II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 762

Re
11. Eigen
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Vom Bel zu Babel
ander über die Szene ködern sieht und nebenan mit ihrem
welken Leib sättigen (beinah) hört. Dort aber war immer¬
hin noch Tragoedienluft, war Symbolik, die Paarung das
Sinnbild einer Erlebnißsumme; und drunter Franks kirchen¬
väterlich keusches Schaudern vor all dem Unheil, das der
Pandorabüchse, der Scheide im Weibsschoß, entströmt. In dem
„Reigen“, der auf der Bühne nur die am Stoff Klebenden nicht
langweilt, ist nichts, soll gar nichts Anderes sein als spiele¬
rische Darstellung des Reizes, der auf die vasomotorischen
Nerven wirkt. Hier soll nur gezeigt, mit Zuckflämmchen illu¬
minirt werden, wie Erektion wird und wieder abschwillt. Ist die
Kluft nicht sichtbar, die Tiefe des Unterschiedes nicht ruch¬
bar? Shakespeares majestätische Weisheit ließ uns Julia Ca¬
pulet, noch matt vom süßen Weh erster Begattung, in Ro¬
meos Arm auf dem Lager sehen und hören. Diese Vermähl¬
ung der Leiber empfinden wir als nothwendige Frucht der
Seelenvermählung, die wir seit dem Blitzstrahl im Ballsaal
werden sahen. Ist solches ewigen Wunders Darstellung gleich¬
artig, gar gleichwerthig einer, die zu zeigen bemüht ist, wie
ein Männchen ein Weibchen eräugt, das auf seine Gefäß.
nerven reizend wirkt und das er an sich, an dem er sich
geschlechtlich zu erwärmen sucht?
Auch diese Darstellung, ruft man, sei erlaubt; denn der
Freiheit der Kunst sei nirgends eine Grenze gesetzt. Nir¬
gends auch da, wo sie in öffentliches Gewerbe austritt? Euer
„Reigen“ zeugt gegen Euch. Weshalb werden die Begattung¬
akte selbst, in deren Verlauf oft die echtesten, mensch-thie¬
risch tiefsten Laute aus Mannheit und Weibheit aufheulen,
aufkeuchen, nicht vorgeführt, sondern durch kitschige Fetzen
von Musik ersetzt, der hier (unter dem Dach der Hochschule
für Musik) das Amt des Stimmung machenden Klavierspie¬
lers im Bordell zugewiesen ist? Weil dem Gewerbe öffent¬
licher Kunstausstellung eben doch eine Grenze gezogen ist.
Wo läuft sie? Auf der Linie, die leidenschaftliche Wall¬
ung von Prostitution scheidet. Und Prostitution, scheint mir,
ist da, wo die Geberde sexualer Begierde von dem Zweck
des Gelderwerbes bestimmt ist. Das Weib, das seinen Schoß
dem Stundenmiether öffnet und ihm eine der Höhe des Pacht¬
zinses angemessene Erregtheit oder Paarunglust vortäuscht,