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sich schließt, und zwischen den einzelnen Bildern ertönt eine
Musik von Celesta und Cello oder Geige und Flöte. Die Musik
lehnt sich an keine Kunstform an und ist dazu bestimmt, mit
ihren erotischen Phrasen die Stimmung festzuhalten, die in dem
Augenblick herrscht, in dem der Vorhang den Fortgang der
Handlung verhüllen soll.
Die Wirkung der Aufführung soll nach der erklärten Ab¬
sicht der Antragsgegner gipfeln in
der Erzielung eines sittlichen Ekels vor dem Tiefstand der
Haltung weitester Bevölkerungsschichten auf dem Gebiet
des Geschlechtslebens.
Auf diesen Erfolg ist jede Einzelheit berechnet. Dieser Er¬
folg wird bei jedem reifen, gebildeten Zuschauer auch er¬
zielt. Vor allem beruht diese Wirkung auf der ernsten Hingabe
der Theaterleiter an ihre Aufgabe und auf ihrer überlegenen
Kenntnis der Wirkung der szenischen Darstellung. Auch mag die
Benützung des von Max Reinhardt verfaßten Regiebuches ihnen wert¬
volle Dienste geleistet haben, so bedeutet diese Aufführung eine
sittliche Tat.
Es besteht zwar die Gefahr, daß der „Reigen“ auf un¬
reife oder unzureichend gebildete oder schlecht
erzogene oder sittlich verdorbene Menschen einen
Einfluß dahin ausübt, daß sie sich auf die hier gegeißelte Auf¬
fassung von der Bedeutung des Geschlechtslebens einstellen.
Doch kann jedes Kunstwerk,
welches eine Andeutung des Geschlechtlichen auch nur zuläßt,
auf diese mißbräuchliche Weise aufgenommen werden. Ferner
wird die Meinung vertreten, die Erörterung solcher Dinge auf
der Bühne sei an sich in sittlicher Hinsicht anstößig. Diese
Meinung ist unzutreffend. Vielmehr kann es für die Auf¬
haltung des sittlichen Verfalls nur förderlich sein, diese Dinge
so zurückhaltend und sachlich und zugleich so deutlich und
rücksichtlos aufzudecken und zur Erörterung zu
stellen, wie es hier geschieht. Soweit ein Schaden für junge
Menschen zu befürchten steht, mag der. Zutritt ihnen ver¬
boten werden. Aus diesen Gründen hat das Gericht die
Ueberzeugung gewonnen, daß durch die Aufführung von
Schnitzlers „Reigen“ in sittlicher Beziehung bei dem
geistig und moralisch gesunden Menschen kein
Anstoß erregt wird.
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sich schließt, und zwischen den einzelnen Bildern ertönt eine
Musik von Celesta und Cello oder Geige und Flöte. Die Musik
lehnt sich an keine Kunstform an und ist dazu bestimmt, mit
ihren erotischen Phrasen die Stimmung festzuhalten, die in dem
Augenblick herrscht, in dem der Vorhang den Fortgang der
Handlung verhüllen soll.
Die Wirkung der Aufführung soll nach der erklärten Ab¬
sicht der Antragsgegner gipfeln in
der Erzielung eines sittlichen Ekels vor dem Tiefstand der
Haltung weitester Bevölkerungsschichten auf dem Gebiet
des Geschlechtslebens.
Auf diesen Erfolg ist jede Einzelheit berechnet. Dieser Er¬
folg wird bei jedem reifen, gebildeten Zuschauer auch er¬
zielt. Vor allem beruht diese Wirkung auf der ernsten Hingabe
der Theaterleiter an ihre Aufgabe und auf ihrer überlegenen
Kenntnis der Wirkung der szenischen Darstellung. Auch mag die
Benützung des von Max Reinhardt verfaßten Regiebuches ihnen wert¬
volle Dienste geleistet haben, so bedeutet diese Aufführung eine
sittliche Tat.
Es besteht zwar die Gefahr, daß der „Reigen“ auf un¬
reife oder unzureichend gebildete oder schlecht
erzogene oder sittlich verdorbene Menschen einen
Einfluß dahin ausübt, daß sie sich auf die hier gegeißelte Auf¬
fassung von der Bedeutung des Geschlechtslebens einstellen.
Doch kann jedes Kunstwerk,
welches eine Andeutung des Geschlechtlichen auch nur zuläßt,
auf diese mißbräuchliche Weise aufgenommen werden. Ferner
wird die Meinung vertreten, die Erörterung solcher Dinge auf
der Bühne sei an sich in sittlicher Hinsicht anstößig. Diese
Meinung ist unzutreffend. Vielmehr kann es für die Auf¬
haltung des sittlichen Verfalls nur förderlich sein, diese Dinge
so zurückhaltend und sachlich und zugleich so deutlich und
rücksichtlos aufzudecken und zur Erörterung zu
stellen, wie es hier geschieht. Soweit ein Schaden für junge
Menschen zu befürchten steht, mag der. Zutritt ihnen ver¬
boten werden. Aus diesen Gründen hat das Gericht die
Ueberzeugung gewonnen, daß durch die Aufführung von
Schnitzlers „Reigen“ in sittlicher Beziehung bei dem
geistig und moralisch gesunden Menschen kein
Anstoß erregt wird.