box 18/1
11. Reigen
IBURS WIENER JOURNAE
WIEN
1I JAAUiR 1921
Pet 3.
11. Janms 1821
Wu#
Der Kampf gegen die Preistreiber.
Die Arbeiterschaft will zur Selbsthilfe greifen.
Unter dem Vorsitze des Bundeskanzlers Dr. Mayr begann müsse für sie die Todesstrafe und die Prüge!“
strafe einführen. Wenn bis zum 20. Januar keine ernsten
gestern die von der Regierung veranstaltete Enquete über den
Maßnahmen getroffen würden, so müßten die Arbeiter
Preisabbau. Der Bundeskanzler betonte die Schwierigkeit des
zur Selbsthilfe greifen. Sie würden jeden Schieber,
Problems, den bescheidensten Bedürfnissen weiter Bevölkerungs¬
den sie erwischen, eigenhändig aufhängen.
kreise unter den heutigen Verhältnissen Rechnung zu tragen, da
Notwendig sei auch die sofortige Einführung
jede Steigerung der Einnahmen durch ein weiteres Hinaufschnellen
der Zensur für Telephon und Telegraph.
der Warenpreise bald zunichte gemacht werde. Es gelte mit
Hofrat Dr. Sperl erklärte, es hänge vom Tem¬
Hilfe ausgiebiger ausländischer Kredite
perament ab, wie weit man den Ausführungen des
unsere Valuta zu verbessern und zu
Vorredners folgen wolle, aber die Grundidee seiner
stabilisieren, die Mußgaben des Staates
Darlegungen müsse von allen Seiten geteilt werden.
mit seinen Einkalmen möglichst in Ein¬
Der Vertrauensmann der Südbahner Ruzicka wandte sich
klang zu bringedem man besonders die Kriegs¬
egen den Zwischenhandel und die Wirt¬
gewinner kräftis Motanziehe, und schließlich ein
chaftinden Zentralen. Wenn die Bevölkerung zum
euf gegen die Preis¬
energisches Vock
Aeußersten getrieben werde, so könne es am 20. Januar zum
treiberei. Er kündigt# die Vorlage eines Preistreiberei¬
vollständigen Stillstande der Eisen¬
gesetzentwurfes an, de Geldstrafen bis sünf
bahnen, des Telephons und des gesamten
Millionen Kronen und Freiheitsstrafen
Verkehrs kommen. Der Experte Deutsch (Wirtschafts¬
[bis zu zehnjährigem Kerker festsetze.
genossenschaft der Invaliden) verlangte Z wangsarbeit für
In der sich hierauf entspinnenden Debatte erklärte der
Schieber und nicht bloß Entfernung wuchernder Ostjuden,
Vertreter der Technischen Union Werner, daß wenn bis zum
sondern auch gewisser Leute aus dem Westen. Der Delegierte des
20. Januar in der Frage des Preisabbaues nicht wirklich
Zentralverbandes der Staatsangestellten Neugebauer
ernst gemacht werde, so werden die Südbahner
kündigte an, daß die Staatsangestellten dem¬
soli¬
und die Technische Union
nächst wieder mit gewaltigen Forderungen
darisch in den Streik treten und solange im
an die Regierung herantreten werden. Die Ver¬
Es
Streik verharren, bis ein greifbares Resultat erzielt wird.
handlungen wurden sodann auf heute vertagt.
genüge nicht, den Schiebern eine Geldbuße aufzuerlegen, man
weil keine Deckung vorhanden war. Ueber Ersuchen Dr. Eislers
beim Vorweisen eines ungültigen Fahrt¬
Die Mindestgebühr
wurde dann für die Neuaufnahme der Verkaufsverhandlungen ein
ausweises oder bei verspäteter Lösung eines Fahrscheines wurde von
neuer Termin festgesetzt, und zwar der 8. Januar. Dazu kam es
Kronen 6°— auf Kronen 10•— erhöht.
Die Anträge des Unternehmungsausschusses werden morgen den
aber nicht mehr, da inzwischen das Hochstaplerpaar entlarvt
Stadtsenat und Freitag den Gemeinderat beschäftigen.
wurde. Graf Josef Colloredo, seine Gattin Rosa Mels=Colloredo,
deren Mutter Maria Horsky und seine geschiedene Frau Manzierski
wurden heute dem Landesgericht eingeliefert.
Die Grazer Betrugsaffäre.
Die Bilder aus Schloß Plankenwarth in Wien
zustandegebracht.
Maximilian Harden gegen
(Privattelegramm des „Neuen Wiener Journals“.)
Graz, 10. Januar.
Artur Zönister.
Der Besitzer des Schlosses Plankenwarth Dr. v. Scarpadetti
Das Gutachten über Schnitzlers „Reigen“.
erhielt gestern die Mitteilung, daß die drei kostbaren Gemälde,
Maximilian Harden veröffentichnuesten
die aus dem Schlosse verschwunden waren, bei einem Altwaren¬
Nummer der „Zukunft“ das Gutachten über Schnitzlers
„Reigen“, welches die Hochschulejär Kunst und Musik
händler in Wien namens Paunsen beschlagnahmt wurden.
in Berlin von ihm erbeten hatte. (Wenzt wir uns auch
sie ihm um
Rosa Mells=Colloredo hatte
durchaus nicht mit der scharfetztAbweisug identifiziere
195.000 Kronen verkauft, während die Bilder einen Wert von
können, welche Harden dem Schnitzlerschen Werk zutell
über anderthalb Millionen besitzen. Paunsen hatte sich vor kurzem
werden läßt, so glauben wir doch mit Rücksicht auf die
literarische Stellung Hardens und den Ernst seiner Kritik
im Schlosse Plankenwarth eingefunden und ließ sich dort dem
das überaus scharfe Urteil unseren Leserkreise nicht vor¬
Besitzer des Schlosses, dem Dr. Scarpadetti, als Sekretär des
enthalten zu dürfen. Harden scheibt:
Sohnes der Familie Colloredo vorstellen, der in Wirklichkeit
Herr Artur Schnitzler ist ein Wortkünstler, in dem, nach
gar nicht existiert. Allerdings hält sich in Garmisch¬
eigenen Urteil, niemand herzlicher als ich einst eine
seinem
Partenkirchen ein junger Mann auf, der angeblich von der
Hoffnung deutscher Dramatik begrüßt hat. Aus der Knospe dieser
Familie adoptiert werden sollte.
Hoffnung ist nicht vollreife Frucht geworden. Der Dämon, der
Dr. v. Scarpadetti war wiederholt vor dem Treiben der
Genius war ausgeblieben; nur ein paar Donaugrazier
Colloredo gewarnt worden. Sein Grazer Rechtsfreund Doktor
umschwebten, zu kurzer Rast, manchmal noch den Wiener.
Rödiger riet ihm zu besonderer Vorsicht. Die Gattin Doktor
gehört einer Literatenplejade (von ungefähr 1890)
Der
v. Scarpadettis gab der Gräsin Colloredo die ihrem Mann ge¬
an, die von der Gunst einer ihr durch mancherlei
sandten Warnungsbriefe, worüber die Gräfin sehr erzürnt war und
Interessensträhnen verbündeten Rezensentenzunft mit Lob
sich entrüstet äußerte. Sie telephonierte dem Rechtsanwalt Doktor
aufgepäppelt und deren übelster Blähung noch bescheinigt
Deutsch in Wien, der als seinen Grazer Vertreter den ehe¬
wurde, daß sie nach Ambrosia dufte. Kaum jemals hat drum
maligen Unterstaatssekretär Advokaten Dr. Eisler mit der
dieser Schriftsteller, der in hellen Jugendstunden ein Dichter
Sache betraute. Dr. Eisler kam nach Schloß Plankenwarth und
schien, gehört, daß zwar seines Wollens Niveau stets ansehnlich
verhandelte dort längere Zeit mit der Gräfin. Dr. v. Scarpadetti
Krhm insternen. int
BL
11. Reigen
IBURS WIENER JOURNAE
WIEN
1I JAAUiR 1921
Pet 3.
11. Janms 1821
Wu#
Der Kampf gegen die Preistreiber.
Die Arbeiterschaft will zur Selbsthilfe greifen.
Unter dem Vorsitze des Bundeskanzlers Dr. Mayr begann müsse für sie die Todesstrafe und die Prüge!“
strafe einführen. Wenn bis zum 20. Januar keine ernsten
gestern die von der Regierung veranstaltete Enquete über den
Maßnahmen getroffen würden, so müßten die Arbeiter
Preisabbau. Der Bundeskanzler betonte die Schwierigkeit des
zur Selbsthilfe greifen. Sie würden jeden Schieber,
Problems, den bescheidensten Bedürfnissen weiter Bevölkerungs¬
den sie erwischen, eigenhändig aufhängen.
kreise unter den heutigen Verhältnissen Rechnung zu tragen, da
Notwendig sei auch die sofortige Einführung
jede Steigerung der Einnahmen durch ein weiteres Hinaufschnellen
der Zensur für Telephon und Telegraph.
der Warenpreise bald zunichte gemacht werde. Es gelte mit
Hofrat Dr. Sperl erklärte, es hänge vom Tem¬
Hilfe ausgiebiger ausländischer Kredite
perament ab, wie weit man den Ausführungen des
unsere Valuta zu verbessern und zu
Vorredners folgen wolle, aber die Grundidee seiner
stabilisieren, die Mußgaben des Staates
Darlegungen müsse von allen Seiten geteilt werden.
mit seinen Einkalmen möglichst in Ein¬
Der Vertrauensmann der Südbahner Ruzicka wandte sich
klang zu bringedem man besonders die Kriegs¬
egen den Zwischenhandel und die Wirt¬
gewinner kräftis Motanziehe, und schließlich ein
chaftinden Zentralen. Wenn die Bevölkerung zum
euf gegen die Preis¬
energisches Vock
Aeußersten getrieben werde, so könne es am 20. Januar zum
treiberei. Er kündigt# die Vorlage eines Preistreiberei¬
vollständigen Stillstande der Eisen¬
gesetzentwurfes an, de Geldstrafen bis sünf
bahnen, des Telephons und des gesamten
Millionen Kronen und Freiheitsstrafen
Verkehrs kommen. Der Experte Deutsch (Wirtschafts¬
[bis zu zehnjährigem Kerker festsetze.
genossenschaft der Invaliden) verlangte Z wangsarbeit für
In der sich hierauf entspinnenden Debatte erklärte der
Schieber und nicht bloß Entfernung wuchernder Ostjuden,
Vertreter der Technischen Union Werner, daß wenn bis zum
sondern auch gewisser Leute aus dem Westen. Der Delegierte des
20. Januar in der Frage des Preisabbaues nicht wirklich
Zentralverbandes der Staatsangestellten Neugebauer
ernst gemacht werde, so werden die Südbahner
kündigte an, daß die Staatsangestellten dem¬
soli¬
und die Technische Union
nächst wieder mit gewaltigen Forderungen
darisch in den Streik treten und solange im
an die Regierung herantreten werden. Die Ver¬
Es
Streik verharren, bis ein greifbares Resultat erzielt wird.
handlungen wurden sodann auf heute vertagt.
genüge nicht, den Schiebern eine Geldbuße aufzuerlegen, man
weil keine Deckung vorhanden war. Ueber Ersuchen Dr. Eislers
beim Vorweisen eines ungültigen Fahrt¬
Die Mindestgebühr
wurde dann für die Neuaufnahme der Verkaufsverhandlungen ein
ausweises oder bei verspäteter Lösung eines Fahrscheines wurde von
neuer Termin festgesetzt, und zwar der 8. Januar. Dazu kam es
Kronen 6°— auf Kronen 10•— erhöht.
Die Anträge des Unternehmungsausschusses werden morgen den
aber nicht mehr, da inzwischen das Hochstaplerpaar entlarvt
Stadtsenat und Freitag den Gemeinderat beschäftigen.
wurde. Graf Josef Colloredo, seine Gattin Rosa Mels=Colloredo,
deren Mutter Maria Horsky und seine geschiedene Frau Manzierski
wurden heute dem Landesgericht eingeliefert.
Die Grazer Betrugsaffäre.
Die Bilder aus Schloß Plankenwarth in Wien
zustandegebracht.
Maximilian Harden gegen
(Privattelegramm des „Neuen Wiener Journals“.)
Graz, 10. Januar.
Artur Zönister.
Der Besitzer des Schlosses Plankenwarth Dr. v. Scarpadetti
Das Gutachten über Schnitzlers „Reigen“.
erhielt gestern die Mitteilung, daß die drei kostbaren Gemälde,
Maximilian Harden veröffentichnuesten
die aus dem Schlosse verschwunden waren, bei einem Altwaren¬
Nummer der „Zukunft“ das Gutachten über Schnitzlers
„Reigen“, welches die Hochschulejär Kunst und Musik
händler in Wien namens Paunsen beschlagnahmt wurden.
in Berlin von ihm erbeten hatte. (Wenzt wir uns auch
sie ihm um
Rosa Mells=Colloredo hatte
durchaus nicht mit der scharfetztAbweisug identifiziere
195.000 Kronen verkauft, während die Bilder einen Wert von
können, welche Harden dem Schnitzlerschen Werk zutell
über anderthalb Millionen besitzen. Paunsen hatte sich vor kurzem
werden läßt, so glauben wir doch mit Rücksicht auf die
literarische Stellung Hardens und den Ernst seiner Kritik
im Schlosse Plankenwarth eingefunden und ließ sich dort dem
das überaus scharfe Urteil unseren Leserkreise nicht vor¬
Besitzer des Schlosses, dem Dr. Scarpadetti, als Sekretär des
enthalten zu dürfen. Harden scheibt:
Sohnes der Familie Colloredo vorstellen, der in Wirklichkeit
Herr Artur Schnitzler ist ein Wortkünstler, in dem, nach
gar nicht existiert. Allerdings hält sich in Garmisch¬
eigenen Urteil, niemand herzlicher als ich einst eine
seinem
Partenkirchen ein junger Mann auf, der angeblich von der
Hoffnung deutscher Dramatik begrüßt hat. Aus der Knospe dieser
Familie adoptiert werden sollte.
Hoffnung ist nicht vollreife Frucht geworden. Der Dämon, der
Dr. v. Scarpadetti war wiederholt vor dem Treiben der
Genius war ausgeblieben; nur ein paar Donaugrazier
Colloredo gewarnt worden. Sein Grazer Rechtsfreund Doktor
umschwebten, zu kurzer Rast, manchmal noch den Wiener.
Rödiger riet ihm zu besonderer Vorsicht. Die Gattin Doktor
gehört einer Literatenplejade (von ungefähr 1890)
Der
v. Scarpadettis gab der Gräsin Colloredo die ihrem Mann ge¬
an, die von der Gunst einer ihr durch mancherlei
sandten Warnungsbriefe, worüber die Gräfin sehr erzürnt war und
Interessensträhnen verbündeten Rezensentenzunft mit Lob
sich entrüstet äußerte. Sie telephonierte dem Rechtsanwalt Doktor
aufgepäppelt und deren übelster Blähung noch bescheinigt
Deutsch in Wien, der als seinen Grazer Vertreter den ehe¬
wurde, daß sie nach Ambrosia dufte. Kaum jemals hat drum
maligen Unterstaatssekretär Advokaten Dr. Eisler mit der
dieser Schriftsteller, der in hellen Jugendstunden ein Dichter
Sache betraute. Dr. Eisler kam nach Schloß Plankenwarth und
schien, gehört, daß zwar seines Wollens Niveau stets ansehnlich
verhandelte dort längere Zeit mit der Gräfin. Dr. v. Scarpadetti
Krhm insternen. int
BL