II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 877

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Klose & Seidel
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Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Voseisehe 20.
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" Der Streit um Schnitzlers „Neigen“. Allmählich wird's
ein dickes AktenstücktErst hat eine Zivilkammer des Land¬
gerichts III festgestellt, daß die Aufführung des Kleinen Schau¬
spielhauses nicht schlüpfrig sei, sondern „geradezu eine sittliche
Tat“ bedeute. Dann hat die Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung
unzüchtiger Schriften unter Führung des bekannten Fanatikers
Professors Brunner Strafantrag beim Staatsanwalt gestellt,
da sie die sittliche Tat als „Schande unserer Zeit“ bewerte. End¬
lich hat eine Strafkammer die Sünder, Gertrud Eysoldt und
Maximilian Sladek, außer Verfolgung gesetzt, die Aufführung
ihres Theaters aber „objektiv als Vornahme unzüchtiger Handlun¬
gen“ erklärt. Nun will auf Antreiben der Kreise um Professor
Brunner der Staatsanwalt wirklich noch einmal eine
Klagegegen Direktoren und Darsteller des Kleinen
Schauspielhauses wegen Sittlichkeitsvergehens erheben, nachdem
der „Reigen“ neun volle Monate gespielt worden ist! Man mag
über die Notwendigkeit einer Aufführung der Schnitzlerschen Dia¬
loge verschieden denken. Aber die Ueberflüssigkeit der Prozesse
um diese res judicata dürfte allen Parteien einleuchten.
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7. Coufig
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Daium #ummumsesR
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Theaker- und Musiknachrichten.
„Reigen“. Die Direktion des Kleinen Schauspielhauses,
an dem der Reigen“ seit neun Monaten gegeben wird
teilt den Borscher Blättern mit, daß entgegen dem ursprüng
lichen Freisprüch, der die Aufführung des Schnitzlerschen Werkes
ermöglichte, und trotzdem eine spätere von Herrn Professor
Brunner a#sgegangene Anzeige erfolglos geblieben ist, die
Staatsa#waltschaft doch noch eine Anklage gegen
die Direktion und die Schauspieler erheben wird.
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Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Nefneine Taitung
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20 Cr 10
* Berlin, 19. Sepiember. [Vor einem neuen „Reigen
Prozeß] Mannentsinnt sich noch der Angriffe, Skandale und Prozesse,
deren Gegenstans, die „Reigen“=Aufführungen im Berliner
Kleinen Schaus##ehaus waren. Nachdem Schnitzlers Werk jetzt dort
neun Monate h#ereinander gespielt worden ist, schickt man sich in denselben
Kreisen, die schön damals im Grunde nur die Geschäfte der Direktion be¬
sogrten, an, durch einen neuen Prozeß, dem durch die Länge der Zeit
wohl olwas gesunkenen Interesse an dem Stück frische Nahrung zu geben.
Die Direktion des Kleinen Schauspielhauses schreibt dem „B. B.=C.“ darüber:
„Ein eigenartiger „Sittlichkeitsprozeß“ steht am Landgericht III
bevor. Er wird sich gegen Gertrud Eysoldt, Maximilian Sladek und
eine Anzahl Schauspieler des Kleinen Schauspielhauses
richten. Wie erinnerlich, hat die Zivilkammer des Landgerichts festgestellt,
daß die Aufführung von Schnitzlers „Reigen“ nicht geeignet wäre,
tlichen Anstoß zu erregen. Das Gericht, das selbst die Aufführung
Bgesehen hatte, erklärte, daß die Darstellung alles, was frech, schlüpfrig
oder obszön wirken könnte, vermeide, und bezeichnete die Auffüh
rung gerabezu als eine sittliche Tat. In ganz ähnlicher Weise äußerte
sich der wirklich maßgebende Teil der Kunstkritik. Am Tag, nach dem
dieses Urteil und seine Begründung in den Zeitungen gestanden hatten, loitete
die Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Schriften, deren Vor¬
sitzender Herr Prof. Brunner ist, ein Strafverfahren ein. Prof. Brunner
stellte dann persönlich Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft, worin er von
der durch die Zivilkammer als eine sittliche Tat bezeichneten Aufführung be¬
hauptete, sie wäre „ein Skandal, der für immer ein Zeichen der
Schande unserer Zeit bleiben würde.“ Die Strafsammer des Landgerichts
hat darauf die Angeschuldigten außer Verfolgung gesetzt, weil sie
auf Grund des Urteils der Zivilkammer und der „allerdings lediglich vom
Standpunkt der Kunstkritik aus“ ergangenen Gu#achten die Aufführung als
nicht unzüchtig hätten ansehen können, hat aber dabei erklärt, daß troß der
Urteils der Zivilkammer des Landgerichts die Aufführung des Stückes
sich „objektiv“ als Vornahme unzüchtiger Handlungen darstellte.“
Natürlich war es nicht Sache der Direktion, in einem Streit zwischen
zwei Gerichten, der im Grund einen Streit zwischen Personen, die liteta¬
risches Urteil haben, und solchen, die es nicht besitzen, darstellt, sich auf den
unkünstlerischen Standpunkt zu stellen.
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Der Beschluß der Strafkammer
konnte auf sie nicht überzeugend wirken, nachdem die Zivilkammer und so
viele erste Autoritäten ihr vollkommen recht gegeben hatten. Weil nun die
Direktion die Aufführungen des „Reigen“ fortgesetzt hat, will jetzt die
Staatsanwaltschaft, unaushörlich getrieben von denselben Kreifen, mit denen
im Einverständnis Herr Professor Brunner seinen Strafantrag gestellt hatte,
doch noch eine Anklage gegen die Direktoren und die Schau¬
spieler erheben, nachdem das Stück neun Monate lang gespielt
worden ist, ohne daß sich die geringsten Unzuträglichkeiten¬¬
daraus ergeben hätten.