II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 732

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box 18/1
igen
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin MO. 45, Georgenkirchplatz 21
Nachrichten
Leitung
## Prankfurt a M.
Detum:—
RHET 1970
Berliner Theater
„Reigen“ mit Haftbefehl. Das war eine unweihnachtlich
stürmische Premiere im Kleinen Schauspielhause! Arthur
Schnitzlers „Reig#n“, seit 25 Jahren im Buch bekannt,
bisher nur in Rußland aufgeführt, soll dargestellt werden
Eine Mittagszeitung meldet plötzlich: Verbot. Eine Zensur
gibt es zwar nicht mehr, aber die Hochschule für Musik, als
Hauswirt, soll eingeschritten sein. Die Direktion dementiert,
Tohuwabohn.
Abends öffnet sich der Vorhang und Gertrud Eysoldt hält,
als Direktorin, blaß vor Erregung, eine Ansprache. Erst vor
brei Stunden habe die Hochschule das Verbot erwirkt, indem sie
auf Schnitzlers Werk einen Paragraphen des Mietsvertrages
anwende, der unzüchtige Stücke dem Hause fernhalten soll. Sechs
Wochen Haft seien der Direktion angedroht. Aber sie spiele doch.
Gertrud Eysoldt ist eine verehrungswürdige Künstlerin
und wenn sie schwört, nur der Kunst zu dienen, so darf niemand
daran zweifeln. Ihrem kaufmännischen Sozius, der nicht bloß
die Kunstliebe des Publikums befriedigen will, hätte man schon
schärfer auf die Finger gesehen. Indessen, das täppische Vorgehen
seiner Prozeßgegner vom Kultusministerium setzt ihn ins Recht.
Ihre Weigerung, Proben anzusehen, ihr spätes Einschreiten, ihr
Haftdrohung und zuletzt ihr Verzicht auf alle Rechtsmittel ent¬
scheiden gegen die Zielklarheit des Ministeriums.
Ist Schnitzlers „Reigen“ unzüchtig? Diese Frage kann nie¬
mand im Ernste stellen, der die Dialoge kennt. Denn sie be¬
##andeln das Gewagteste, die Paarung der Menschen, ohne
umpheit, ohne Lüsternheit, ohne Grinsen und Schmunzeln.
# Planz von Witz, Grazie, Nachdenklichkeit ruht über diesen
g#enen. Durch alle Schichten der Gesellschaft dreht sich der
Reigen, als ob ein geheimnisvoller Ring von Hand zu Hand
wandere: von der Dirne zum Stubenmädchen, vom Stuben¬
müdchen zur Dame, von der Dame zum „süßen Mädel“, vom
süßen Mädel zur Schauspielerin und von der Schauspielerin
zurück zur Dirne. Immer steht nur ein Paar auf der Bühne,
vor, in und nach der höchsten Elstase.
Je höher das Kunstwerk sieht, desto höher spannt es seine
Ansprüche. Nur die a###egtene Künstlerschaft könnte diese
zarten, durchaus nicht s## ## Kühne gedachten Dialoge auf der
Szene erträglich mach#n ## für meine arme Seele bekenne,
daß sonst der Bühne nichts mmseht, wenn der „Reigen“ sich auch
weiterhin an reise Leier wendet. Zum mindesten zeigte das
Kleine Schauspielhaus schon durch die unmöglichen Darstelle¬
rinnen der Frauenrollen, daß es seiner Aufgabe nicht gewachsen
wäre. Man war, das muß zugegeben werden, dezent im Ver¬
schleiern des Heikeln, dezent bis zur Aufhebung der Illusion.
Aber die Kunst, von der in den Ansprachen des Abends so viel
die Rede war, hätte lieber die Inszenierung eifriger segnen
ollen. In den Männerrollen zeichneten sich zwar Bonvivants
wie Kurt Götz und vor allem, in der Rolle des Grafen, Robert
Forster=Larrinago aus. Aber das Niveau des erlesen¬
sten Kammerspiels konnten sie, von ihren Partnerinnen im
Reigentanz gehemmt, nicht erreichen. So bleibt es besser bei
jener Entscheidung, die der einzig zuständige Zensor 25 Jahre
lang gefällt hat, nämlich Arthur Schnitzler selbst. Sie heißt:
M. J.
der Reigen ist ein Novellenbuch, kein Theaterstück.
Berliner Theater
Ich habe mir Mühe gegeben, unter den Besuche#
des Kleinen Scauspielhauses einen zu
entdecken, von dem ich annehmen konnte, daß er rein
genug sei. daß ihm alles rein erschiene. Vergebene
Müh! Die da gekonfnen waren, im Schnitzlers
Szenenfolge „Reigen“ auf der Bühne zu sehen,
die Sensation des Verbots gelockt. Das p. t. Kultus¬
ministerium hatte dem Sagltheater in Chanlottenburg
die schönste Reklame bereitet, die man sich benken kann.
Und nun der „Reigen“ selbst? Vor drei Jahren hätte
er durch den roten Faden, der die Szenchen miteinander
verbindet, durch die allen Dialogen gemeinsame Tondenz
noch gereizt. Aber heute, im Zeitalter Celly de
Rheidts? Man hat sich inzwischen an stärkere Kost
gewöhnt an eine Kost, die noch den Vorzug besitzt. un¬
literarisch zu sein. Und dann die ausgesprochen öster¬
reichische Färbung der Liebe. „Schatzerl“,
„Süßes
Mädel“ .. hier kennt man das nicht. Hier heißt es:
„Ochste mit, Kleener?“ Fertig ist die Laube. Business
s business. Berlin. Es spielten: Poldi Müller
(reizend!), Frl. Dergan (Lustig!), Herr Ettlinger,
Herr Forster=Larrinaga ... Ein paar junge
WEA
Maochen waren enttäuscht: „Ach, so wie bei Franz am
Kurfürstendamm war's doch nicht“
Leo Heller.