11. Reigen
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Der „neigen in Moaott.
Der Kampf um Schnitzlers „Reigen“ ist nach
dem sonntäglichen Zwischenspiel im Kleinen
Schauspielhaus nun wieder nach Moabit verlegt
#orden. Die heutige Verhandlung vor der
#trafkammer steht im Zeichen der Wohnungsnot
i Gerichtsgebäude. Der Prozeß findet in einem
wöhnlichen Sitzungszimmer statt, in dem ein
r#tiges Gedränge entsteht, daß beim Zeugen¬
us jegliche Passage unmöglich wird.
Mehrere Zeugen haben dem Gericht mitge¬
# das sie nicht erscheinen können. Einer von
en hat erklärt, er habe dem Lokaltermin im
ter sernbleiben müssen, weil er es nicht über
bringen konnte, zum zweiten Male etwag
rtiges mit anzusehen.
Hierauf wird die Bewoisaufnahme fortge¬
Als erster Zeuge wird der Sanitätsra
eiser vernommen.
Er b.kundet, daß er den Reigen, als die Buch¬
##e erschien, gelesen habe. Er hat es nicht
ie
möglich gehalten, daß dieses Stück aufgeführt
##n könnte. Nach seinem gestrigen Eindruck
#e hat der Zeuge nichts Anstößiges gefunden.
Er war angenehm überrascht. Wenn man Anstoß
an dem Stuck nehmen wolle, müsse man schon
seiest hineinlegen, was darin nicht enthalten ist.
Der praktische Arzt Walther Kröner gib
an, daß er im Winter 1920 einer Vorstellung bei¬
ewohnt hobe. Er habe den Reigen für ein
Kunstwerk gehalten. Irgendwelches Aergernis
hat der Zeuge an den Vorgängen uf daer Bühne
nicht genommen. Es wurde durchaus dezent ge¬
spielt.
Der Direktor des Zentralausschusses für innere
evangelische Mission Dr. Steinweg
bekundet als henge u. a., von der Staatsanwalt¬
chaft sei bei der Mission angefragt worden, ob
je.nand an der Aufführung des „Reigen“ Anstoß
genommen hätte. Die innere Mission hatte sich
damals der Protestbewegung gegen das Stück aus
geschlossen. Der Zeuge hat damals einer Auffüh¬
rung beigewohnt und erklärt, daß ihn ein elenen¬
tarer Widerwille und Ekel gepackt habe, als er
diese intimen, für viele Leute doch heiligen Dinge
in so verzererter und entstellter Form auf der
Bühne wiedergegeben sah. Weite Kreise würden
durch die Art, wie diese Dinge auf der Dühne
erörtert werden, abgestoßen uno peinlich berührt.
Mich selbst, so sagt der Zeuge, hat besonders die
Eheszene in höchstem Maße verletzt.
Wir leben, meint Zeuge, ja überhaupt in
einem Zustande der sittlichen Verrohung. Das
Stück ist ganz besonders dazu angetan, diese Ver
rohung noch zu vergrßern. Ich halte das Stück
für unzüchtig und schamlos, wohl aber gebe ich
n, daß das Schauspiel nicht noch vergröbert
und übertrieben habe. Künstlerisch mag die
Aufführung wohl Anerkennung verdienen, aber
das Stück vergiftet unser ganzes süitliches Leben.
Am Sonntag, als ich die Aufführung zum
zweiten Male mit ansah, war mein Widerwille
noch stärker. Man sagt, die Tendenz des Stückes
solle abschreckend wirken. Nach meiner Beobach¬
tung war das nicht der Fall. Das anwesende
Publikum, das ja vielleicht in einer gewissen
Stimmung schon hingekommen sein
mag, ist
sicherlich mehr von erotischem Empfinden ge¬
packt, als abgeschreckt worden.
Die Frage des Verteidigers Justizrat Ro¬
senberger, von wem der Zeuge die Eintritts¬
karte erhalten habe, beantwortei der Zeuge dahin,
die Karte ihm von Professor
Brunner im Pollzeipräsidium ausgehändigt
worden wäre. Er selbst, der Zeuge, sei nicht in
der Lage, für derartige Sachen Geld auszugeben.
Der Verteidiger weist im Anschluß daran
darauf hin, daß nach der Meinung der Verteidi¬
gung hie ein organisierdes Aergernis
vorliege, und daß der Organisator der Professor
Brunner sei. Die Staatsanwaltschaft habe
übrigens an 22 verschiedene Organisationen die
Anfrage gerichtet, ob an dem Reigen etwas An¬
stößiges sei.
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Der „neigen in Moaott.
Der Kampf um Schnitzlers „Reigen“ ist nach
dem sonntäglichen Zwischenspiel im Kleinen
Schauspielhaus nun wieder nach Moabit verlegt
#orden. Die heutige Verhandlung vor der
#trafkammer steht im Zeichen der Wohnungsnot
i Gerichtsgebäude. Der Prozeß findet in einem
wöhnlichen Sitzungszimmer statt, in dem ein
r#tiges Gedränge entsteht, daß beim Zeugen¬
us jegliche Passage unmöglich wird.
Mehrere Zeugen haben dem Gericht mitge¬
# das sie nicht erscheinen können. Einer von
en hat erklärt, er habe dem Lokaltermin im
ter sernbleiben müssen, weil er es nicht über
bringen konnte, zum zweiten Male etwag
rtiges mit anzusehen.
Hierauf wird die Bewoisaufnahme fortge¬
Als erster Zeuge wird der Sanitätsra
eiser vernommen.
Er b.kundet, daß er den Reigen, als die Buch¬
##e erschien, gelesen habe. Er hat es nicht
ie
möglich gehalten, daß dieses Stück aufgeführt
##n könnte. Nach seinem gestrigen Eindruck
#e hat der Zeuge nichts Anstößiges gefunden.
Er war angenehm überrascht. Wenn man Anstoß
an dem Stuck nehmen wolle, müsse man schon
seiest hineinlegen, was darin nicht enthalten ist.
Der praktische Arzt Walther Kröner gib
an, daß er im Winter 1920 einer Vorstellung bei¬
ewohnt hobe. Er habe den Reigen für ein
Kunstwerk gehalten. Irgendwelches Aergernis
hat der Zeuge an den Vorgängen uf daer Bühne
nicht genommen. Es wurde durchaus dezent ge¬
spielt.
Der Direktor des Zentralausschusses für innere
evangelische Mission Dr. Steinweg
bekundet als henge u. a., von der Staatsanwalt¬
chaft sei bei der Mission angefragt worden, ob
je.nand an der Aufführung des „Reigen“ Anstoß
genommen hätte. Die innere Mission hatte sich
damals der Protestbewegung gegen das Stück aus
geschlossen. Der Zeuge hat damals einer Auffüh¬
rung beigewohnt und erklärt, daß ihn ein elenen¬
tarer Widerwille und Ekel gepackt habe, als er
diese intimen, für viele Leute doch heiligen Dinge
in so verzererter und entstellter Form auf der
Bühne wiedergegeben sah. Weite Kreise würden
durch die Art, wie diese Dinge auf der Dühne
erörtert werden, abgestoßen uno peinlich berührt.
Mich selbst, so sagt der Zeuge, hat besonders die
Eheszene in höchstem Maße verletzt.
Wir leben, meint Zeuge, ja überhaupt in
einem Zustande der sittlichen Verrohung. Das
Stück ist ganz besonders dazu angetan, diese Ver
rohung noch zu vergrßern. Ich halte das Stück
für unzüchtig und schamlos, wohl aber gebe ich
n, daß das Schauspiel nicht noch vergröbert
und übertrieben habe. Künstlerisch mag die
Aufführung wohl Anerkennung verdienen, aber
das Stück vergiftet unser ganzes süitliches Leben.
Am Sonntag, als ich die Aufführung zum
zweiten Male mit ansah, war mein Widerwille
noch stärker. Man sagt, die Tendenz des Stückes
solle abschreckend wirken. Nach meiner Beobach¬
tung war das nicht der Fall. Das anwesende
Publikum, das ja vielleicht in einer gewissen
Stimmung schon hingekommen sein
mag, ist
sicherlich mehr von erotischem Empfinden ge¬
packt, als abgeschreckt worden.
Die Frage des Verteidigers Justizrat Ro¬
senberger, von wem der Zeuge die Eintritts¬
karte erhalten habe, beantwortei der Zeuge dahin,
die Karte ihm von Professor
Brunner im Pollzeipräsidium ausgehändigt
worden wäre. Er selbst, der Zeuge, sei nicht in
der Lage, für derartige Sachen Geld auszugeben.
Der Verteidiger weist im Anschluß daran
darauf hin, daß nach der Meinung der Verteidi¬
gung hie ein organisierdes Aergernis
vorliege, und daß der Organisator der Professor
Brunner sei. Die Staatsanwaltschaft habe
übrigens an 22 verschiedene Organisationen die
Anfrage gerichtet, ob an dem Reigen etwas An¬
stößiges sei.