II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 765

Re
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11. Bigen
graften Gott der Herr unser Volk dur#
Solch köstlichs Frucht macht rechtgetragenes Leide
Scrat und ist sihn tiefer Lohn.
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Der Kampf um den „Reigen“.
Das Kuliusministerium gibt nunmehr eine Darstellung der
2— „Reigen“=Affäre. Sie ist geeignet, in jeder Weise die sen¬
sationelle Aufbauschung, die nun einmal in der liheralen Boulevard¬
presse bei allen nebensächlichen Theaterangelegenheiten Brauch
ist, auf ihre wahre Bedeutung zurückzuführen. [Die liberale Presse
und ihre Hintermänner fürchten, daß mit der Sozialisierung der
Theater Ernst gemacht werde, und sie benutzt jede Gelegenheit, um
im Namen der Freiheit und der Kunst dagegen Strm zu laufen.
*
Der Fall des „Reigens“ hat dafür reichlich herhalten müssen.
Wie war es nun?
Die Hochschule für Musik hatte in einem für den
Staat höchst be¬

denklichen Konirakt (170 M. pro Abend!) einen
Saal an Frau
*
Eysoldt überlassen. Das Ministerium ließ ihn nur gelten, weil die
Pächterin wenigstens alle Versicherungen für einen literarischen
*
Charakter des Unternehmens abgab und sich ausdrücklch verpflichtete,

nur sittlich, künstlerische und politisch unbedenklichs Stücke aufgu¬
führen. Das sich auszubedingen, war durchaus Pffcht einer Ver¬
waltung, die öffentliche Verantwortung trägt. Leider hielt sich das
Theaterunternehmen, dem der durch Sommeraufführutgen bereicherte
Herr Sladek beitrat, nicht daran, sondern etablierte ene Anstalt für
rrotische Theaterstücke, da ihm diese die beste Zugkraft zu bieten
schienen. Da der Einspruch gegen die „Reigen“=Aufführung nichts
fruchtete, griff dann das Ministerium zu der bekannten einstweiligen
Verfügung, die aus technischen Gründen verzögert wurde. Der
weitere Verlauf ist betannt. Die einstweilige Verfügung wurde
vorläufig zurückgezogen und im Namen der Freiheit und der
Kunst macht nun das Unternehmen glänzende Geschäfte mit einem
alten Stück, das für eine öffentliche Aufführung nie bestimmt war
und das bisher von keinem Theater aufgeführt wurde. Berlin W.
hat seine erotische Sensation, wofür es gern die höchsten Preise
zahlt. Armer Schnitzler!
Die Freie Volksbühne hat ein Abkommen mit dem
Kleinen Schauspielhaus; sie hat aber, wie wir erfahren, darauf
verzichtet, ihren Mitgliedern in irgendeiner Form den „Reigen“
zu bieten. Die liberale Presse wird jetzt, nachdem sie das Thema
von der Wiedereinführung der Zenfur zu Tode geleiert hat, wahr¬
scheinlich entbecken, daß die Volksbühne in den Händen von Ba¬
nausen ist. Welch ein Frevel am dreimal heiligen Theatergeschäft,
wenn den 14—18jährigen Kindern des Volkes die Physiologie des
Koitus vorenthalten wird.
Und die Zensur? Wir sind selbstverständlich gegen jeden
Versuch, die Theaterzensur wieder einzuführen. Das Vorgehen
des Kultusministeriums hat aber damit auch nichts zu tun: es
wollte seinem Haus den Charakter wahren, den es sich im Ver¬
trage ausbedungen hatte, und da dies nicht gelang, sich wieder
die Verfügung über einen Saal verschaffen, den es für seine Unter¬
richtszwecke dringend braucht. Ungeschicklichkeiten mögen dabei be¬
gangen sein — vor allem hätte man die Presse sofort gründlich
aufklären sollen. Aber deswegen das Geschrei? Die erotische
Hausse wird sich verlaufen, das Regime Sladek wird sein natür¬
liches Ende finden. Je mehr sich die Volksbühnen¬
bewegung ausbreitet, um so mehr wird das
[Theeter wieder feinen idealen Zwecken zugen
*
führt werden. Würde und Veranwortung werden darüber
walten. Kein Geschäftsinteresse wird im sozialistischen Theater
der Volksgenossen erotischen Kitzel heischen, und der „Reigen“ wird
seiner natürlichen Bestimmung zurückgegeben werden.
Staatätbraten