II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 766

11.
box 18/1
Reigen
Warum der „Reigen“ verboten
wurde.
Aus Berlin wird uns telegraphiert: Das
preußische Kultusministerium ver¬
öffentlicht jetzt, nachdem das Verbot der
„Reigen“ = Aufführung an der Hoch¬
schule für Musik zurückgezogen worden ist, eine
längere Darstellung, um sein Verhalten
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in dieser Frage zu rechtfertigen. Es wird in
diesen Ausführungen die bereits bekannte Tat¬
sache betont, daß der Saai in der Hochschule, der
Frau Direktor Eysoldt zu äußerst ge¬
ringem Enigelt nur deshalb überlassen
worden sei, weil sie versichert habe, daß sie aus
dem Theater ein literarisches Unter¬
nehmen ersten Ranges machen wollte
und weil sie sich im Vertrage verpflichtete, daß
Stücke ausgeschlossen sein sollen, die in
künstlerischer, sittlicher oder poli¬
tischer Richtung Anstoß erregen könnten.
Die Unterrichtsverwaltung hat nun ruhig zuge¬
sehen, wie sich die Dinge entwickelten. Sie has
weder „Die Büchse der Pandora“, noch
„Den Floh im Panzerhause“ noch die
„Ebelei“ von Bahr beanständet. Als
aber dann bekannt wurde, daß der „Reigen“
aufgeführt werden sollte, hat sich der Theater¬
referent mit der Direktion ins Einpernehmen
gesetzt und dabei hat der Mitdirektor Slades
ganz ehrlich zugegeben, daß die Heraus¬
bringung des „Reigens“ ein unmittelbas
finanzielles Erfordernis sei, Nach
dem schlechten Gange des Theaters im Sommes
war es notwendig, dieses starke Stück zu geben,
Sogar ein politisch sehe weit linksstehender
Journalist, der vorsichtshalber nicht genanns
wird, erklärte, als er dus Stück gesehen hatra,
einen größeren Schmarin gebe es
nicht, das sei wohl die deusber
Litichighe
Aufsebrung
schwerer finanzieller Reinfall. So¬
gar als Reinhardt vor einiger Zeit die
Aufführung des „Reigens“ plante, hat seine
schauspielerisch stärkste Kraft,
Moissi, erklärt: „Ich spucke alle
Damenan, die in diesem Stück auf¬
treten.“ Das Stück wurde in den Kammer¬
spielen hann nicht gespielt.
Die Darstellung des Kultusministeriums
gibt natürlich der katholischen Presse Ge¬
legenheit, in schärfster Weise gegen die
Aufführung des „Reigens“ zu Felde zu
ziehen und nach der Theaterzensur
zu schreien, obwohl die Theaterzensur durch
die neue deutsche Reichsverfassung vollständig
aufgehoben ist. Die einzelnen Angaben des
Kultusministers werden allgemein von allen
fortschrittlichen und freiheitlich denkenden Ele¬
menten verurteilt und auch der Standpunkt des
Kultusministers als versehlt bezeichnet. Das ist
den Herren vom Kultusministerium in den Ver¬
handlungen über das Verbot des „Reigens“ von
allen literarischen Sachverständigen deutlich ge¬
sagt worden.

Der „Reigen“ in Bersin.
Eine Rechtfextigung des Kultus¬
Alussteriums.
Berlin,8. Janner. (Privat=Depesche.)
Das preußische Kultusministerium veröffentlicht ietzt,
nachdem das Verbot der „Reigen“=Aufführung an der
Hochschule für Musik zurückgezogen worden ist, eine
ängere Darstellung, um sein Verhalten in dieser Frage
zu rechtfertigen. Die Unterrichtsverwaltung gibt Auf¬
chlüsse, wie sich die Dinge entwickelten. Sie

hat weder „Die Büchse der Pandora“, noch
*
den
„Floh im Panzerhause“, noch die

„Ehelei“ von Bahr beanständet, Als aber dann
bekannt wurde, daß der „Reigen“ aufgeführt##rden
sollte, hat sich der Referent mit der Direktion ins
Einvernehmen gesetzt, und dabei hat der Mitdirektor
Sladek ganz ehrlich zugegeben, daß die Heraus¬
bringung des „Reigen“ ein unmittelbar fina###elles
Erfordernis
sei. Ein politisch sehr weit
links stehender Journalist, der vorsichtshelber
nicht genannt wird, habe erklärt, als
er das
Stück gesehen hatte, einen größeren Schmarrn gebe es
nicht. Sogar als Reinhardt vor einiger Zeit die Auf¬
führung des „Reigen“ plante, hat seine schaufpiele¬
risch stärkste Kraft, Moissi, erklätt:
„Ich, sucke
alle Damen an, die in diesem Stück auftreten. Das
Stück wurde in den Kammerspielen dann nicht gelmelt.
Die Darstellung des Kultusministeriums gibt
natürlich der katholischen Presse Gelegenbeit in shürf¬
ster Weise gegen die Aufführung des „Reigen“ las¬
zu ziehen und nach der Theaterzenfur zu schreien, ob¬
vohl diese vollständig aufgehoben ist. Die einzelnen
Angaben des Kultusministers werden allgemein von
allen fortschrittlichen und freiheitlich denkenden Ele¬
menten verurteilt.
Schnitzlers Reigen freigegeben gBBerlin, 6. ds. So
(Wolffbur.) Schnitzlers Reigen ist ourch das Urteil des
Landesgerichtes freigegeben worden. Das Urteil ver¬
tritt die Auffassung, daß die Aufführung im kleinen
Schauspielhaus nicht geeignet sei, das sittliche Empfin¬
den zu verletzen.
Volkswirtschaft.
Devisen und Valuten.
§ Wiener Devisen: Wien, 5. Jän. Amsterdam 218.—219.—, Agram418 —
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112.—114 —, Bukarest 914.50—920.50, Cbristianta
Kopenhagen,
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710 —. Stockholm 137.70
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