II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 596

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Reigen
Arberten uber die „Reigen =Schande.
46rU0 ein Frübf aa Düggerwalster Reumm.
In einer Verkammlün christlicher Arbeiter, die
heite im Katholischen G###nvereinshause stattfand,
wunde beschlossen, ein Schreihen an Bünermeister Reu¬
mann zu senden, jskem es u. g. heißt:
Sie sind aus dem Volke hervorgegangen; das in
selnen schönsten Liedern, in seinem tiefstem Empfinden
stets die A##g vor der weiblichen Würde zur Schau
trägt, wi# in der Mutter, in dem Ideal einer ge¬
liebten Lebensgefährtin sich verkörpert. Und nun haben
Sie trotz bringender Abmahnungen die Aufführung
eines Theaterstückes gestattet, das von den größten, der
Prüderie wahrhaftig nicht zu zeihenden Städten
Deutschlands als Kulturschande empfunden und
abgelehnt wurde, ein Theaterstück, das im Weibe
nur mehr eine Dirne sieht!
Es ist ein Irrtum, wenn Sie diese Aufführung und
die Gestattung derselben als eine Geringfügigkeit
hin¬
stellen. Es ist damit die letzte Schranke gefallen, die
uns noch von dem Tiefstand eines Rom zur Kaiserzeit
trennte. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, der Wiener Volks¬
seele, die auch heute noch der überwiegenden Mehrheit
nach christlich empfindet, diese empsvende Erniedrigung
zu ersparen. Sie hätten damit Ihrer eigenen Partei ge¬
dient, deren Anhänger vielfach unsere Meinung teilen.
Viele von uns sind Heimkehrer. War unser Kampf
und unser Blut nicht mehr wert, als mit einer republi¬
kanischen Freiheit in solcher Auffassung belohnt zu
werden? Manche von uns möchten sich einen Hausstand
gründen und können es nicht, da die ortsfremden
Wuchever noch immer ungestört ihre Zimmerfluchten
bewohnen dürfen. Sollen jetzt diesem Gesindel auch unsere
Kunststätten vollends ausgeliefert werden? Fast jede
Woche folgen wir trauernd den Särgen entschlafener
Kollegen, die an den Folgen des Krieges oder der
Unterernährung in der Blüte ihrer Jahre dabinsterben,
und ausgerechnet jetzt, angesichts solcher Gräber lassen
Sie einen „Reigen“ eröffnen, um Schiebern und aus¬
geschämten Wüstlingen es zu ermöglichen, vor öffentlichen
Bühnen ihrer Geilheit zu frönen. Wir richten darum
die Aufforderung an Sie: Verbieten Sie den
„Reigen“ oder lassen Sie wenigstens der Entscheidung
des Bundesministeriums freien Lauf! Wenn nicht, dann
glauben Sie wenigstens uns, wenm Sie schon an eine
ewige Gerechtigkeit nicht glauben wollen: Sie werden
mit Ihrem Vorgehen neue unzufriedene
Massen schaffen, die eines Tages Sie samt Ihrem
Anhang aus dem öffentlichen Leben hinwegfegen werden.
Arbeiter und Angestellte! Wenn ihr
noch keinen richtigen Stimmzettel habt, so schneidet diesen
aus und gebt ihn ab!
Das Polizeiverbol des
„Reigen“
Was wird der Landeshauptmann
Reumann tun?
Heute nachmittags 4 Uhr ver¬
sammelt sich der Lamdtag Wien.] Manzglaubt
im Rathause, der Landeshauptmann werde den MMit
gliedern des Landtags= Mitteilungen Tüber den Stand
der Angelegenheit erstätten. Ein solcher Bericht könnte
möglicherweise den Anlaß zu lebhaften Aus¬
einandersetzungen zwischen den
Parteien geben, besonders dann, wenn die
Form eines Dringlichkeitsantreges
gewählt wird, um den Landeshauptmann zur Ein¬
greifen in eine Debatte über diesen Antrug zu
bestimmen.
Ueber den Standpunkt des Landeshauptmannes
macht ein heute in der „Arbeiter=Zeitung erschienener
Artikel Andeutungen. Dort heißt es unter anderem:
„Was nun die Rechtsfrage betrifft, so wird
der Landeshauptmann die „nach¬
träglicheinzuholende Genehmigung",
wie wir glauben, keineswegs er¬
teilen. Dazu liegt weder eine Verpflichtung noch
ein Anlaß vor. Verpflichtet ist nur die Sicherheits¬
behörde, die Genehmigung einzuholen; das besagt
natürlich nicht, daß sie der Landeshauptmann aussprechen
muß. Auch kein Anlaß: denn gegen den Theaterdirektor
ist auch die Einstellung durch die Sicherheitsbehörde
wirksam. Die Genehmigung würde aber auch einen
absurden Zustand herbeiführen. Da der Direktion
gegen die Entscheidung des Polizeipräsidenten der
Rekurs an den Landeshauptmann zusteht, so würde
eine Genehmigung der Entscheidung des Polizei¬
räsidenten durch den Landeshauptmann zur Folge
haben, daß sich dann der Rekurs an den Landes¬
hau mann als ein Rekurs gegen eine Entscheidung
des Londeshauptmannes darstellen würde. Der Herr
Polizeipäisident wird also auf die Deckung seiner frag¬
würdigen Entscheidung durch eine Genehmigung schon
verzichten mussen
Was Direktor Beraau sagt.
Einer unserer Redakteure hatte heute Gelegen¬
heit, mit Direktor Bernau über die Sachlage zu
sprechen. Der Direktor sagte unter anderem:
Der Rekurs gegen das Polizeiverbot wich
heute überreicht. Unabhängig davon werde ich
meine Schadenersatzansprüche ver¬
folgen. Denn ich habe durch das Verbot großen
Schaden erlitten. Sämtliche Doppelvorstellungen
waren bis Sonntag inklusive ausverkauft. Ich muß
das Geld für die gelösten Karten zurückerstatten.
die
ch bemüht,
vin
Derzeit
Namen und die Persönlichkeiten
der Skandalmacher festzustellen.
Gegen die Exzedenten werde ich vorgehen. Man
kaun doch unmöglich die Führung
eines Theaters, die Bildung eines
Repertoires in die Willkür der
Straße legen. Wenn auch gegen „Flamme“
Sturm gelaufen wird, so läßt mich diese künstlich ge¬
nährte Empötung kalt. Ich bin jetzt orientiert und
vorbereitet. So leicht wie vorgestern wird man den
Krawallmachern die Angriffe auf das Theater und
gesittete Theaterbesucher nicht mehr machen.