II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 875

11.
box 18/2
Reigen
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
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Ort:
Datum:

100
Ein Reigentänzlein.
Am 22. Februar 1921 geschah es zu Berlin im Kleinen Schau¬
spielhaus, daß während der Aufführung des „Reigen“ ihr Mi߬
fallen durch Zischen kundgebende Zuschauer durch ein 200 Mann
starkes Polizeiaufgebot verhaftet und für eine Nacht in Polizei¬
gewahrsam geschleppt wurden. Ich hatte mir kurz vorher dasselbe
Stück angesehen und war vom Ekel gepockt worden. Als ich in
der Zeitung dann von dem Skandal im Theater las, faßte ich den
Entschluß,#d zuständigen Staatsanwalt über die Auf¬
führung zu beschweren, da ich ja anscheinend mit meiner Meinung
nicht allein stand. Ich stellte also in der letzten Februarwoche den
Antrag, die weitere Aufführung zu verbieten. Volle drei Wochen
später wurde ich zum Polizeipräsidium vorgeladen und zu Pro¬
tokoll vernommen. Heute, also fünf Monatespäter, erhalte
ich nachstehendes Schriftstück:
„Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht III.
A. 5 J. 718 1921.
Berlin, den 11. August 1921.
Auf die von Ihnen zu den Akten gegebene Erklärung wo¬
nach von der Aufführung des „Reigen“ von Schnitzler im Kleinen
Schauspielhause Aergernis genommen worden ist, kommt es nun¬
mehr darauf an, festzustellen, ob die Fortführung dieser Auf¬
führung, noch nach dem 22. Juni 1921 weiterhin Aergernis
gegeben hat.
Ich bitte um tunlichst umgehende Aeußerung zu die¬
ser Frage und um Benennung von Personen, die der Aufführung
noch nach dem 22. Juni 1921 beigewohnt und hieran Aergernis
genommen haben. Im Auftrage gez. v. Bradke.“
Herr Oberstaatsanwalt! Sie haben mich auf eine Antwort
genau 168 Tage warten lassen, ich will nicht Gleiches mit Gleichem
vergelten. Da ich aber meine ganzen Bekannten vor dem „Rei¬
gen“ gewarnt habe, kann ich Ihnen leider keine Zeugen nennen
und unterbreite deshalb Ihr Schreiben der Oeffentlichkeit. Im
übrigen aber stelle ich fest, daß Ihr Schreiben im Vervielfälti¬
gungsverfahren hergestellt ist. Demnach stand ich also nicht allein
auf weiter Flur und es erhebt sich die Frage, was der Herr Poli¬
zeipräsident von Berlin tun wird, wenn nächstens das Publikum
sich eine Entscheidung des Landgerichts Hannover zu eigen macht.
Der Gerichtsvorsitzende erklärte kürzlich in Hannover, daß gegen¬
über „Schund und sittenlosen Stücken ein Recht des Publikums
auf Selbsthilfe anzuerkennen sei.“ Handeln Sie Herr Oberstaats¬
anwalt.
gez. Friedrich.
(Was soll man dazu sagen? Eile mit Weile! Anm. d.
Schriftleitung.)
Zeitung:
a
Ort:
Datum:
„Es kommt nunmehr darauf an . . .“ Man schreibt uns
(aus dem Leserkreis: Am 22 Februar 1921 geschah es zu Berlin
im Kleinen Schauspielhaus (der Volksmund nennt es Sau¬
spielhgus), daß während der Aufführung des „Reigen“ ihr Mi߬
fallenldurch Zischen kundgebende Zuschauer durch ein 200 Mann
starkes Polizeiaufgebot verhaftet und für eine Nacht in Polizei¬
gewahrsam geschleppt wurden. Ich hatte mir kurz vorher vort
dasselbe Stück angesehen und war vom Ekel gepackt worden.
Als ich in der Zeitung dann von dem Skandal im Theater las,
faßte ich den Entschluß, mich bei dem zuständigen Staatsanwalt
über die Aufführung zu beschweren, da ich ja anscheinend mit
meiner Meinung nicht allein stand. Ich stellte also in der letzten
Februarwoche den Antrag, die weitere Aufführung zu verbieten.
Volle drei Wochen später wurde ich zum Polizeipräsidium vor¬
geladen und zu Protokoll vernommen. Heute, also fünf Monate
später, erhalte ich nachstehendes Schriftstück:
„Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht III
A 5 J718 1921.
Berlin, den 11. August 1921.
Auf die von Ihnen zu den Akten gegebene Erklärung, wo¬
nach von der Aufführung des „Reigen“ von
Schnitzler im
Kleinen Schauspielhause Aergernis genommen worden ist, commt
es nunmehr darauf an, festzustellen, ob die Fortführung dieser
Aufführung noch nach dem 22. Juni 1921 weiterhin Aerger¬
nis gegeben hat.
Ich bitte um tunlichst umgehende Aeußerung zu dieser
Frage und um Benennung von Personen, die der Aufführung
noch nach dem 22. Juni 1921 beigewohnt und hieran Aergernis
genommen haben. Im Auftrage. gez. v. Bradke.“
Herr Oberstaatsanwalt! Sie haben mich auf eine Antwort
genau 168 Tage warten lassen, ich will nicht Gleiches mit
Gleichem vergelten. Da ich aber meine ganzen Bekannten vor
dem „Neigen“ gewarnt habe kann ich Ihnen leider keine Zeugen
nennen und unterbreite deshalb Ihr Schreiben der Oeffentlich¬
keit. Im übrigen aber stelle ich fest, daß Ihr Schreiben im
Vervielfältigungsverfahren hergestellt ist. Demnach stand ich
also nicht allein auf weiter Flur und es erhebt sich die Frage,
was der Herr Polizeipräsident von Berlin tun wird, wenn
nächstens das Publikum sich eine Entscheidung des Landgerichts
Hannover zu eigen macht. Der Gerichtsvorsitzende erklärte kürz¬
lich in Hannover, daß ge
Ober „Schund und sittenosen Stücken
ein Necht des Publik
auf Selbsthilfe anzuerkennen sei.“
Handeln Sie, Herr O
kaatsanwalt!