II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 911

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11
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Ang
11. Reigen
box 18/2
Berliner Tageblatt
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verständigen im „Reigen“=Drozeß.
nur benutzt. um in dieser Form eine antisemitische Aktion
Beweisaufnahme. iW setzen. Der Zeuge erklärt hierzu: Bei dem Skandal
am 22. Februar seien Rüfe laut geworden, wie „Saujude
zu dem sich nach wie vor ein großer
„Die
„Judendirektor
„Bande
, „Gesindel
nd macht, wurde gestern zunächst die

I den müßte man rausschmeißen“ usw. usw.
u Gertrud Gerken=Leitgabel
dem 22. Februar sei Direktor Sladek mit anonhmen Schmähbriefen,
Pamphleten des bekannten Knüppel=Kunze usw. überschüttet wor.
den, die sämtlich antisemitischen Inhalt hatten. Nirgends in diesen
stzenden, welchen Vereinigungen die
Schmähschriften und offe#rn Postkarten sei von Gefährdung der
daß sie Mitglied des „Volks¬
Jugend oder dergl. die R#de, sondern nur von Indenhaß.
son Anstand und guter Sitte",
für Sittlichkeit“ und anderen
Aussage eines Ehescheidungsrichters.
Wolfgang Heine: Haben Sie irgend
, das erklärt habe, daß es durch das
Zeuge Landserichtsrat Jenne vom Landgericht I hat einer Auf¬
Zeugin: Jawohl. Ein junges
führung des „Reigen“ am 21. Februar beigewohnt und den Eindruck
as Stück eine ganz andere Auffassung
gehabt, daß die gesamte Aufmachung des Stückes eine grob unzüchtige
s erlaubt oder verboten sei, erzeugen
sei. Er sei Ehescheidungsrichter in Berlin, und die Gefahr
des Rechtsenwalts Heine orklärt die
liege sehr nahe, daß die Flutder Ehescheidungen, die schon
estbewegung segen das Stück
sehr größ in Berlin ist, durch Aufführung derartiger Stücke immer
eraten habe es sich anzusehen und sich
mehr zunimmt.
s. Sie selbst habe das Stück erst am
Justizrat Dr. Rosenberger: Kann denn der Zeuge angeben.
ale gesehen. Es sei ihr bekannt,
daß die Ehescheidungsstatistik seit der Aufführung des „Reigen“
r hinter der ganzen Bewegung stehe.
zugenommen hat?
cht, daß Gelder aus dem Fonds des
Zeuge: Das kann ich nicht bekunden.
ms zur Anschaffung der Billets für
Auf zahlreiche Fragen der Verteidiger bekundet der Zeuge:
n seien.
Er wohne mit Prosessor Brunner in Lichterfelde nicht
lfred Kerr richtek an die Zeugin mit
weit von einander und arbeite mit ihm zusammen auf allen mög¬
rch das Stück eine tiefer Lebensauf¬
lichen Gebieten. Professor Brunner habe nicht den Versuch gemacht,
frage, oh sie meine, daß ein Dichter,
ihn zu einer Agitation gegen das Stück zu gewinnen.
schilbert, wie sie tatsächlich im Leben
In einem Gespräch mit Prosessor Brunner sei auch die
ill, so solle es gemacht werden. —
Rebe auf den „Reigen“ gekommen und man wollte gemeinsam in die
bin ich nicht. Ich weiß genau, daß
Vorstellung gehen. Professor Brunner sei aber verhindert gewesen
agen will: „Tuk es auch so.“
und so habe er sich mit einem anderen Herrn ins Theater begeben,
orn: Frau Zeugin, ist Ihnen nicht
und zwar auf die ihnen zur Verfügung gestellten Dienstplätze
nen mit einer gewissen Ernüchterung
Professor Brunners vom Polizeipräsidium. Außer der Dar¬
eugin: Ich habe das Gesühl der Er¬
stellung hätten sie auch die Musik mit ihrer=süßlichen Melodie und
#nur auf seiten des Mannes feststellen
ausgeprägter Sinnlichkeit als ein raffiniertes Mittel empfunden
mnuß dabei zu der Ansicht kommen, drß
sich
Von besonderen Schritten, die Professor Brunner gegen den „Reigen
eßt und gibt dann derjenigen, die
eingeleitet habe, wisse er nichts. Peofessor Brunner habe ihn nur
Fußtritt. Er muß den. Einbruck be¬
sich jeder Frau, auch der verheirateten,
Befragen der Verteidiger erklärt der Zeuge: er gehöre dem Deutsch¬
und sei Kandidat der
völkischen Schutz= und Trutzbnk
wig Julda:
Deutschnationalen Partei für den Reichstag si#n
Der Zeuge,
zeigt wird, daß der Minnn die Fral,
Amtsgerichtsrat Ganze, erklärt nach einigen Fragen des Dr. Alfreb
hat fortstößt. Muß da nicht gerade
Kerr, daß er die schädliche Auswirkung des „Reigen“ hauptsächlich
kinen, daß ein Mann, der nur aus sinn¬
darin erblicke, daß das Stück gerade in der heutigen Zeit des sitt¬
hrt, nachdem er sein Ziel erreicht hat.
lichen Verfails gegeben worden sei. Hierauf wird
Mädchen kann das doch nicht
es für widerlich halten.
Professoe Dr. Beunner
Es ist aber ein großer Unterschied.
als Zenge vernommen. (er bekundet, daß er an der Organi¬
gerein mit sittlich gefestentem
ation des Theaterslandals am 22. Februar in keiner
n würde, so würde das Stück auf diese
Weise beteiligt gewesen sei. Ebenso sei es nicht richtig,
ung ausüben, die es auf mich gemacht
daß er die Vorstellung am Sonntag vorzeitig verlassen habe, da er
tadtmädchen, die durch mangelnde
sich „etwas derartiges“ nicht mit ansehen könne. Er habe den Ein¬
gang ein gewisses schwankendes Seelen¬
druck daß gegen ihn noch vor der Abgabe seines Gurachtens
ein
Verführungen leicht beeinflüssen lassen,
Resseltreiben veranstaltet werde, um ihn zu Falle
zu
hlaube ich nicht, daß eine abschreckende
bringen. Es sei völlig unrichtig, wenn die Verteidigung hier
be¬
tritt.
haupte, duß er der Organisator des ganzen Kampfes gegon
den
gin hat meine Frage nicht beantwortet.
„Reigen“ sei. Im Gegenteil:er halte sich fern von
eg
er einen Seite das weibliche Geschlecht
lichen tätlichen Vorgehen in den Cheaiern
#id auf der anderen Seite aber aussreist
#ds und hube es sogar seinem 39 jähric Sohhe verddien,
5
r Widersprlich.
an irgendwelchem Vorgehen gegen das Theater selbst zu beteilig
gen.
Plländer: Frau Zeugin. Sie wissen.
Bezüglich der Frage der Verwendung von öffentlichen Geldern
für
Malerei die Nacktheit des nenschlichen
die Villetts zum „Reigen“, könne er nur sagen, daß davon keine Rede
Wie denken Sie diesbezüglich über die
ei. Der Zeuge erklärt weiter, daß er mit der Lebitsschen Ver¬
sammlung absolut nichts zu tun habe. (Als das Publikum bei
ehrerin war, bin ich mit meinen Schule¬
einzelnen Ausführungen Professor Brunners ironische
die Museen gegangen, um ihnen die
Zwischenruse macht, droht Landgerichtsdirektor Berenhausen
künstlerischen Nacktheit klar¬
im Wiederholungsfalle die Räumung des Zuhörerraumes an.)
Rechtsanwalt Wolfgang Heine erklärt hierzu, daß er auch gegen
en auch, daß große Künstler den
eine derartige Mitbeteiligung der Juhörer sei, daß aber derartige
kt haben. Glauben Sie, daß in der
Zurufe begreiflich seien, wenn sich Professor Brunner hier als Ver¬
nge sieht, solche Empfindungen geweckt
treter der öffentlichen freien Meinung bezeichne.
Auf eine Frage
en „Reigen“.
des Rechtsanwales Heino, ob er als Beamter des Polizeipräsidiuns
beantwortete dann verschiedene Fragen
sich nicht für verpflichtet gehalten habe, seiner Behörde dienstliche
berger. Der Verteidiger betont:
∆4
den
ar nicht um einen Kampf gegen
Anzeige zu erstatten, als er von seinem Sohne hörte daß im
Theater Skandalszönen provoziert werden sollten, er¬
ie Juden. Man habe den „Reigen
Sd Musen
Frauen seine frühere Bedeutung so gut wie ganz eingebüßt. — #bente
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1. Betblatt
Druck und Verlag von Rudolf Mosse in Berlin.
Er
klärt Zeuge in höchster Erregung, daß er sich zu einer der¬
artigen Denunzitation auf Grund von Mitteilungen innerhalb seiner
Familie niemals hergegeben hätte und richtete dabei verschiedene
rein persönliche Angriffe gegen Rechtsanwalt Wolfgang Heine.
R.=A. Heine: Die Angriffe gegen mich seien Ihnen geschenkt.
Ich werde mich noch an anderer Stelle mit dem Herrn
Professor Brunner deswegen auseinandersetzen. Auf weitere
Fragen des R.=A. Heine erklärt Zeuge Brunner, daß er der
Organisation des Kampfes gegen den „Reigen“
völlig fernstehe. Der eigentliche Inspirator dieses Kampfes
sei der Schriftsteller Schlaitjer.
Direktor Felix Holländer
vom Deutschen Theater bekundet als Sachverständiger unter an¬
derem: Das Stück „Reigen“ habe in keiner Weise irgendwie
sein Schamgefühl verletzt, noch habe er Anstoß daran ge¬
Die Vorstellung, die er angesehen habe, sei in
nommen.
keiner Weise verlotend, sonbern“ eher langwellig gewesen.
Der „Reigen“ sei auch von Direktor Max Reinyardt
angenommen gewesen, das Stück ist dann auf Grund
Reinhardt=Bühnen und
zwischen dem Konzern der
400
der
Kleinen Schauspielhaus bestehenden Interessengemein¬
„Reigen“

schaft dem letzteren überlassen worden.
ist absolnt ein sehr großes Kunstwerk, das er immer als solches an¬
erkennen werde. Die Darstellung sei auch durchaus dezent.
Sachverständiger Letdwig Fulda, der auch vereidigter Sach¬
verständiger für dramatische Literatur an den drei Berliner Land¬
gerichten ist, war von Frau Eysold eingeladen worden, die General¬
probe zu besuchen, da gegen die Aufführung des Stückes Bedenken
erhoben wurden. Er habe auf der Generalprobe den überraschenden
Eindruck gehabt, wie dieses Werk in absolut einwandfreier Weise
Irgendwelche Be¬
auf der Bühne verkörpert werden konnte.
denken sittlicher Art durch das, was dargestellt worden, konnten nicht
entstehen. Er habe in keiner Weise an der sehr bezenten Aufführung
Aergernis genommen. Riemals könne etwas Dargestelltes unzüchtig
werden durch etwas, was nicht dargestollt wird. sonst würde ein
unserer klassischen Meister¬
großer Teil
werke und Werke der modernen Literatur
ür unzüchtig erklärt werden müssen. Schnitzler habe
nie daran gedacht, daß diese von ihm geschriebenen Dialoge
auf die Bühne gelangen sollten, er hatte das Werk nur für die Lek¬
Der intellektuelle Urheber der
türe geschrieben.
„Reigen=Aufführungen“ sei Professor Maz Rein¬
hardt der Dr. Schnißler erklärte: „Ich halte dis Aufführung
Ihres Werkes künstlerisch nicht nur für opportun, sondern für burch
aus wünschenswert.“ Erst auf Reinhardts wiederholtes Drängen hat
Schnitzler das Aufführungsrecht dem Professor Reinhardt übertragen.
Vieles, was auf Berliner Bühnen zu sehen ist, sei viel pikanter, ver¬
fänglicher und frivolet sowohl in bezug auf das Stück, als auche auf
die Darstellung, als was der „Reigen bietet. Er erinnere ferner

an die Andeülungen des Geschlechtsaktes, wie im „Faust“
„Romeo und Julia“, in Hebkels „Judith“, in Waqners „Walküre“
Das Buch der „Walküre hatte seinerzeit Schopenhauer vorgelegen
und dieser schrieb hinter Wagners Bemerkung „Der Voxhanz fällt
Die
chnell“ die Bemerkung: „Es war aber auch die höchste Zéiel
Kunst habe nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht,
auch die Schattenseiten des Lebens zu behandeln.
Der nächste Sachverständige Baron zu Putlitz,
hat sich in seiner Eigenschaft als Präsideni des deutschen
Bühnenvereins mit der Aufführung des „Reigen“ besaßt.
Nach seiner Ueberzeugung hat Frau Eissoldt nie bezöglich des
Reigen“ die künstlerischen Interessen vernachlässigt und nur an
Kassenerfolge gedacht. Seinerseits hat der Sachwerständige von Putz¬
litz bei den wiederholt von ihm besuchten Vorstellungen nie einen
as Gefühl des Zuwiderseins gehabt.
Der Sachverständige Professor Klaar hat nichts als unsittlich
und anfrößig empfunden, von unzüchtigen Bewegungen nichts geschen,
deren angebliche Beobachtung auf einem Irrium berichen muß.
Dr. Alfred Kerr:
Der Sachverständige, Dr. Alfred Kern, richtet zunächst an den
Staaisanwalt die Frage, weshalb denn nicht auch die Musiker, die
Geiger und Flöt.isten, die doch ebenfalls bei einer etwaigen unsitt¬
lichen Handlung mitgewirtt hätten, unter Anklage gestellt worden
seien. Der Staatsanwalt erwidert, ihre Mitwirlung sei so untar
geordneter Natur gewesen, daß sie nicht zut Kenntnis der Staals¬
anwaltschaft gelangt sei. Der Sachverständige verbreitet sich sodann
zunächst über die Stimmung, aus der heraus das Buch „Der Reigen
entstanden sei, das er in der Handschrift des Dichters von einem
Vierteljahrhunderts bereits gelesen hat. Auf ihn ist es zurück¬
zuführen, daß das Stück nicht den von Schnitzler zuerst gewählten
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Es fehlt ihm an einer widerstandsfähigen Ein¬
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