II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 982

11. Reigen
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Kiote & Seider
Bureau für Zeitungsausichnitte
Bertin 110. 43, Geotgennirchplatz 21
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Wissenschaft, Kunst und Literatur.
7 Operettentheater am Sophienblatt.
/Gastspiel der Hamburger Kammerspiele.
„Reigen“, zehn Dialoge von Arthur Schnitzler
Ein ausverkauftes Haus und am Ende eine ziem¬
lich allgemeine Enttäuschung. Zwischen den zehr
Bildern: Zwischenaktsmusik: Klavier und Geige, wie
einst im Vorstadttheater. Sie spielte — sinngemäß
Wiener Weisen, so schön, wie einst im Vorstadt¬
#heater. Eins war allerdings vergessen: das so herr¬
ich passende Lied: „Sehn Sie, das ist ein Geschäft,
das bringt doch noch etwas ein; ein jeder freilich
kann das wirklich nicht, denn das muß verstanden
sein!“ Die Schaubühne wird als eine moralische
Anstalt betrachtet, hat einmal ein Herr Schiller ge¬
dacht. „Das ist schon lange her, das freut uns um
Zwischenakts¬
so mehr“ antwortet heute die
musik. Man wird gewiß der Schaubühne
nicht das Recht absprechen, aus ihrem eigensten
Wesen heraus auch Theater
um
zu spielen,
der Theaterkunst willen, um mit der Welt
des
Scheins ihre Besucher anzuregen und zu unterhalten.
Aber es gibt Grenzen, die keine Kunst überschreiten
kann und darf, und dahin gehört die Darstellung
der von Schnitzler unter dem Namen „Reigen“ ge¬
sammelten Zwiegespräche beim Erleben vol Liebes
abenteuern und Liebesirrungen, die mit der Liebe
nichts zu tun haben und nur Sinnenrausch bedeuten.
Diese Zwiegespräche sind Verfallkunst ausgepräg¬
tester Art und ihre Wiedergabe auf der Bühne ist
nichts anderes als ein theatertünstlerischer Fehltritt
auf abwärts führender Bahn, wie das der Schreiber
dieser Zeilen schon bei der am 4. Dezember ver¬
öffentlichten Besprechung des Buches betonte.
Wären nicht Verbote und Prozesse
zu Hilfe
gekommen, so wäre das Buch wahrscheinlich als be¬
anglos vergessen. Den Wiener Frauen stellt Schnitz¬
ler ohne Ausnahme das Zeugnis aus, daß für sie alle
Hemmungen altes Gerümpel bedeuten, wenn es gilt,
eine Liebesnacht zu erleben. Wiener Liebesnächte
wäre daher wohl die richtigere Bezeichnung für den
„Reigen“ gewesen. Es fragt sich nur, was die
Wienerinnen dazu gesagt hätten. In Deutschland
wird man in der Vorführung dieser Liebesnächte
nichts anderes erblicken als eine Herabwürhigung der
deutschen Frau und die Aufführung deswegen
ablehnen.
Die Theaterbesucher waren von der Theater¬
leitung vorsichtshalber veranlaßt, zu bescheinigen, daß
sie die Aufführung nicht stören würden. Sie nahmen
aber auch nicht Gelegenheit, ihr Beifall zu zollen.
Wie im Buche, so wirkte auch bei der Aufführung die
zehnfache Wiederholung der gleichen Abgeschmacktheit
erstimmend. Gerichtlich wurde beurkundet, daß die
Darsteller der Bühnenbearbeitung ihre heitle Aufgabe
mit künstlerischer Zurückhaltung durchgeführt haben.
das ist eine Selbstverständlichkeit, für die es, wie
schon bei der Besprechung des Buches hier aus¬
geführt wurde, gerichtlicher Feststellung wahrlich nicht
bedurfte, denn andernfalls hätten die Mitwirkenden
in den Aufführungen ihr Menschentum selber herab¬
gewürdigt. Natürlich hat diese Zurückhaltung zur
Folge, daß den Zuhörern zuweilen Grundgedanken
der Gespräche verloren gehen, was sicher nicht der
Zweck einer Theatervorstellung ist, wenn auch an den
unverständlich bleibenden Aussprüchen nichts beson¬
deres verloren ist. Der Spielleiter Paul Marx
hatte für die Aufführung einen stilisierten Rahmen
geschaffen, in dem sich die Gespäche wie Bilder ab¬
spielten, und der eine verhältnismäßig schnelle
Bühnenverwandlung ermöglichte. Weibliche Mit¬
virkende waren Mara Lolja als Dirne und als
Stubenmädchen im Prater, Mia Wogos als
Stubenmädchen im Salon, Marcella Halicz
als junge Frau, Friedel Lang als süßes Mädel
und Centa Bré, die in der Rolle einer Schau
spielerin durch burschikosen Humor über alles Ver¬
fängliche hinwegzugleiten wußte. Die Herrenrollen
hatten inne: Georg Pipper als Soldat, Gün¬
ther Bobrik als junger Herr, Rudolf Fernau
als Dichter, Wolf Dehnbera als Graf und der
Spielleiter Paul Marx, der als vielbesaiteter
Gaue in schnellem Wechsel die verschiedenartigsten
Tonarten anzuschlagen wußte. Die Wiener Mundart
war nicht allen Mitwirkenden gleichmäßig eigen.
Schadenfreude ist die beste Freude, mögen diesmal
alle denken, vie sich von dem Aufsehen erregenden
Aushängeschild der Gerichtsverhandlungen über den
„Reigen“ nicht haben anlocken lassen.
. G.