II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 760

11. Reigen
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Vom Bel zu Babel
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Donaugrazien umschwebten, zu kurzer Rast, manchmal noch
den Wiener. Der gehört einer Literatenplejade (von, unge¬
fähr, 1890) an, die von der Gunst einer ihr durch mancherlei
Interessensträhnen verbündeten Rezensentenzunft mit Lob
aufgepäppelt und deren übelster Blähung noch bescheinigt
wurde, daß sie nach Ambrosia dufte. Kaum jemals hat drum
dieser Schriftsteller, der in hellen Jugendstunden ein Dichter
schien, gehört, daß zwar seines Wollens Niveau stets an¬
sehnlich blieb, das Gespinnst seines nach Schöpfung lüsternen,
im Zeugervermögen, leider, nicht der Begierde gleichen Geistes
aber von Jahrzehnt zu Jahrzehnt dünner wurde; kaum je
die goethische Warnung, den Turnierpreis außerhalb der
Schranken zu suchen, Warnung, die in seinem Fall deutlich
lauten mußte: Verirre Dich nicht tiefer noch in die Sucht,
Wirkung, die Deine Kunst nicht zu erlangen vermag, aus
entlehntem, künstlich gehitztem Erotenreiz zu erbrüten. Wer
diesen Reiz klug nutzt, kann mit Talentaufwand, von dem
anderer Stoff noch nichtgenießbar würde, einem großen Publi¬
kum den Gaumen kitzeln. „Reigen“ ist ein ganz von dieses
Reizes sumpfig schillernder Gnade lebendes Parergon. Nicht
stark, den Meisterwerken der (uralten) Gattung nicht ein¬
mal von fern zu vergleichen, nur in einer einzigen, dem
Erlebnißzufall nachgeschriebenen Szene (deren Personen=Ur¬
bilder der Kundige mit Händen greifen kann) schwer von
der Wucht des allzu Menschlichen, das bis in den luftigen
Bereich des Humors aufwippt; als Ganzes das nette Neben¬
werk eines Geistreichen, der weder den Muth zu allverachten¬
der Frechheit noch die wilde Grazie, die sonnentrunkene Lyrik
des hoch über Sittlichkeit und Sitte seiner Zeit aufgebäum¬
ten aristophanischen Dichters hat. Daß dieses Ding wurde,
ist kein Unglück; wäre es nie geworden: kein der Pflege
werthes grünes Spitzchen fehlte im Garten unserer Literatur.
Eine jenseits von deutscher Censurmacht hergestellte Ausgabe
(„für Liebhaber“, „für Kunstfreunde“ oder wie mans, nach
berüchtigtem Muster, sonst nennen mochte), hätte dem Ver¬
fasser ein hübsches Stück Geld eingebracht. Er hats ver¬
schmäht: offenbar in dem noblen Gefühl, daß so würzig an
vespasianische Münze erinnernde Einkunft ihm nicht zieme.
Nur Freunden, ernsthaft in Kunstbetrachtung Versenkten