II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 580

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11. Reigen
u
Naturlaute.
„Die Bögel singen in den Zweigen,
Den Fröschen ist das Qnacken eigen.“
Dem Vorstenvich ist Grunzen eigen!
Was Juden Kunst, bezeugt der „Reigen“.
Und die da auf den Rücken steigen,
Dem ausgeraubten Volk, sie zeigen
Dem Anstand wiehernd freche Feigen,
„Schweig', Christenpack, du hast zu schweigen!“
Tief, denen das Enteignen eigen,
Vor den Enteignern sich verneigen.
Ein Herz sind beide und — ein Reigen.
„Jetzt gilt es, sich als Schwe zu zeigen.“
Gemach, die ihr bei jedem Reigen
Zu spielen meint die ersten Geigen!
Das Bolk wird euch zum „Reigen“ geigen
Und euch — den off'nen Saustall zeigen.
Ego.
0
+

Vieteet dor die Aesthetir des Herrn Heß
aufgeben will, und werden für den einen wie fü
den
anderen Fall unser Pulver trocken ssalten.
0
Hus dem Kunstleben.
Der Kampf
um den „Rei##
Aus Wien wird uns
(geteldet: „Da bek sozialistische
Wiener Bürgermeister R
seiner Eigenschaft als
Landeshauptmann das „R#
des Innenministers nicht
durchführt, so daß die „Re
ührungen in den Kammerspielen
ungestörten Fortgang,
hat die Regierung beschlossen, bei
dem Verfassungse
age gegen Neumann einzu¬
bringen, Diszip##gegen die Insubordination
Wiener Landeshauptmanns
nzuschreiten, fehlt der Regier#
der Mut.
Aus Leipzig wird unskgeschrieben: Die von der Protest¬
versammlung gegen Sihnitzlers „Reigen“ angenommene
Resolution lautet in der Hauptsache: Die versammelten
deutschen Männer und Frauen verurteilen jeden Versuch, unter
dem Deckmantel der Literstur Dramen auf die Bühne zu
chmuggeln, die an sich schoßz aus undeutschem Geist heraus die
Spuren der Entartung zeigen, durch die Aufführung aber das
Schamgesühl unseres Volkes verletzen. In der szenischen Dar¬
stellung von Schnitzlers „Reigen“ sehen sie einen tief bedauer¬
ichen Mißgriff eines sonst um das Leipziger Theaterleben ver¬
dienten Bühnenleiters. Sie erwarten, daß dies anrüchige Stück
sofort von der Schaubühne verschwindet und daß die sogenannte
Schauspielhausgemeinde fortan ähnliche Schamlosigkeiten ver¬
hindert.
Aus Berlin schreibt man uns zu derselben An¬
gelegenheit: Die
tägliche Aufführung des Stückes
„Der
Reigen“ von Schnitzler in den Räumen der staatlichen Hoch¬
chule für Musik in Charlottenburg erregt in weiten Kreisen
großes Aergernis. Sie stellt eine Prostituierung der Frau
der in unerhörter Dreistigkeit gegen die einfachsten Gebote von
Anstand und guter Sitte. Es ist an der Zeit, daß die deutschen
Frauen, die noch auf Ehrbarkeit halten und das heranwachsende
Geschlecht in Reinheit erzogen wissen wollen, mit allem Nachbruck
Eindruck erheben gegen diese Schmach und Schande unserer Tage.
— Da alle Vorstellungen der ernst gerichteten Presse bisher
ruchtlos geblieben sind und das Berliner Beispiel wegen
seines großen geschäftlichen Erfolges bereits anregend auf andere
deutsche Städte wirkt (in Leipzig und München wurde der
„Reigen“ schon reihenweise aufgeführt; in Wien sogar zugunsten
des Kinderhilfswerks!) bleibt kein anderer Weg zur Ab¬
hilfe als der Anruf des Staatsanwaltes, den das be¬
stehende Strafgesetz (§ 183) zum Einschreiten verpflichtet.
Schnitzler selbst äußerte sich, wie wir erfahren, kürzlich
dahin: Ob der „Reigen“ auf die Bühne gehöre, darüber kann
man diskutieren; daß aber die Aufführung meines Werkes die
Sittlichkeit verletzt, das ist ein Standpunkt, über den
man ernsthaft gar nicht reden kann. Kein Mensch wird die
diskrete Inszenierung in den Kammerspielen leugnen können. Auch¬
n Berlin, München, Leipzig und Hamburg, wo der „Reigen“
gespielt wurde, haben die Regisseure und die Schauspieler volle
Diskretion gewahrt. In Wien wurde aus der Frage eine politische.
Nachdem ich mich aber einmal zur Aufführung entschlossen habe,
wird nichts gestrichen, keine Szene wird weggelassen und
von einer Zurückziehung des Stückes ist keine Rede. Gegen Regie¬
änderungen habe ich indessen nichts einzuwenden.
Wir schließen uns der obigen Auffassung aus Berlin an
und wünschen, daß der Staatsanwalt endlich ein Macht¬
wort spricht.