wenn
keine Kindesmörderin mehr auf der Szene
rscheinen dürfe, so müsse man schließlich auch
„Faust“ verbieten und das unglückliche
Gretchen auf die Straße werfen ... Aber aller
Protest der Zeitungen nützte nichts. Haupt¬
manns Drama wanderte ins Volkstheater.
Und nun kam der Hochadel und hörte und
schaute und hotte nichts, aber gar nichts aus¬
zusetzen ...
Doch wenn wir hier immer von Stücken
gesprochen haben, die durch höfische Einflüsse
mns Grab gestoßen wurden, so müssen wir
auch eines Falles gedenken, da der Hof ein
Stück aus den Klauen der Zensur rettete, die
es erwürgen wollten. Als nämlich 1903 das
Deutsche Volkstheater Schönthans Lust¬
piel „Maria Therese“ aufführen wollte, fand
man in der Statthalterei, die Kaiserin werde
denn doch als allzu schwache Frau dargestellt:
närrisch verliebt in ihren Franzl, eifersüchtig
bis ins Kindische, kurzum nicht würdig genug.
Aber zum Glück war es Katharina Schratt,
die als Maria Therese auftreten sollte. Sie
erzählte dem Kaiser Franz Josef, was in dem
Stück vorgehe und wie liebenswürdig seine
Ahnin gezeichnet werde. Und in der Tat: ein
Wink aus Schönbrunn — und alle behörd¬
ichen Bedenken waren wie weggeblafen ...
Julius Stern.