II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 862

Reigen
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Ein Gerichtsurteil üder de
„Reigen“
Die Frage nach der Aufführung des „Reige
Berlin zur gerichtlichen Entscheidung
und zwar hat die Sechste Zivilkamme
Berliner Landgerichts lll folgen
eidung gefällt:
Schuitziere Buch besteht aus zehn Bildern.
Bilde tre#en nur zwei Personen auf, die je zwe
edesmal mit einer neu auftretenden Perion die gesc
Vereinigung vollziehen, außer im letzten Bilde, me d
einigung unmittelbar zuvor stattgefunden hat. So
Peron in zwei aufeinanderfolgenden Bildern auf;
Dirne, den Reigen schließend, steht im ersten und letzt
Das Buch
biete:
eine Füll
Geist und von Feinheit. Kühne,
Sätze zergliedern alle Tiefen der geistigen Verfassung
Empfindungslebens. Teils derb, selbst roh, platt und
teils zalt und empfindsam, teils launig, neckisch, keck,
lüstern, ausgelassen und verführerisch in der Au
erfährt der sich immer gleichpleibende Gegenstand zel
einander verschiedenste Abwandlungen. Dieser Gegen
die im Mittepunkt jedes Zwiegesprächs stehende
liche Vereinigung. Weiterhin befindet sich
fünften, achten, neumten, zehnten Bild der weidliche
Bene. Im zweiten, dritten, sechsten Bild ist ein
weniger erhebliches Sträuben des weiblichen Teiler
winden. Im ersten, achten, neunten Bild dagegen
weibliche Teil, und zwar im neunten Bilde mit
heiteger Leidenschaftlichkeit. Im vierten Bilde wirk
rsten Vereinigung das Ausbleiben der Geschlecht
Mannes ausgiebig erörtert. Dem ehelichen Geschle
des fünften Bildes gehi der Ehebruch des vierten
scheinend nut um wenige Stunden vorauf. Dazu
fünften Bilde der Ehebruch an sich ausführlich besprock
dieen Erwägungen erweckte das Buch de
druck, daß seine Aufführung das sit
Empfindenerheblich verletzen und
berechtigten Anstoßerregen müsse.
Zwei von dem Gericht besichtigte Aufführnn
erzielten folgenden Eindruck: Alles, was frech,
oder zotig wirken könnte, wird vermieden.
Aeußerungen gewöhnlichster Geilheit im ersten Bild¬
so abgetönt, daß von einer Reizung der Sinnlichkeit
schauers keine Rede sein kann. Gleiches gilt von de
sinnlichen Erregung, der Ausgelassenheit und der Verfü
kunst der Schauspielerin im neunten Bild. Die überaus s#
Aufgabe, die Darstellung hier nicht ins Unschickliche
tieriich Triebhafte enigleiten zu tassen, wird durch
Zurückhaltung und Zügelung alles Gemeinen vorbildli
Im vierten Bild geht die Erörterung des Ausbleibens
schlechtslust mit aller Sachlichkeit und Nüchternheit vor
Frötterung des Ehebruchs im fünften Bild ersche
wendig, um das seelische Erleben der jungen Fre
sichtlich des Ehebruchs, ihre Abenteuerlust, ihre Begel
ihre innere Zwiespältigkeit und Unruhe ins rech
zu rücken.
Die körperliche Vereinigung sollte stets ledig
natürliche Ausfluß innigster seelischer Gemeinschaft
Verfall die er Auf assung hat leider in weitesten
Platz gegriffen. Diesen Kreisen wird durch diese Aufführ
die ganze Jämmerlichkeit des in ihrer Mitte n
und mehr einreißenden sittlichen Tiefstande¬
nachdrücklichst vorgeführt. Es wird gezeigt, wie durch
unedlen und unvolllommenen Genuß des Augenbli
dankenlos und würdelos zu Boden getreten wird, i
Menichbent das Heiligste sein sollte. Die Wiederholn
nämlichen Redewendung seitens der nämlichen Peri
zwei verschiedenen Anlässen und die Wiederkehr solche
dungen bei verschiedenen Personen in ähnlicher Lage
zeichnen tressend jenen Mangel an
artund Selbständigkeit, auf dem de
ringe Persönlichkeitswert
des D
schnittsmenschen unserer Zeit beruhr
Entwürdigung des Geschlechtsverkehrs zur Alltäglichke
Laune, zum Leichtsinn, zum Abenteuer, dieses Fehlen
großen, niefen, sintlich begründeten, echten, edlen Leidense
wirken erschütternd,
weil sie auf richtiger Ber bachtung beruhen.
Innntten der einzeinen Buder, wenn zur Andeut
sich vollz ehenden Vereinigung der Vorhang auf
Selunden sich schließt, und zwischen den einzelnen Bild
könt eine Musik von Celesta und Cello rder Geige und
Diese Musit lehm sich an keine Kunstform an und is
bestemamt, mit ihren erotischen Phrasen die Stimmung
halten, die in dem Augenblick herrscht, in dem der
den Fortgang der Handlung verhüllen soll.
Die Wirkung der Aufführung soll nach der er
Absicht der Antragsgegner gipfeln in
der Erzielung eines sittlichen Ekels vor dem Tief
der Haltung weitester Bevölkerungsschichten auf
Gebiet des Geschlechtslebens.
Auf diesen Er olg ist jede Einzelheit berechnet.
Erfolg wird bei jedem reifen, gebildeten
Zuschauer
ergleit. Vor allem beruht diee Wirkung auf der
Hingabe der Theaterle#tel an ihre Aufgabe und auf ihrer
legenen Kenmnis der Wirtung der szenischen Darstellun
mag die Benürung des von Mor Reinbardt
vertaßten