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Reigen
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Bemerlung zum „Reigen“-Prozeß.
Nachdem ich in dem leider allzu bekannten „Reigen“=Prozeß
als Zeuge vernommen worden bin, gestatte ich mir, noch folgende
kurze „sachverständige" Bemerkung (ich betätige mich seit Jahren
theater= und buchkritisch und habe die Berliner Erstaufführung
des „Reigen“ als kritischer Mitarbeiter eines großen auswärtigen
Blattes besucht):
Da der Dichter Arthur Schnitzler nicht auf der Anklagebank
sitzt, glaube ich nicht, daß man ihn gegen den Vorwurf von Un¬
züchtigkeiten zu verteidigen braucht. Nur zwei Aeußerungen
über die Wirkung seines Werkes, das bereits als Teil des
Schnitzlerschen Gesamtkunstwerkes den Vorwurf der Unzüchtig
keit als absurd zurückweifen muß, möchte ich hier als bezeich¬
nend wiedergeben:
Ein Freund, dessen innere Ehrlichkeit allen, die ihn kennen,
unzweifelhaft erscheint, erklärte mir, daß er durch das Stück in
eine tiefe Melancholie, ja geradezu in eine Stimmung des
Schauderns geworfen worden sei; er sei nachts durch die Straßen
der Großstadt gegangen, und die Häuser schienen ihm Leben zu
bekommen und vom Grunde bis zum Dache von zischender
Schlangen durchkrochen zu werden. Diesem Eindrucke des „er¬
regenden Liebesstückes“ steht die Erzählung zur Seite, die mir
vor wenigen Tagen von einem anderen Manne gemacht wurde
der nichts weniger als weltabgekehrt zu sein scheint: dieser wa
mit einem Mädchen zusammen aus der Vorstellung des „Reigen
fortgegangen; es sei ihm jedoch (Wahrheit verlangt wahre Be¬
handlung!) unter dem Eindrucke der letzten sozusagen verzwei¬
selten und in der Aufführung des Kleinen Schauspielhauses noch
um einige Töne dunkler gespielten Szene nicht möglich gewesen
mit der Frau in die innigste Berührung zu treten.
An eine andere Dichtung möchte ich angesichts des „Reigen
noch erinnern, die lange Zeit das vergiftete Tageslicht der sitt¬
lichen Welt scheuen mußte. Ueber diese kleine Dichtung, die die
seelischen und körperlichen Gefühle und Untergefühle um den
Geschlechtsakt herum zärtlich und tiefklar wiedergibt, schreibi
der Genosse des Dichlers: „In hohem Grade sittlich in ihrer
Tendenz, jedoch so ohne alle Rücksicht natürlich und wahr, daß
die Welt dergleichen unsittlich zu nennen pflegt.“ Der Dichter¬
genosse heißt Eckermann, der Verfasser des Werkchens, den mar
füglich als lasterhaft und undeutsch verpönen sollte, heißt Jo¬
hann Wolfgang Goethe, und die kleine Dichtung ist „Da¬
„Tagebuch“.
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gung der englisch=japanischen Allianz, und anvererseits entspricht
der Vorschlag Hughes', wona chEngland mit 24 Großkampfschiffen
Schließlich möchte ich als Jurist zur subjektiven Seite der
Anklage gegen die Schauspieler und Schauspielerinnen sagen, daß
es eigenartig genannt werden kann, Künstlern die Bezeichnung
einer unzüchtigen Handlung vorzumerfen, nachdem eben zuvor
eine deutsche Zivilkammer die Schnitzlerschen Szenen für eine
sittliche Tat erklärt hatte. Zivilrechtlich wären meiner Ansicht
nach zudem die Darsteller nicht berechtigt gewesen, unter Ab¬
lehnung ihrer Rollen die Mitwirkung an der „Reigen“=Auffüh¬
Dr. Erwin Reiche.
rung zu verweigern.
Musikkeitische Gähre
Von
Siegmund Pisling.
Das Bild Straußens erhält durch drei Hymnen nach
Hölderlin, die im Konzert der Großen Volksoper zum allerersten
Male aufgeführt wurden, keinerlei neue Züge. Eine sehr
musikantische, sehr dionysische Erregtheit, die mit allen Künsten
des Satzes souverän schaltet und waltet, umgibt spröde Verse mi
einer derartigen Glätte, daß der Gedanke, Strauß kopiere wiede
einmal seine eigene lyrische Methode, sich nicht von der Hand
wossen läßt. Der Magier des Kolorits und werbenden Aperaus
verleugnet sich nicht in diesen schwierigen, dabei nicht einmal
sonderlich dankbaren Orchester=Pramen mit obligater Singstimme,
die Herrn Brecher, dem Orchester und Frau Kemp zu schaffen
machten. Brecher konnte nach der fein abwägenden Darstellung
der Alpensinsonie von Strauß, die, je öfter man sie hört, desto
äußerlicher, filmartiger, plakatmäßiger erscheint, für rauschenden
Beifall danken.
Bei Eva Bruhn, der gutbeglaubigten Sängerin, war ich
Zeuge, wie eine sorgfältig ausgebildete Stimme vos bemerkens¬
werter Schönheit nach edlen Aufschwüngen immek wieder in
tumpferen Ausdruck verfiel, während dem begleitenden Giese¬
king vor lauter Säuseln und Sinnieren keine gesunde Phrase
gelang ... Alexander Kipnis macht durch eine braun¬
samtene Baßstimme aus guter Schule aufhorchen. In der Höhe
an Joseph Schwarz erinnernd, gibt sie dem Ausdruck in Schu¬
bertschen Liedern ziemlich elastisch nach ... Eine Stunde mit
der hervorragend klugen und objektiven Pianistin Sandra
Droucker. Moussorgskys „Bilder von der Ausstellung“ werden
auf einem unqualifizierharen Flügel so weit lebendig, daß man
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Bemerlung zum „Reigen“-Prozeß.
Nachdem ich in dem leider allzu bekannten „Reigen“=Prozeß
als Zeuge vernommen worden bin, gestatte ich mir, noch folgende
kurze „sachverständige" Bemerkung (ich betätige mich seit Jahren
theater= und buchkritisch und habe die Berliner Erstaufführung
des „Reigen“ als kritischer Mitarbeiter eines großen auswärtigen
Blattes besucht):
Da der Dichter Arthur Schnitzler nicht auf der Anklagebank
sitzt, glaube ich nicht, daß man ihn gegen den Vorwurf von Un¬
züchtigkeiten zu verteidigen braucht. Nur zwei Aeußerungen
über die Wirkung seines Werkes, das bereits als Teil des
Schnitzlerschen Gesamtkunstwerkes den Vorwurf der Unzüchtig
keit als absurd zurückweifen muß, möchte ich hier als bezeich¬
nend wiedergeben:
Ein Freund, dessen innere Ehrlichkeit allen, die ihn kennen,
unzweifelhaft erscheint, erklärte mir, daß er durch das Stück in
eine tiefe Melancholie, ja geradezu in eine Stimmung des
Schauderns geworfen worden sei; er sei nachts durch die Straßen
der Großstadt gegangen, und die Häuser schienen ihm Leben zu
bekommen und vom Grunde bis zum Dache von zischender
Schlangen durchkrochen zu werden. Diesem Eindrucke des „er¬
regenden Liebesstückes“ steht die Erzählung zur Seite, die mir
vor wenigen Tagen von einem anderen Manne gemacht wurde
der nichts weniger als weltabgekehrt zu sein scheint: dieser wa
mit einem Mädchen zusammen aus der Vorstellung des „Reigen
fortgegangen; es sei ihm jedoch (Wahrheit verlangt wahre Be¬
handlung!) unter dem Eindrucke der letzten sozusagen verzwei¬
selten und in der Aufführung des Kleinen Schauspielhauses noch
um einige Töne dunkler gespielten Szene nicht möglich gewesen
mit der Frau in die innigste Berührung zu treten.
An eine andere Dichtung möchte ich angesichts des „Reigen
noch erinnern, die lange Zeit das vergiftete Tageslicht der sitt¬
lichen Welt scheuen mußte. Ueber diese kleine Dichtung, die die
seelischen und körperlichen Gefühle und Untergefühle um den
Geschlechtsakt herum zärtlich und tiefklar wiedergibt, schreibi
der Genosse des Dichlers: „In hohem Grade sittlich in ihrer
Tendenz, jedoch so ohne alle Rücksicht natürlich und wahr, daß
die Welt dergleichen unsittlich zu nennen pflegt.“ Der Dichter¬
genosse heißt Eckermann, der Verfasser des Werkchens, den mar
füglich als lasterhaft und undeutsch verpönen sollte, heißt Jo¬
hann Wolfgang Goethe, und die kleine Dichtung ist „Da¬
„Tagebuch“.
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gung der englisch=japanischen Allianz, und anvererseits entspricht
der Vorschlag Hughes', wona chEngland mit 24 Großkampfschiffen
Schließlich möchte ich als Jurist zur subjektiven Seite der
Anklage gegen die Schauspieler und Schauspielerinnen sagen, daß
es eigenartig genannt werden kann, Künstlern die Bezeichnung
einer unzüchtigen Handlung vorzumerfen, nachdem eben zuvor
eine deutsche Zivilkammer die Schnitzlerschen Szenen für eine
sittliche Tat erklärt hatte. Zivilrechtlich wären meiner Ansicht
nach zudem die Darsteller nicht berechtigt gewesen, unter Ab¬
lehnung ihrer Rollen die Mitwirkung an der „Reigen“=Auffüh¬
Dr. Erwin Reiche.
rung zu verweigern.
Musikkeitische Gähre
Von
Siegmund Pisling.
Das Bild Straußens erhält durch drei Hymnen nach
Hölderlin, die im Konzert der Großen Volksoper zum allerersten
Male aufgeführt wurden, keinerlei neue Züge. Eine sehr
musikantische, sehr dionysische Erregtheit, die mit allen Künsten
des Satzes souverän schaltet und waltet, umgibt spröde Verse mi
einer derartigen Glätte, daß der Gedanke, Strauß kopiere wiede
einmal seine eigene lyrische Methode, sich nicht von der Hand
wossen läßt. Der Magier des Kolorits und werbenden Aperaus
verleugnet sich nicht in diesen schwierigen, dabei nicht einmal
sonderlich dankbaren Orchester=Pramen mit obligater Singstimme,
die Herrn Brecher, dem Orchester und Frau Kemp zu schaffen
machten. Brecher konnte nach der fein abwägenden Darstellung
der Alpensinsonie von Strauß, die, je öfter man sie hört, desto
äußerlicher, filmartiger, plakatmäßiger erscheint, für rauschenden
Beifall danken.
Bei Eva Bruhn, der gutbeglaubigten Sängerin, war ich
Zeuge, wie eine sorgfältig ausgebildete Stimme vos bemerkens¬
werter Schönheit nach edlen Aufschwüngen immek wieder in
tumpferen Ausdruck verfiel, während dem begleitenden Giese¬
king vor lauter Säuseln und Sinnieren keine gesunde Phrase
gelang ... Alexander Kipnis macht durch eine braun¬
samtene Baßstimme aus guter Schule aufhorchen. In der Höhe
an Joseph Schwarz erinnernd, gibt sie dem Ausdruck in Schu¬
bertschen Liedern ziemlich elastisch nach ... Eine Stunde mit
der hervorragend klugen und objektiven Pianistin Sandra
Droucker. Moussorgskys „Bilder von der Ausstellung“ werden
auf einem unqualifizierharen Flügel so weit lebendig, daß man
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