II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 716

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Reigen
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Hinter den Kulissen.
Der
(Das gefährliche Stück. — Berliner und Wiener Besetzungen.
Der Rechtsanwalt¬
neue, Rößler) — Harry Waldens Hochste perrolle.
Direktor.)
Die Fözuschen brennendse Thekterfrage, die momentan die
frei
Fschäftigt, ist die Ka#f der „Reigen“ in Wien
Gemüter
oder wird des ####eböten? In Berlin ereilte ihn bekanntlich
in letzterStünde ein Veto der Behörden, aus dem sich aber die
Theaterdirektion anscheinend nichts machte. Sie ließ Verbot
Verbot sein und spielte den „Reigen“. Hier in Wien liegt die
Entscheidung beim Bürgermeisier oder Landeshauptmann, der,
wie man wissen will, die Aufführungen unter der Voraus¬
sicht, daß dezent gespielt wird, gestatten will. Während in Berlin
die einzelnen Rollen nicht leicht zu besetzen waren — einige
Künstler wehrten sich aus komischer Prüderie gegen die einzelnen Typen
dieser Szenen —, gibt es in der Kanzlei des Volkstheaters einen
Wettlauf um die Rollen. Namentlich die „Schauspielerin“
Schnitzlers, deren Original — das darf man, da das Werk ja
jetzt schon historischen Rang hat, ruhig sagen — Adele Sandrock ist,
während zum Grafen ein Baltazzi Modell stand, namentlich
diese Schauspielerin also ist eine Rolle, nach der die Salondamen
des Volkstheaters mit allen Händen greifen. Wird sie Frau Olly
oder Fräusein Woiwode spielen? Die weiblichen Rollen werden
im Volkstheater viel besser besetzt sein, als in Berlin, wo für
die sünf wienerischen Rollen eine einzige wirkliche Wienerin,
Poldi Müller, dem Dichter half. Die Schauspielerin zum Beispiel
gab eine Ungarin, Blanche Dergan, die man vom Prager Deutschen
Theater geholt hatte. Besser war es um die männlichen Rollen.
So spielte Louis Ralph, von den Jarno=Bühnen bekannt, jetzt
ein oft genannter Filmregisseur, den Soldaten, und Karl Etlinger,
der zu diesem Zwecke extra die ihm zuwidere Fahrt nach Berlin
##ternommen hatte, den Dichter, während für den jungen Herrn
und Ehemann zwei reichsdeutsche Künstler wie Kurt Goetz und
Viktor Schwennecke zur Versügung standen. Felix Holländer hatte
bei seinem letzten Aufenthalt Schnitzler eine ganz andere, weit
bessere Besetzung versprochen. Aber Direktoren versprechen viel und
es liegt nicht einmal immer an ihnen, wenn sie ihre Zufagen
nicht halten können. Iu der Wiener Besetzung des „Reigen“
hätte Schnitzler gern Ida Roland gesehen. Und vielleicht tut
Frau Roland den von ihr verehrten Dichter sogar den Gefallen
Der andere Schlager der Bernau=Bühnen witd wohl Karl
das ist eine augenblicklich
Rößlers „Der pathetische Hut“
kopflose Königskrone — werden, den Bernau annahm, nachdei
ihm der Dichter die Komödie vorgelesen. Zum erstenmal, daß
einem Werk von Rößler in Wien eine so glatte Annahme be¬
chieden war. Aber jetzt gehört Rößler doch schon zu den Autoren,
denen die Theater nachlaufen. Früher war es — troß der großen
Erfolge — umgekehrt. „Die fünf Frankfurter“ zum Beispiel sind
von drei Wiener Prosabühnen resüsiert worden. Bis Direktor
Berger auf den Rat Hugo Thimigs hin das Lustspiel akzeptierte.
„Ich
Aber der damalige Volkstheaterleiter wollte es nicht geben.
kann doch nicht fünf Juden auf meinem Theater auftreten lassen“
meinte er. Und der zynisch=boshafte Rößler erwiderte: „Aber Herr
Direktor spielen doch den Wallenstein allein ...
Die große Feiertagsnovität der Renaissancebühne heißt
„Geständnis“, eine amerikanische Geschichte, die im Rahmen einer
Gerichtsverhandlung abrollt. Der junge Autor Cirricks, seines
Zeichens Journalist, hat die Fabel seines Stückes aus seiner
Zeitung entnommen. Es war ein Skandalprozeß, der ganz New¬
York in Aufregung brachte, handelte es sich doch um die Frau
eines der großen Geldmagnaten, eine bekannte Schönheit, die
eines Tages ihren Liebhaber erschossen, der, wie der sensationelle
Prozeß ergab, gar nicht ihr Liebhaber gewesen, sondern ein von
ihrem Mann bezahlter Verführer. Aus diesein Prozeß machte Cmricks
L
Eies THIN Au. Vn
25. Dmber 1920
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eine sponnende, effektvolle Komöbie, aus der der deutsche Be¬
arbener, der sonderbarerweise ein Ungar ist, eine Menge Einzel¬
heiten streichen mußte, die der Magen europäischer Theaterbesucher
einfach nicht verdaut hätte. Es blieben noch genug grausame
Details, aber dem amerikanischen Publikum würde die deutschen
Ohren zurechtgemachte Geschichte viel zu liebenswürdig klingen.
Das Stück bringt eine für Wien neue Reinhardt=Künstlerin, Maria;
Fein, Oskar Veregi wird als grapsamer Milltardär und
Harty Walden als Pariser Hochstabser zi sehen seinen

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