II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 913

11. Reigen
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Nr. 510 Beilage.
Aus Groß=Berlin.
Die erste Sitzung der neuen
Stadtverordneten=Versammlung.
Die gestrige erste Sitzung der neugewählten Stadtverord¬
netenversammlung führte schon lange vor Beginn die ver¬
schiedenen Fraktionsmitglieder in großen, lebhaft diskutierenden
Gruppen im Vorraum zusammen. Nachdem die Stadtverord¬
neten im Sitzungssaal Platz genommen, hielt Oberbürger¬
meister Böß die Begrüßungsansprache, in der er
auf die ernsten Aufgaben hinwies, die die neuen Stadtver¬
ordneten zusammen mit den Bezirksverordneten für die Organi¬
sation der Verwaltung zu leisten hätten.
Hierauf folgte der Namensaufruf der Mitglieder, die vom
Oberbürgermeister durch Handschlag verpflichte
wurden. Bei dem Aufruf des Deutschsozialen Kuntze erhebt
sich auf der äußersten Linken großer Lärm vermischt mit dem
Rufe „Knüppel= untze!“ worauf Kuntze zur Antwort
gab: „Ihnen scheint der Knüppel in Ihrer Jugend allerdings
gefehlt zu haben!“
Als ältestes Mitglied übernimmt Stadtv. Pfannkuch
(S. P. D.) bis zur erfolgten Wahl des Vorstehers den Vorsitz
und setzt die nächste Sitzung auf Donnerstag, 17. No¬
vember, an. Die Tagesordnung wird den Mitgliedern zugehen.
Damit schließt die erste Sitzung.
Reigen=Prozeß.
Die Vernehmungen der Zoigen zeigen nach wie vor unüber¬
brückbare Gegensätze. Direktor Sladeck, Frau Eysold und ihr
Anhang bestreiten jede Unzüchtigkeit, auf der anderen Seite
wird das Stück als sittenverderbend bezeichnet. Die jüdiseh
beeinflußte Presse nimmt von vornherein zum großen Teil ganz
einseitig Stellung, die „Rote Fahne“ nennt den Prozeß eine
„Justizkomödie“ und der „Film=Kurier“ spricht von einem
„organisierten Aergernis, das den deutschvölkischen Kreisen,
denen die Folge Zeugen beiderlei Geschlechts angehören, diktiert
worden ist“. Diese „bekämpfen Weltanschauungen, die nicht im
Burdde nationalgesinnter Soldaten gut geheißen werden“. Den
Hauptzorn zieht Professor Brunner auf sich, den der „Film¬
Kurier“ als „Organisator“ der ganzen Sache bezeichnet.
Auf der einen Seite stehen die jüdischen Kreise, die einen
anderen Begriff haben von dem, „was sich ziemt", als die
andere deutschgesinnte Seite, die verzweifelt dagegen ankämpft,
daß unser deutsches Volk noch weiter von Schmutz und Schund
überflutet wird. Ein deutlicher Fingerzeig ist die Stellung¬
nahme deutscher Frauen zu dem Stück: wir haben deren Aus¬
sagen ausführlich gebracht.
Wenn der Sachorstätdige Alfred Kerr von einem im
Parkett sitzenden „Stinkbombenpöbel“, sprach, so sei demgegen¬
über festgestellt, daß die von jüdischer Seite geworfenen „geisti¬
gen Stinkbomben“ jedenfalls eine große Gefahr für unser Voll
und besonders für unsere Jugend sind.
Aus dem weiteren Verlauf der Vernehmungen geben wir.
die Aussage der Zeugin Frau Gertrud Gerken=Leit¬
gabel wieder. Die Zeugin ist der Meinung, daß auch die
dezenteste und künstlerisch vollendetste Darstellung des Schau¬
pielers den Schmutz und die Gemeinheit, die in dem
Inhalt des Stückes selbst liege, abzumildern und zu entkräftigen
nicht geeignet sei. Zehnmal hintereinander wurde der
Akt der innigsten Vereinigung zwischen Mann und Weib, ent¬
kleidet von allen ethischen und idealen Momenten, welche diesen
Akt aus dem Tierischen ins Menschliche erheben, in der brutal¬

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Su
A1. Mlert —.
Deutsche Zeitung
sten und gemeinster Weise zur Darstellung gebracht. Es werden
zehn Frauen, verheiratete und unverheiratete, gezeigt, die sich
auf das schamloseste prestituieren und sich Männern hingeben.
die sie nicht einmal dem Namen nach kennen. Nach jedem Akt
wendete sich der Mann mit einer zynischen Brutalität von dem
Weibe, das sich ihm hingegeben hat, ab und stößt es von sich.
Die Jugend, die in großen Scharen den „Neigen“ besucht
hat, nachdem sie von Freunden darauf aufmerksam gemacht
worden war, hat geglaubt, daß dort eine neue leichtere Lebens¬
auffassung gelehrt werde und daß das, was ihr bisher als An¬
stand und Sitte gelehrt worden war, jetzt abgeschafft sei und
man sich ebenso dem Weibe gegenüber benehmen könne, wie es
auf der Bühne gezeigt werde. Die Jugend muß durch dieses
Stück schweren moralischen Schaden erleiden, da sie innerlich
noch nicht ger ügend gefestigt sei, um zu erkennen, daß das Ge¬
zeigte nicht „das Leben“ sei, sordern Abgründe des Lebens,
vor denen jeder anständige Mensch zurückschaudere. In dem
ganzen Stück wird die Prostitution ganz anders dargestellt, als
sie in Wirklichkeit ist. „Ich hobe“ so fährt die Zeugin fort.
„mit diesen unglücklichen Geschöpfen, nicht vom Standpunkt des
verurteilenden Richters, sondern als helfender und rettender
Mensch zu tun und habe mit diesen Frauen unendliches Mitleid,
welche durch Leichtsinn oder soziale Verhältnisse der Prösti¬
tution in die Arme getrieben sind.“
Auch das Zeugnis der Ehefrau des Mechanikers Wester¬
ling sei angeführt, die auf die Frage des Staatsanwaltes an¬
gab, daß sie mit einer 15jährigen Tochter oder mit
ihrer jüngeren Schwester die „Reigen“=Aufführung
nicht besuchen würde.
(Die Verhandlungen dauern fort).
Das Ultimatum der städtischen Arbeiter.
Die Lage, die durch den Beschluß der städtischen Funktionäre
und Betriebsräte, dem Magistrat von Berlin, ein Ultima¬
tum über die Auszahlung der Teuerungsbei¬
hilfe zu stellen, entstanden war, hat jetzt eine Entspannung
erfahren. Das Lohnkartell wurde beauftragt, mit dem Magi¬
strat erneut Fühlung zu nehmen, im sobald als möglich dem
Stadtparlament die erforderlichen Unterlagen über die neuen
Forderungen der Arbe.tnehmer überreichen zu können. Damit
st zunächst die Streikgesehr beseitigt. Das Lohnkartell hat sich
bereits gestern nachmittag mit dem Magistrat in Verbindung
gesetzt und eine Vorbesprechung abgehalten.
Der Deutsche Offizier=Bund, Ortsaruppe Charlottenburg, ver¬
anstaltet am Sonnabend, 12. d. M., im Marmorsaal des Zvologischen
Gartens, Kurfürstendamm 9, Eingang Adlerportal, seinen ersten dies¬
jährigen Gesellschaftsabend. Beginn 7½ Uhr. Eintritts¬
arten für Mitglieder 14 M., für eingeführte Gäste 20 M. (einschl.
Steuer) an der Abendkasse.
Trabrennen zu Mariendorf.
Die Ergebnisse der Donnerstag=Rennen waren folgende: Zufall¬
Preis, 12 000 M., 2300 Metex: 1. G. Jauß' Silverius (Bes.), 2.
Sieg 44 :10. Pl. 16 14,
Ethelbert (L. Weiß), 3. Juliana (J. Ferech).
23:10. Ferner liefen: Hildebrandt (4.), Fragenicht, Pontresina, Pikan¬
tine, Ypfilanti, Verdun, Görz (als 3. bisqu., 80 vH. der Platzwetten
zur.), Cavatine, Dr. Keserves. Sicher, 1—6 Lg. — Maiden=Rennen,
13 000 M., 1400 Meter: 1. Frau A. Weils Clärchen M. (G. Wiese¬
ner), 2. Hartstein (H. Steinnagel). 3. M. P. (Hartseil). Sieg 486 : 10.
Pl. 69 26, 65: 10.
Ferner liefen: Schwetterling
Longobarde,
(40).
Jalus I, Adler, Östermagda, Lung Paulinigen, Edelweiß I. Heidemann.
Kampf, Kopf—5 Lg. —
Albanier=Preis, 12 000 M., 2100 Meter: 1. K.
Händlmeiers Guy Varoni (Bes.), 2. Erbschleicher (Bes.), 3. Feuer¬
ball (Bes.). Sieg 109:10. Pl. 25, 25, 16:10. Ferner liefen: Flieger
(4.), Basalt, Brünhilde III. Allertony, Küchenmädchen, Hindenburg
II,
Korsar (ohne Wetten) Tip Kuser, Bingen jr., Mars III, Christel W.,
Dr. Preßbourg. Leicht, 3—3 Lg. — November=Ausgleich, 17 000 M.,
2300 Meter:
Abteilung: 1. W. Preußlers Mitrowica
Bes.), 2. Xaver (Bes.), 3. Madison (P. Doelemann).
Sieg 63:10.
Pl. 23, 55. 22:10. Ferner liefen: Carl Kuser (4.), Mokassine, Maurice,
Clara I. Dardanella (disau.), Diomedes, Dr. Gugg, Jockele. Kampf
Kopf—1 Lg. — 2. Abteilung: 1. Gest. Alfredsheims Hilda L.
fröhlicher Leichtigkeit —„der Hauptmann von freudie¬
Scheacfs detechens4 — 00r9 Gartich wit eine¬
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