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Reigen
ehrier Herr Professor Volkelt, soist es die menschliche Pban¬
tasie, der glauben gemacht wird, der Geschlechtsakt
ei etwas Unzüchtiges. Er ist nicht einmal unzüchtig zwischen
nitter.
einer Dirne und einem Soldaten, unter der Einschränkung, daß ein
Dichter ihn gestaltet. Ist es nicht besser, man heiligt die Geschehnisse
dieser Sphäre (da sie nun einmal nicht wegzuleugnen sind), als daß man
itteln aber gutem Ge¬
sie als verrucht hinstellt und so die Phantasie anreizt, sich mit ihnen erst
eine neue und gefällige
recht zu beschäftigen? Schnitzler hat ohne Scheu vor dem Skofflichen, dem
namenreichen Bühne,
Stofflichen das Frivole genommen. Man starrt doch nicht auf das, was ge¬
Im äußeren Bild ist
chieht, wenn sich die Szene verdunkelt, sondern man lächelt darüber, wie
reundliche Draperien in
es sich jeweils dahin entwickelk. Gewiß, sehr verehrter Herr
eckt. Licht und Freude,
Professor Volkelt, die Volksseele ist schwer zum Lächeln zu bringen; die
in
n Ansprache, sollen
Volksseele hält sich dumpf am Stofflichen; kut sie es aber nicht auch im
Kenntnis. Auch glaubt
Kino und auch bei weniger „unzüchtigen Theaterstücken? Ich bin nicht
ngendster Arbeit (deren
bange um die Volksfeele; sie hat einen guten Magen, und ich glaube,
Der
worden war.
daß sie den „Reigen“ nicht anders goutierk als einen heimlich und ver¬
ein Programm, aber er
logen sinnlichen Schundroman.
diese zehn Dialoge für
Versuchen wir doch, diese Dinge positiver zu sehen. Was wollte de.
könnten, seien verfehlt.
Dichter des „Reigen?? „Nichtswürdige Unzuchts-Feinschmeckerei“ liefern?
pielen kann, ist äußerst
Nicht doch. Er zeigte uns nur ein wahrhaftes Bild des Liebesspiels
Empfindungen dem in
in zehn Variationen; dieses Liebesspiel voll Brutalität und Zartheit,
cht natv, sondern kom¬
voll Verlogenheit und echter Empfindung, voll Sehnsucht nach der Lebens¬
schwert weder der Ge¬
steigerung im Rausch und voll Ernüchterung — nachher. Gewiß, er zeigt
hema die — positive
uns nicht die liefe Kraft der Liebe, der großen Leidenschaft, die über das
utig: Warum spielt man
Erokische hinaus zur Menschenliebe wächst; dies war hier nicht sein
gedacht und geschrieben
Thema; kleinste Bilder der flüchtigsten Liebe malte er nur, aber die mit
dungen dem Geschlecht¬
einer unverkennbaren Meisterschaft.
se
ängenheit zu machen,
Der Reigen“ ist fast allgemein bekannt; dafür hat schon das Zensur¬
pielt man den „Reigen
verbot gesorgt, von dem das Buch seit Erscheinen — und das ist schon
die in der direktorialen
über fünfundzwanzig Jahre her — verfolgt war. In den Mädchenschulen
Angelegenheit doch ein
ging es von Hand zu Hand; es wurde mit verleilten Rollen gelesen,
ußlich zu sein, weil der
wobei nur der Mangel männlicher Partner als bedauerlicher Mißstand
verlassen dürfen) seine
empfunden ward. Ich stelle nur fest, um idealistischer weltfremder Selbst¬
täuschung entgegenzutreten, ohne diese Dinge zu billigen. Vor Zensur
und Lex Heinze ist der Reigen' in Schutz zu nehmen, anderseils aber
Ver¬
nennen ist eine —
auch Schnißzler vor dem Reigen“; denn es ist ein Unrecht und Widersinng
tkrachtung der geschlecht¬
en Auge, die Stimmun##daß nun mit einem Male über zahlreiche deutsche Bühnen dieses Früh¬
werk des Dichters geht, indes sein reiferes dramatisches Schaffen fast
bis menschlichen Wesens
unberücksichtigt bleibt.
ber die Stofflichkeit, die
Entgleisungen und Geschmacklosig.
musikalische“ —
Bis auf zwei —
eine Auffassung, die im
keiten wurden die Dialoge, die Nobert Pirk in Szene gesebt hak, zart
wohl nichts zu machen.
und anmutig gesprochen und gespielt. Dirne und Soldak, Soldat und
derheit, wenn ich gegen¬
Stubenmädchen: hier fiel die Beukalität der männlichen Feschigkelt fast
ine — nicht etwa durch¬
noch zu milde aus. Karl Keßler war als Soldat von massiver Echt¬
heint mir doch immerhin
heit. Lina Carstens charakterisierte die Dirne im ersten und letzten
schlechtlichen nichts Un¬
Dialog mit diskreten Mitteln. Hans Merkel (junger Herr), der in
hrum Reines und Un¬
dei Szene mit dem Stubenmädchen (Käthe Franck-Wilt) ausreichte, war
Gewitter, Sommerregen
als Partner der jungen Frau zu weltmännisch kühl, viel zu wenig er¬
züchtigist, sehr ver¬
griffen von der Süße und Leidenschaft seines Erlebnisses. Auch Greke
Doerpelkus (junge Frau) nahm das Abenteuer vielleicht doch ein
wenig leichter, als der Dichter beabsichtigt hat; troß aller Schelmerei und
all' den großen und kleinen Verstellungskünsten, darf diese Frau nicht
frivol wirken. Frivol aber wirkt, wenn im darauffolgenden Ehezwischen¬
piel im charakteristischen Augenblick das Mokto: „Ich bin eine an¬
tändige Frau“ aus der „Lustigen Wilwe“ erklingt. Das ist dein Wiß,
sondern eine peinliche Unterstreichung, die gewiß nicht in der Absicht des
Dichters liegt. Diese ironisch-witzelnde Pointe muß schleunigst ver¬
schwinden. Man darf, was an und für sich schon deuklich genug ist, nicht
noch musikalisch unterstreichen, darf auf keinen Fall dem Pudlikum die
billige Gelegenheit geben, verständnisinnig zu feixen. Cläre Hartens
üßes Mädel besaß, mit Ausnahme des Wiener Dialekts, alles, was
Otto
dieser nunmehr historische Wiener Mädchentyp haben muß.
Werther war als Ehemann und Liebhaber von einer bedächtigen
Trockenheit, ungemein echt in seinem satten eheherrlichen Behagen
nachher, und in seiner beklommenen Aengstüichkeit (der Ansteckungs¬
gefahr) nach der Szene mit dem süßen Mädel. Hans Steiner (der
Dichter) und Maria Koch (die Schauspielerin) brachten nur gelinde
Steigerung in die Monokonie des „Reigens“, der, je welker er sich dreht,
um so stärker fühlen läßt, daß er niemals für die Bühne geschrieben war.
Maria Koch hat nicht ganz das Format einer überlegenen Diva; sie ist
pusselig, wo sie grandios sein müßte. Aus den beiden letzten Szenen
höre ich etwas wie einen Akkord, der die leisen Töne und Anklänge
der ersten acht Dialoge — die Skepsis, die Ungewißheit, die Schein¬
gewalten in allen Liebesdingen — noch einmal verstärkt zusammenfaßt.
Dieset Graf ist zweifellos schon bester Schnitzler; ein österreichischer
Philosoph, der die Liebe mit Melancholie verfüßt und eine Frau alemals
zum Frühstück nimmt, aber klug genug ist, von der strengen Regel eine
Ausnahme zu machen, weil das Leben ja doch seine eigenen und stärkeren
Okto Stoeckel unterstrich das Phlegma des Philo¬
Gesetze hat.
sophen vom Truppenübungsplatz und zeigte sein prachtvolles Gebiß. Nur
den Militärmarsch an der Stelle, wo im Buch Gedankenstriche stehen,
finde ich fakal, weil seine Rhythmik das Zarte vergröberk. Im ganzen
und großen ist aber doch so gespielt worden, daß jene Leute, die mehr er¬
Hans Natonek.
wartet haben, enttäuscht wurden.
Kunst und wissenschaft
Lieder- und Arienabend im Kaufhause. Die Veranstaltung
ius¬
Barikonisten Sonnabend- Sonini hatte den Reiz eines
Zu¬
gesucht selkenen Programms. Der musikalische Osten tat sich auf.
nächst kam Anton Rubinstein an die Reihe. Als Opernschöpfer ist dieser
einst wegen der Mißerfolge seiner Kompositionen stark Verbitkerte fast
ganz und als Lyriker schon weit in den Schatten versunken.
Immerhin hal er als Liederkomponist etwas zu sagen, und die diesmal
gewählten Proben bildeken eine Zierde der Spielfolge. Rassiger,
Reigen
ehrier Herr Professor Volkelt, soist es die menschliche Pban¬
tasie, der glauben gemacht wird, der Geschlechtsakt
ei etwas Unzüchtiges. Er ist nicht einmal unzüchtig zwischen
nitter.
einer Dirne und einem Soldaten, unter der Einschränkung, daß ein
Dichter ihn gestaltet. Ist es nicht besser, man heiligt die Geschehnisse
dieser Sphäre (da sie nun einmal nicht wegzuleugnen sind), als daß man
itteln aber gutem Ge¬
sie als verrucht hinstellt und so die Phantasie anreizt, sich mit ihnen erst
eine neue und gefällige
recht zu beschäftigen? Schnitzler hat ohne Scheu vor dem Skofflichen, dem
namenreichen Bühne,
Stofflichen das Frivole genommen. Man starrt doch nicht auf das, was ge¬
Im äußeren Bild ist
chieht, wenn sich die Szene verdunkelt, sondern man lächelt darüber, wie
reundliche Draperien in
es sich jeweils dahin entwickelk. Gewiß, sehr verehrter Herr
eckt. Licht und Freude,
Professor Volkelt, die Volksseele ist schwer zum Lächeln zu bringen; die
in
n Ansprache, sollen
Volksseele hält sich dumpf am Stofflichen; kut sie es aber nicht auch im
Kenntnis. Auch glaubt
Kino und auch bei weniger „unzüchtigen Theaterstücken? Ich bin nicht
ngendster Arbeit (deren
bange um die Volksfeele; sie hat einen guten Magen, und ich glaube,
Der
worden war.
daß sie den „Reigen“ nicht anders goutierk als einen heimlich und ver¬
ein Programm, aber er
logen sinnlichen Schundroman.
diese zehn Dialoge für
Versuchen wir doch, diese Dinge positiver zu sehen. Was wollte de.
könnten, seien verfehlt.
Dichter des „Reigen?? „Nichtswürdige Unzuchts-Feinschmeckerei“ liefern?
pielen kann, ist äußerst
Nicht doch. Er zeigte uns nur ein wahrhaftes Bild des Liebesspiels
Empfindungen dem in
in zehn Variationen; dieses Liebesspiel voll Brutalität und Zartheit,
cht natv, sondern kom¬
voll Verlogenheit und echter Empfindung, voll Sehnsucht nach der Lebens¬
schwert weder der Ge¬
steigerung im Rausch und voll Ernüchterung — nachher. Gewiß, er zeigt
hema die — positive
uns nicht die liefe Kraft der Liebe, der großen Leidenschaft, die über das
utig: Warum spielt man
Erokische hinaus zur Menschenliebe wächst; dies war hier nicht sein
gedacht und geschrieben
Thema; kleinste Bilder der flüchtigsten Liebe malte er nur, aber die mit
dungen dem Geschlecht¬
einer unverkennbaren Meisterschaft.
se
ängenheit zu machen,
Der Reigen“ ist fast allgemein bekannt; dafür hat schon das Zensur¬
pielt man den „Reigen
verbot gesorgt, von dem das Buch seit Erscheinen — und das ist schon
die in der direktorialen
über fünfundzwanzig Jahre her — verfolgt war. In den Mädchenschulen
Angelegenheit doch ein
ging es von Hand zu Hand; es wurde mit verleilten Rollen gelesen,
ußlich zu sein, weil der
wobei nur der Mangel männlicher Partner als bedauerlicher Mißstand
verlassen dürfen) seine
empfunden ward. Ich stelle nur fest, um idealistischer weltfremder Selbst¬
täuschung entgegenzutreten, ohne diese Dinge zu billigen. Vor Zensur
und Lex Heinze ist der Reigen' in Schutz zu nehmen, anderseils aber
Ver¬
nennen ist eine —
auch Schnißzler vor dem Reigen“; denn es ist ein Unrecht und Widersinng
tkrachtung der geschlecht¬
en Auge, die Stimmun##daß nun mit einem Male über zahlreiche deutsche Bühnen dieses Früh¬
werk des Dichters geht, indes sein reiferes dramatisches Schaffen fast
bis menschlichen Wesens
unberücksichtigt bleibt.
ber die Stofflichkeit, die
Entgleisungen und Geschmacklosig.
musikalische“ —
Bis auf zwei —
eine Auffassung, die im
keiten wurden die Dialoge, die Nobert Pirk in Szene gesebt hak, zart
wohl nichts zu machen.
und anmutig gesprochen und gespielt. Dirne und Soldak, Soldat und
derheit, wenn ich gegen¬
Stubenmädchen: hier fiel die Beukalität der männlichen Feschigkelt fast
ine — nicht etwa durch¬
noch zu milde aus. Karl Keßler war als Soldat von massiver Echt¬
heint mir doch immerhin
heit. Lina Carstens charakterisierte die Dirne im ersten und letzten
schlechtlichen nichts Un¬
Dialog mit diskreten Mitteln. Hans Merkel (junger Herr), der in
hrum Reines und Un¬
dei Szene mit dem Stubenmädchen (Käthe Franck-Wilt) ausreichte, war
Gewitter, Sommerregen
als Partner der jungen Frau zu weltmännisch kühl, viel zu wenig er¬
züchtigist, sehr ver¬
griffen von der Süße und Leidenschaft seines Erlebnisses. Auch Greke
Doerpelkus (junge Frau) nahm das Abenteuer vielleicht doch ein
wenig leichter, als der Dichter beabsichtigt hat; troß aller Schelmerei und
all' den großen und kleinen Verstellungskünsten, darf diese Frau nicht
frivol wirken. Frivol aber wirkt, wenn im darauffolgenden Ehezwischen¬
piel im charakteristischen Augenblick das Mokto: „Ich bin eine an¬
tändige Frau“ aus der „Lustigen Wilwe“ erklingt. Das ist dein Wiß,
sondern eine peinliche Unterstreichung, die gewiß nicht in der Absicht des
Dichters liegt. Diese ironisch-witzelnde Pointe muß schleunigst ver¬
schwinden. Man darf, was an und für sich schon deuklich genug ist, nicht
noch musikalisch unterstreichen, darf auf keinen Fall dem Pudlikum die
billige Gelegenheit geben, verständnisinnig zu feixen. Cläre Hartens
üßes Mädel besaß, mit Ausnahme des Wiener Dialekts, alles, was
Otto
dieser nunmehr historische Wiener Mädchentyp haben muß.
Werther war als Ehemann und Liebhaber von einer bedächtigen
Trockenheit, ungemein echt in seinem satten eheherrlichen Behagen
nachher, und in seiner beklommenen Aengstüichkeit (der Ansteckungs¬
gefahr) nach der Szene mit dem süßen Mädel. Hans Steiner (der
Dichter) und Maria Koch (die Schauspielerin) brachten nur gelinde
Steigerung in die Monokonie des „Reigens“, der, je welker er sich dreht,
um so stärker fühlen läßt, daß er niemals für die Bühne geschrieben war.
Maria Koch hat nicht ganz das Format einer überlegenen Diva; sie ist
pusselig, wo sie grandios sein müßte. Aus den beiden letzten Szenen
höre ich etwas wie einen Akkord, der die leisen Töne und Anklänge
der ersten acht Dialoge — die Skepsis, die Ungewißheit, die Schein¬
gewalten in allen Liebesdingen — noch einmal verstärkt zusammenfaßt.
Dieset Graf ist zweifellos schon bester Schnitzler; ein österreichischer
Philosoph, der die Liebe mit Melancholie verfüßt und eine Frau alemals
zum Frühstück nimmt, aber klug genug ist, von der strengen Regel eine
Ausnahme zu machen, weil das Leben ja doch seine eigenen und stärkeren
Okto Stoeckel unterstrich das Phlegma des Philo¬
Gesetze hat.
sophen vom Truppenübungsplatz und zeigte sein prachtvolles Gebiß. Nur
den Militärmarsch an der Stelle, wo im Buch Gedankenstriche stehen,
finde ich fakal, weil seine Rhythmik das Zarte vergröberk. Im ganzen
und großen ist aber doch so gespielt worden, daß jene Leute, die mehr er¬
Hans Natonek.
wartet haben, enttäuscht wurden.
Kunst und wissenschaft
Lieder- und Arienabend im Kaufhause. Die Veranstaltung
ius¬
Barikonisten Sonnabend- Sonini hatte den Reiz eines
Zu¬
gesucht selkenen Programms. Der musikalische Osten tat sich auf.
nächst kam Anton Rubinstein an die Reihe. Als Opernschöpfer ist dieser
einst wegen der Mißerfolge seiner Kompositionen stark Verbitkerte fast
ganz und als Lyriker schon weit in den Schatten versunken.
Immerhin hal er als Liederkomponist etwas zu sagen, und die diesmal
gewählten Proben bildeken eine Zierde der Spielfolge. Rassiger,