II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 589

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11. Reigen
oder ihre-Aufgade zu komptizieten.
ernst nehme.
Demonstration
gegen den „Reigen“.
Aufmarsch von dreihundert Mitgliedern des Katholischen Volksbundes.
Ruhiger Verlauf der Vorstellung.
Gestern gegen 7 Uhr abends ist es vor den Kammer¬
spielen des Deutschen Volkstheaters zu einer lauten
Die Vorstellung des „Reigen“ in den Kammerspielen,
Demonstration gekommen. Angehörige des katholischen
der auch der Dichter Arthur Schnitzler beiwohnte,
Volksbundes, etwa dreihunheri an der Zahl,
ging ohne Störung und mit starkem, demonstrativen
meist junge Leute, waren von einer Festversammlung, die
Beifall vor sich. Sicherheitswache hielt bis zum Schluß
nachmittags im Rathause stattgefunden hatte, vor die
der Vorstellung die Ein= und Ausgänge besetzt. Es kam
Kammerspiele gezogen. Mit den Rufen: „Pfui der
zu keinem Zwischenfall mehr.
Reigen!", „Pfui Kammerspiele!“ Nieder
mit den Sozialdemokraten!" „Vorstellung un¬
Eine christlichsoziale Drohung gegen
terbrechen!“ versuchte die Menge sich den Eingang in
die Direktion der Kammerspiele.
das Theater zu verschaffen.
Der Direktion der Kammerspiele des Deutschen
Den Demonstranten stellte sich die Bereitschaft der
Volkstheaters wurde, wie wir erfahren, von christlich¬
Sicherheitswache entgegen, die seit einer Woche an
ozialer Seite durch einen Funktionär der Parteileitung
jedem Abend die Eingänge des Theaters bewacht. Die
nahegelegt, die „Reigen“=Aufführungen abzubrechen, da
Besitzer von Eintrittskarten zur Vorstellung, die in das
andernfalls noch weitere große Demonstratio¬
Theater eintreten wollten, wurden zum Teil von den
nen gegen die Aufführungen veranstaltet würden, nicht
Demonstranten daran gehindert. Als die Situation
nur außerhalb des Theaters, sondern auch im Theater
bedrohlich aussah, kam Sukkurs von der Wachstube in
selbst.
der Postgasse her.
Direktor Bernau steht gegenüber dieser Drohung
Nun wurden die Demonstranten gegen den Kai
auf dem Standpunkte, daß die Polizei dafür Sorge
und gegen den Stefansplatz zu von der Wache abge¬
tragen werde, Demonstranten vor dem Theater entsprechend
drängt. Der Sicherheitsheitswache wurde dabei von
zu begegnen, während Ruhestörungen einer Gruppe von
den Demonstranten vielfach Widerstand geleistet. Es kam
Leuten im Theater selbst Zurechtweisung durch Theater¬
zu vier Arretierungen. Die Arretierten, ein
besucher, die die literarische Bedeutung des „Reigen“ zu
Beamter der Gemeinde Wien, ein Postunter¬
würdigen wissen und palitischen Kämpfen abhold sind, erfahren
beamter, ein Fabriksarbeiter und ein
Schneidergehilfe, sämtliche Mitglieder des Katho¬
werden. Direktor Bernau verweist darauf, daß in den
Kabaretts und Variêtés gegenwärtig die obszönsten Dar¬
lischen Volksbundes wurden auf die Wachstube gebracht,
bietungen ohne Einspruch der Behörden oder Parteien
nach Abgabe ihre: Nationalien jedoch gleich wieder ent¬
stattfinden. Die „Reigen“=Affäre sei übrigens heute
lassen,
bereits zu einer politischen geworden. Direktor Bernau
Die Demonstranten hielten sich noch eine zeitlang
at sich der Regierung gegenüber bereit erklärt, die
am Franz Josefs=Kai und beim Stefanfsplatz auf und
phnedies unter Vermeidung jedweder derben Effekte aus¬
zertreuten sich gegen halb 8 Uhr.
Montag
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zeführie Insgenterung des „Reigen“ dadurch zu mildern,
daß anstatt der Verdunkelung der Szeue während der
ekannten Dialogstellen der Vorhang fallen würde. Die
segierung hat sich zu diesem Vorschlag Direktor Bernaus
bisher nicht geäußert.