II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 835

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DAS KLEINE SCHAUSPIELHAUS
Vorschein. Ueber diesen, immer wieder nach denselben Gesetzen
sich wiederholenden Rasereien könnte Theodor Fontanes über¬
legene Altersweisheit stehen:
„Frühling, Sommer, Herbst und Winter,
Ach, es ist nicht viel dahinter.“
Soldat und Dirne, süßes Mädel und Schriftsteller, junger Herr und
Dienstmädchen, Schriftsteller und Schauspielerin — Frühling,
Sommer, Herbst und Winter, ach, es ist nicht viel dahinter. Wer
Schnitzlers „Reigen“ zu hören versteht, vernimmt aus ihm eine
sehr traurige Melodie, eine lächelnde Verachtung der subjektiven
Lyrik, mit welcher der taumelnde Einzelne die im Grunde un¬
verrückbaren Vorgänge der Natur aufputzt und verkleidet! Nichts
törichter als die Meinung, diese Szenen müßten erotisch wirken,
weil sie sich mit dem erotischen Zentralthema beschäftigen. Ganz
im Gegenteil, sie wirken illusionzerstörend, eben weil hier die
erotische Illusion Szene für Szene analysiert wird. Ich finde, man
geht aus dem „Reigen“ mit jener spezifisch Schnitzlerschen Nach¬
denklichkeit hinaus, die vom Erotischen entfernt, indem sie es
objektiviert.
Kurze Bemerkung für moralisierende Schwachköpfe: Wer dich
zwingt, über das Erotische nachzudenken, der verführt dich damit
zum Denken, nicht zur Erotik!
Es ist richtig, Schnitzlers „Reigen“ ist vor mehr als 20 Jahren
er ist 1897 erschienen — nur für Freunde gedruckt worden. Ich
verrate diesen Forschern noch mehr: Er ist eine Zeitlang garnicht
gedruckt gewesen. Dann ließ ihn Schnitzler für Freunde drucken.
Dann kam er durch einen inzwischen eingegangenen Wiener
Verlag in den Handel. Dann lasen ihn Zehntausende. Dann wurde
er in Rußland gespielt. —
In diesen zwanzig Jahren hat sich
aber auch das Schicklichkeitsgefühl außerordentlich gewandelt.
Beiläufig: Die öffentliche Aufführung ist keine Frage nach imma¬
nenter Sittlichkeit eines Werkes, sondern eine Frage der öffent¬
lichen Schicklichkeit, nicht Sittlichkeit! Der Schicklichkeitsbegriff
aber ist höchst wandelbar. Eine Tänzerin, die es vor 30 Jahren
gewagt hätte, mit nackten Beinen aufs Podium zu kommen, wäre
mit Eiern beworfen und in den Zeitungen zerrissen worden. Auf
den größten deutschen Theatern mußte noch vor 15 Jahren Goethes
„Faust“ abgeändert werden, Valentin durfte seine Schwester höch¬
stens eine Dirne, keine Hure schelten. Der ganze Frank Wedekind
ist vor 25 Jahren unaufführbar gewesen.
Eine festgeordnete bürgerliche Gesellschaft hat feste Begriffe
bürgerlicher Schicklichkeit. Sie geraten ins Schwanken, wenn
diese ganze Ordnung in den Grundfesten wankt. Nehmet ein
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