II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1002

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11. Reigen
In deinem Namen ist entzwei
Die Menschenwelt gerissen:
Die — wollen den Ellenbogen frei,
Und die — ein frei Gewissen.
Wie? Was? Ein dies soll ich sein? Na, hört,
„Ich sag es auch unverhohlen,
Daß mir das Alles da gehört
Und daß ihr mir's gestohlen.
Zweitausend Kronen Wochenlohn
Reichen die für das lumpige Leben?
Ich bin des Volkes enterbter Sohn,
Und kurz: Ich brauch' es eben,
Ich enteign' es und nehme mir 's wieder
Hand weg, sonst schlag' ich euch nieder!“
Den Militarismus schlugt ihr nieder
Im Namen der Freiheit und Menschenliebe,
Den Militarismus weckt ihr wieder,
Um nicht alle zu werden Räuber und Diebe
Ehrlicher Haß und ehrliche Hiebe
Sind edel und schön und Menschenliebe,
Sie lehren, sich decken und sich besinnen,
Sich klüger bedenken und reiner beginnen;
Aber ein höses Teufelsei
Ist häßliche Liebesheuchelei.
Münchener Theaterbrief.
(Eigenbericht.)
Schon lange vor dem Ausbruch des Krieges hat sich
unser sogenanntes dent##es Theater, soweit es künst¬
lerisches Streben vormimte, in eine Dornenhecke ein¬
gesponnen, an der die Jahre spurlos vorüberrauschten; ja
selbst die Revolutionsstücke, die es als Tribut an die
„neue“ Zeit spielte, machten alle einen höchst unwirklichen
spukhaften Eindruck, als wenn eine alte, ekelhafte Hexe
mit einer roten Fahne aus dem Gestrüpp heraus gewinkt
hätte.
Auch die Münchener Theater verharren in diesem
Scheinleben, und der Herr Geheimrat Zeiß hat sich wahr¬
lich nicht als der Prinz gezeigt, der imstande wäre, das
Dornröschen an der Isar wachzuküssen! Wie herzlich
wenig Fühlung er mit dem deutschen Volkstum hat,
zeigte er am besten in der Woche der zahlreichen
schönen Reichsgründungsfeiern in München. Just in
dieser Woche stopfte er den Spielplan des National¬
theaters voll mit lauter welschen Opern,
und gerade am 28. v. M. führte er im Residenztheater
auf Sternheims „Marquise von Arcis“! Wenn das keine
Absicht war, so war es doch hanebüchener Unverstand.
Nach fast halbjähriger Tätigkeit leistete Geheimrat
Zeiß als erste Abschlagszahlung auf sein Versprechen
einer liebevollen Pflege der Klassiker eine Neuinszenierung
und Neueinstudierung der „Maria Stuart“ im Prinz¬
Regententheater. Sehen wir von der bedeutenden Leistung
der Hilde Herterich als unglückliche Schottenkönigin und
Franz Jacobis als Graf Shrewsbury ab, kassen wir dis
königin Elisabeth der Magda Lena noch hingehen, so ist
der Rest — Schweigen. Auch die Ausstattung strömten einen
Armeleute-Geruch aus, besonders die blau kostümierte
Palastwache mit ihren knallroten Schärpen hätte eher zu
der Hofhaltung Kurt Eisners als an den glanz= und
prunkvollen Hof der „jungfräulichen“ Königin gepaßi, die
in Wirklichkeit wie Chatterton Hill in seinem Buche
„Moloch England“ mit Recht sagt, eine der ärgsten
Dirnen war, die je einen Thron zierten, aticnn